KVB-Chefin Stefanie Haaks wehrt sich im Interview gegen die Kritik von Aufsichtsrat, Stadt und der Öffentlichkeit und erklärt, wie sie das Verkehrsunternehmen in die Zukunft führen will.
KVB-Chefin im Interview über die Bahn-Krise„Das ist eine Katastrophe für den Kunden“
Frau Haaks, wann fahren die Bahnen wieder nach dem regulären Fahrplan?
Um diese Frage zu beantworten, müsste ich die Entwicklung von Krankheitswellen und Arbeitsmärkten vorhersehen können. Aber wir haben einen guten Weg gefunden, dem Problem zu begegnen. Wir haben einen zuverlässigen, ausgedünnten Fahrplan vorbereitet, der stufenweise umgesetzt wird und ab März komplett greift. Und wir werden dann zusätzliche Fahrten auf den zentralen, viel befahrenen Linien anbieten, sobald wir dafür wieder genug Personal zur Verfügung haben.
Wie ist die aktuelle Lage?
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Die Krankenquote ist leicht gesunken, die Bahnen fahren wieder zuverlässiger als im Dezember. Die Influenzawelle war im November unerwartet und rasant angestiegen, in den Monaten davor waren wir im Trend der Vorjahre, deswegen wurden wir von dieser Entwicklung überrascht. Mit Blick auf die Prognosen des Robert-Koch-Instituts rechnen wir ab Anfang März wieder mit einem erheblichen Anstieg, darauf haben wir unseren Fahrplan abgestimmt. Wir haben – Gott sei Dank – ja wieder ein hohes Fahrgastaufkommen. Wir haben im Dezember Fahrgastzählungen durchgeführt, um herauszufinden, wo Fahrplan-Anpassungen am ehesten vertretbar sind. Das sehen wir mit unserer Lösung gewährleistet. Dass die Ausdünnung dennoch wehtun wird, ist klar, aber wir wollen dadurch mehr Verlässlichkeit schaffen.
Sie haben erstmals in diesem Jahr von den Problemen berichtet, obwohl Ihre Kunden es seit vielen Wochen täglich gespürt haben. War das zu spät?
Wir haben die Maßnahmen beschlossen, als wir für uns festgestellt haben, dass die Betriebslage zu chaotisch wurde. Und es war phasenweise sehr chaotisch. Wenn zwei oder drei Bahnen auf einer Linie hintereinander ausfallen, ist das eine Katastrophe für den Kunden. Als wir uns für die Änderungen entschieden haben, haben wir diese auch zügig kommuniziert. Und wir haben jetzt eine Lösung gefunden, die sowohl für die Kunden als auch für unser Fahrpersonal gerade noch verträglich ist. Aber diese Lösung durfte kein Schnellschuss sein, sondern musste seriös vorbereitet werden.
Machen Sie sich auch darüber Gedanken, ob Sie als Chefin etwas falsch gemacht haben?
Man hinterfragt sich permanent, alles andere wäre meiner meines Erachtens eine arrogante Haltung. Ich spreche regelmäßig mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Fahrdienst, um zu verstehen, was sie bewegt, wie ihr Alltag aussieht. Ich setze sehr auf Teamarbeit, und dazu gehört auch, dass ich unseren Fachleuten bei ihrer Einschätzung vertraue – und das habe ich auch in dieser Situation gemacht.
Die Ursache für die aktuelle angespannte Personalsituation liegt zu etwa 90 Prozent an der Krankheitswelle und zu circa zehn Prozent an strukturellen Problemen. Bei den zehn Prozent haben wir nachgesteuert und sind auf dem Weg, deutlich mehr Personal anzuwerben.
Werden Sie aus der aktuellen Krise Erkenntnisse ziehen, um das nächste Mal besser vorbereitet zu sein?
