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Lieblingsorte am DomWo Papst und Kaiser ihren eigenen Platz hatten

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Der Hausherr des Doms, Dompropst Guido Assmann, im mittelalterlichen Chorgestühl. Auf das Bänkchen auf der Unterseite der Sitze, eine sogenannte misericordia (Erbarmen), konnte sich die Domgeistlichkeit während langer Gebete im Stehen aufstützen.

Der Hausherr des Doms, Dompropst Guido Assmann, im mittelalterlichen Chorgestühl. Auf das Bänkchen auf der Unterseite der Sitze, eine sogenannte misericordia (Erbarmen), konnte sich die Domgeistlichkeit während langer Gebete im Stehen aufstützen.

Dompropst Guido Assmann, der Hausherr des Kölner Doms, liebt einen Ort in der Kathedrale ganz besonders.

Als Hausherr im Dom hat Guido Assmann ein paar beneidenswerte Privilegien. Dazu gehört der uneingeschränkte Zugang zum Binnenchor. Wann immer er es möchte, kann sich der Dompropst hierhin für einen Moment zurückziehen – an einen Ort der Ruhe mitten im Dom, auch dann, wenn er voller Menschen ist. „Oft komme ich zwischen Gottesdiensten hierher oder wenn ich etwas früher dran bin.“ Aus dem mittelalterlichen Chorgestühl, das Kriege und andere Wirren der Jahrhunderte überstanden hat, bietet sich Assmann dann nicht nur ein großartiger Blick in den Dom und auf den Dreikönigenschrein. „Dass an dieser Stelle Menschen seit 700 Jahren sitzen, beten und singen – das finde ich einfach beeindruckend.“

Platz für 104 Personen, an erster Stelle die Domkleriker, bietet das größte Chorgestühl in Deutschland. „In so großer Zahl haben wir sie heute natürlich nicht mehr“, sagt Assmann. Dafür sitzen jetzt Gläubige und Geistlichkeit immer sonntags um 17.30 Uhr zum musikalischen Abendgebet hier zusammen.

Dompropst Guido Assmann im Binnenchor des Kölner Doms

Dompropst Guido Assmann im Binnenchor des Kölner Doms

Woran dann wohl nur die Wenigsten denken dürften: Die zwei Sitze im Chorgestühl links und rechts, die dem Hochaltar am nächsten sind, sind traditionell Ehrenplätze für den Papst und den deutschen Kaiser. Indem das Domkapitel den Papst ideell zu einem Teil der Domgeistlichkeit erklärte, dokumentierte es die besondere Verbundenheit Kölns mit Rom. Als Benedikt XVI. im Jahr 2005 zum Weltjugendtag nach Köln kam und den Dom besuchte, nahm er hier Platz. Und auch wenn Deutschland längst eine Republik ist, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon einmal symbolisch den Ehrenplatz für den Repräsentanten der weltlichen Herrschaft eingenommen. Eigens freigelassen werden müssen sie aber nicht. So darf sich jeder, der hier sitzt, für einen Moment wie Papst und Kaiser fühlen.

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Wir beschönigen nichts, wir kleistern nichts zu
Dompropst Guido Assmann

Die Holzschnitzereien des Chorgestühls aus dem frühen 14. Jahrhundert zählen zu den größten Schätzen des Doms. Einzelnen judenfeindlichen Darstellungen „stellen wir uns ganz bewusst“, sagt Assmann. „Sie sind kein Ruhmesblatt für den Dom, gehören aber zur Geschichte.“ Es gibt Führungen zum Thema Antijudaismus am Dom und ein eigenes Forschungsprojekt. „Wir beschönigen nichts, wir kleistern nichts zu, sondern möchten sensibilisieren für einen respektvollen Umgang mit Menschen anderen Glaubens, die uns hier im Dom willkommen sind.“

Darstellung eines Pelikans am mittelalterlichen Chorgestühl des Kölner Doms

Darstellung eines Pelikans am mittelalterlichen Chorgestühl des Kölner Doms

Unter den vielen figürlichen Darstellungen im Chorgestühl ist Assmann besonders die eines Pelikans lieb. Aus der Antike stammt die Legende, der Pelikan reiße sich für seine hungrige Brut die Brust auf und füttere die Jungen mit seinem Blut. Im Mittelalter sah man das als Sinnbild für den Opfertod Christi am Kreuz. Auch auf Assmanns Primizgewand, das eine Tante ihm als Geschenk zur Priesterweihe 1990 versprochen hatte, ist ein Pelikan eingestickt. „Ich wusste nicht, was ich für ein Motiv wählen sollte“, erzählt Assmann.

Dann kam er 1989, noch vor der Wende, mit einem Freund in den Leipziger Zoo und sah dort einen Pelikan. „Anders, als ich mir das vorgestellt hatte, hatte der nicht etwa ein strahlend weißes Gefieder, sondern sah eigentlich ziemlich schmutzig aus.“ Ach, habe er gedacht, das könnte doch ein Motiv für ein Messgewand sein. Und so kam es dann auch. „Doppelt schön: Als das Gewand fertig war und ich Priester wurde, war die deutsche Einheit da.“ So hat der Pelikan für den Dompropst eine zusätzliche Bedeutung.