Der Zughersteller Alstom spricht von Konstruktions- und Lieferproblemen. Mit Langzügen, wie sie die KVB bestellt hat, habe man bisher keine Erfahrung.
Probleme mit LangzügenHersteller Alstom nennt immer noch keinen Liefertermin für neue KVB-Bahnen
In Köln ist der Zughersteller Alstom seit Dienstag besonders dick im Geschäft. Der Fünf-Milliarden-Euro-Auftrag, den die Verkehrsverbünde go.Rheinland und Rhein-Ruhr für 90 neue Züge ausgehandelt haben, ist unterschrieben. Sie sollen ab 2029 auf der S-Bahn Rheinland zum Einsatz kommen. Erst im Testbetrieb, ab 2032 dann im regulären Fahrplan.
Bei der Feierstunde in der 28. Etage des Köln Sky mit Blick auf die Hohenzollernbrücke und den Hauptbahnhof stößt die Bahnbranche mit Kölsch und Wein gemeinsam an. „Das ist ohne Zweifel ein Leuchtturmprojekt“, sagt Alstom-Chef Tim Dawidowsky. „Die halbe Stunde gönnen wir uns. Und dann geht’s an die Ruder. Die eigentliche Party startet am Projektende.“
Im Frühjahr soll der Lieferplan stehen
Ein paar Kilometer weiter, in der Zentrale der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) an der Scheidtweiler Straße, ist man beim Thema Alstom von Partystimmung derzeit mindestens so weit entfernt wie von einem Fahrplan ohne Angebotskürzungen.
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Deshalb war der Termin mit KVB-Chefin Stefanie Haaks, zu dem die Alstom-Manager am Montag in die Vorstandsetage an der Scheidtweiler Straße je nach Sichtweise zitiert oder gebeten wurden, weit weniger amüsant. Dort wartet man seit einem Jahr vergeblich darauf, dass wenigstens die Testflotte der neuen Stadtbahnen ankommt, die im November 2022 bei Alstom bestellt wurde. Mehr als einen Dummy hat man in Köln bisher nicht zu Gesicht bekommen.
Langzüge für die KVB: Neue Bahnen sollten seit Januar fahren
Die 60 Meter langen Züge sollen 124 Bahnen der Baureihe K 4000 unter anderem auf der Ost-West-Achse ersetzen, die zum Teil seit 1995 unterwegs sind. Der Auftrag, im November 2020 vergeben, hat ein Gesamtvolumen von 363 Millionen Euro und könnte je nach Ausbau des Streckennetzes bis zum Jahr 2031 um weitere elf Lang- und 25 Kurzzüge erweitert werden.
Die Vorserie für 62 neue Niederflur-Bahnen, das sind die Linien 1, 7, 9, 12 und 15, sollte seit Januar im Probebetrieb durch Köln fahren. Doch Alstom liefert nicht. „Wir bekommen keine Antwort, wann die Auslieferung endlich beginnt“, schimpfte ein erboster KVB-Vorstand Jörn Schwarze unlängst im Verkehrsausschuss des Stadtrats. „So etwas habe ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht erlebt.“
Inzwischen geht die KVB „gemäß der letzten schriftlichen Mitteilung von Alstom“ davon aus, dass die Testbahnen mit 31 und die Hauptserie mit 33 Monaten Verspätung geliefert werden. Sicher ist das aber nicht.
Alstom-Mitarbeiter: Mit Herstellung von Langzügen noch keine Erfahrung
Angesprochen auf das Desaster druckst Alstom-Chef Dawidowsky am Dienstag bei der S-Bahn-Party im Köln Sky nicht lange herum. „Das ist kein Ruhmesblatt, das wir da abgegeben haben.“ Er kann sich diese klaren Worte offenbar leisten, schließlich verantwortet er das Alstom-Geschäft für Deutschland, Österreich, die Schweiz und die nordischen Länder Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island erst seit Anfang Oktober.
Wurden die Verzögerungen bisher vor allem mit Zuliefererproblemen und den Folgen der Corona-Pandemie begründet, räumt ein Alstom-Mitarbeiter am Dienstag im Köln Sky „konstruktionstechnische Probleme“ ein. Mit den von der KVB bestellten Langzügen habe man in der Produktion noch keine Erfahrung. Das sei vergleichbar einer Sonderbestellung. „60 Meter lange Fahrzeuge mit einer Achslast von zehn Tonnen und einer Breite von 2,65 Meter sind für uns eine technische Herausforderung.“
Eine erstaunliche Aussage, schließlich hat Alstom mit der Angebotsabgabe zugesichert, den Auftrag erfüllen zu können. Dort heißt es wörtlich: „Die Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) hat den Auftrag für die Lieferung von 62 modernen durchgängigen Niederflurfahrzeugen (60-Meter-Langzüge) sowie zwei rund 30 Meter langen Niederflurfahrzeugen an das Konsortium Alstom Transport Deutschland GmbH (Salzgitter) und Kiepe Electric GmbH (Düsseldorf) vergeben. Die Unternehmen haben jetzt nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten.“
KVB muss alte Bahnen flottmachen
Zum Ergebnis des Krisengesprächs vom Montag wollte sich die KVB im Detail nicht äußern. Der Alstom-Mitarbeiter versichert, man habe der KVB zugesagt, im Frühjahr 2025 einen verbindlichen Lieferplan vorzulegen. Die Vorserie solle trotz des Zeitverzugs aber ausgiebig im Realbetrieb getestet werden, bevor man mit der Produktion beginne.
Der Lieferplan werde „konkrete Meilensteine bis zum Abschluss der Fahrzeuglieferungen beinhalten. Ziel ist, dass Köln schnellstmöglich die neuen Bahnen zur Verfügung stehen. Das Unternehmen bedauert die verspätete Auslieferung und die damit einhergehenden Einschränkungen für die Kölner Verkehrs-Betriebe und die Fahrgäste“, heißt es am Mittwoch auf Anfrage. „Vertragsinterna und die Inhalte vertraulicher Gespräche“ werde man nicht kommentieren.
Modernisierung der Niederflur-Flott wird KVB Millionen kosten
Schnellstmöglich ist ein dehnbarer Begriff. Bei der KVB muss man deshalb improvisieren, um die alten Stadtbahnen betriebsfähig zu halten. Voraussichtlich im Mai 2025 sollen die ersten Fahrzeuge modernisiert werden, müssen dafür für mehrere Monate in die Werkstatt. Erfahrungen mit dem Aufmöbeln alter Bahnen haben die Verkehrs-Betriebe reichlich. Im Hochflurnetz sind etliche Züge unterwegs, die in den eigenen Werkstätten von Grund auf erneuert wurden.
Die Modernisierung der Niederflur-Flotte wird laut KVB-Angaben „einen hohen zweistelligen Millionenbetrag“ kosten. „Das ist für uns eine sehr unbefriedigende Situation. Die Gespräche mit Alstom sind allerdings vertraulich, daher werden wir uns zu Details nicht äußern“, teilt die KVB in einer schriftlichen Erklärung mit. „Allerdings ist unsere Erwartung, dass Alstom so schnell wie möglich seinen vertraglichen Verpflichtungen vollumfänglich nachkommt.“
Viel Druck auf Alstom ausüben, das können die Verkehrsbetriebe allerdings nicht. Dem Vernehmen nach sind alle vertraglich vereinbarten Schadenersatzforderungen bei Lieferverzögerungen bereits ausgeschöpft. Mehr Geld scheint also nicht zu holen.