Ja, eine Nachbereitung findet bei uns bei sehr vielen Themen und Projekten statt, das ist gängige Praxis. Wir schauen auch, was wir aus der Situation im Winter mit dem hohen Krankenstand und zahlreichen Ausfällen lernen können. Wir sind aber noch nicht raus aus den Problemen, und auch die Analyse ist daher noch nicht abgeschlossen.
Können Sie sich überhaupt einen Puffer an Fahrern leisten, um auf Krankheitswellen vorbereitet zu sein?
Mit der Frage befassen wir uns natürlich auch. Die Lösung kann aber auch nicht sein, dass wir beispielsweise 50 Personen im Fahrerdienst zu viel haben, wenn gerade keine Grippewelle über uns hereinbricht. Wir müssen immer gründlich zwischen Wirtschaftlichkeit und Kundenfreundlichkeit abwägen und das Gesamtjahr betrachten.
Sie haben zuletzt mit einer durchschnittlichen Krankenquote von elf Prozent geplant, obwohl die reale Quote seit anderthalb Jahren darüber liegt. War das kurzsichtig?
Nein, wenn wir planen, dann machen wir das mit Vorlauf. Wir fragen uns heute, wie die Quote im Jahr 2024 sein wird. Die Beobachtungen aus diesem Winter werden auf unsere nächste Prognose natürlich Auswirkungen haben, sie wird dann höher liegen. Vorab konnten wir aber nicht wissen, was in diesem Winter kommen würde.
Viele Babyboomer gehen in den kommenden Jahren in Rente. Wird sich die Fahrerkrise verschärfen?
Wir bereiten uns langfristig auf den demografischen Wandel vor. Wir wissen seit 2019, dass uns bis 2030 insgesamt rund 1000 Mitarbeitende altersbedingt verlassen werden und haben in diesem Zuge eine Rekrutierungs-Offensive gestartet, die wir jetzt noch einmal verstärkt haben. Für Januar und April haben wir beispielsweise die Plätze in den Fahrschulen erhöht. Aufgrund der aktuellen Situation tun gerade viele so, als wären wir ein Pleiten-, Pech- und Pannen-Laden. Das ist keineswegs so. Man darf nicht vergessen, dass wir Köln Tag für Tag mit der Leistung unserer Belegschaft mobil halten.
Verstehen Sie dennoch den Frust Ihrer Kunden?
Ich verstehe jeden, der mit unserer Leistung aktuell unzufrieden ist, das sind wir selbst ja auch. Die Situation ist frustrierend. Welches Unternehmen will nicht seine volle Leistung erbringen können, auch wenn es von Krankheitswellen gebeutelt ist? Man darf aber nicht vergessen, dass diejenigen, die im Dienst sind, engagiert sind und tolle Arbeit leisten. Es tut einem Unternehmen nicht gut, wenn diese Arbeit von außen schlechtgeredet wird.
Braucht die KVB mehr Geld, um ausreichend ausgestattet zu sein?
Wir sind mit der Stadt in einem guten Austausch. Die entscheidende Frage ist: Wie viel Verkehrswende will und kann man sich leisten? Leider haben sich die Rahmenbedingungen noch einmal verschlechtert. Energie wird teurer, Materialien werden teuer. Die Kosten für Bauprojekte steigen erheblich. Dass man an uns die Anforderung stellt, wirtschaftlich zu agieren, ist klar. Dass wir als Verkehrsunternehmen Verluste einfahren, muss bei politisch festgelegten Fahrpreisen aber ebenso klar sein.
Die Gewerkschaften sehen die Rolle von Stadt und Politik kritisch, demnach haben Sie nicht genug Spielraum für Investitionen. Stimmen Sie zu?
Wir sind Dienstleister der Stadt und beraten diese. Die Infrastruktur gehört – mit Ausnahme der Nord-Süd-Stadtbahn – der Stadt selbst. Die Entscheidungen werden von der Stadt getroffen. Ich plädiere immer für schnelle Entscheidungen bei Bauvorhaben, weil wir uns dann wesentlich besser darauf einstellen können. Grundsätzlich gibt es aber keinen Dissens, den Ausbau des Stadtbahnnetzes beispielsweise treiben wir gemeinsam voran.
Hoffen Sie auf einen neuen U-Bahn-Tunnel unter Neumarkt und Heumarkt?
Ich wünsche mir eine schnelle Entscheidung: noch in diesem Jahr. Dass wir aus KVB-Sicht eine unterirdische Variante bevorzugen, ist klar. Entscheidend ist, dass wir endlich Klarheit bekommen. Denn der Ausbau der Ost-West-Achse ist notwendig, ob mit oder ohne Tunnel.
Können Sie denn verstehen, dass viele skeptisch sind, ob es eine gute Idee ist, die halbe Innenstadt aufzubuddeln?
Baustellen sind immer unangenehme Übergangssituationen. Je länger sie dauern, desto unangenehmer wird es für alle Beteiligten, vor allem für Anwohner und Gewerbetreibenden. Angst zu haben, wäre trotzdem nicht die richtige Herangehensweise. Die Frage ist, wohin man will und was die Prioritäten sind.
Freuen Sie sich auf das 49-Euro-Ticket?
Wenn man wie wir schon eine nahezu 100-prozentige Auslastung der Busse und Bahnen hat, wäre eine andere Reihenfolge besser gewesen: Erst verbesserte Angebote und höhere Kapazitäten schaffen, dann eine entsprechendes Ticketangebot für eine stärkere Nachfrage. Wir brauchen längere Bahnen, mehr Gleise, mehr Werkstattkapazitäten und auch mehr Mitarbeitende. Wir planen längst in diese Richtung. Wir haben neue Stadtbahnen bestellt, planen mit dem Einsatz von 90-Meter-Bahnen auf der Ost-West-Achse sowie mit 70-Meter-Bahnen für andere Strecken, treiben gemeinsam mit der Stadt die Netzerweiterung voran. Aber das sind Vorhaben, die Zeit brauchen, auch wenn wir uns oft eine schnellere Realisierung wünschen würden
Schaffen Sie es noch, neue Mitarbeiter langfristig zu binden?
Die Gesellschaft hat sich verändert und die KVB ist mit ihren rund 4.000 Mitarbeitenden ein Querschnitt dieser Gesellschaft. Immer mehr Berufstätige orientieren sich nach einigen Jahren neu, wollen anderes ausprobieren und finden auch neue Jobs. Als ich junge Erwachsene war, wäre es ein Unding gewesen, den eigenen Job ohne Anlass zu kündigen. Heute funktioniert es anders, auch darauf müssen wir uns einstellen – die Fluktuation ist höher.
Sie sind im März seit vier Jahren im Amt. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Ich bin froh, dass ich ein Jahr vor der Pandemie angefangen habe und dadurch viele Menschen kennenlernen konnte, bevor man fast nur noch digital miteinander gesprochen hat. Es hat sich viel bewegt, die Pandemie war eine große Herausforderung, die wir sehr gut gemeistert haben. Wir haben alle unsere Bauvorhaben trotz der Pandemie umgesetzt, das ist ungewöhnlich: Wir werden im April unser Gebäude am Hermeskeiler Platz einweihen, der Betriebshof Nord ist umgebaut worden, der Betriebshof in Porz befindet sich im Bau, die Abstellanlage für Stadtbahnen in Weidenpesch wurde fertiggestellt. Es war eine erfolgreiche Zeit. Was fehlt, ist der Ausbau von Strecken. Es wäre schön, wenn wir da jetzt weiterkommen. Grundsätzlich gilt: Wenn die KVB funktioniert, gilt das als selbstverständlich, erst wenn etwas nicht funktioniert, wird darüber gesprochen. Man muss die Motivation dennoch ständig aufrechterhalten.
Wollen Sie die KVB aus der Krise und in die Verkehrswende führen?
Ja, natürlich. Ich würde mich sehr freuen, die gute Arbeit mit meinem Team fortsetzen zu dürfen.