AboAbonnieren

In der Flut hatte die Malerin alles verlorenMaf Räderscheidt wird 70 und zeigt Neues

Lesezeit 4 Minuten
Maf

Maf Räderscheidt vor ihrem Phönix

Köln-Sülz – Sie ist wieder da. Wie der Phönix aus der Asche, den sie gerade auf eine riesige Leinwand gemalt hat, zerbrechlich und kraftvoll, zart cremefarben, lila und orange, hat Maf Räderscheidt sich aufgerappelt. „Das Geschlecht des Phönix“ – so heißt das Gemälde – ist unbestimmt. Er hat so etwas wie Brüste und einen Penis, kann nähren und zeugen, je nachdem. Er steht für die Energie und die Philosophie des Neubeginns und seiner Schöpferin, Maf Räderscheidt.

Ausstellungseröffnung an ihrem 70. Geburtstag

Mit der Eröffnung ihrer Ausstellung, „Die Küsse der Farben“ am 18. Juni, in der Galerie Studio Novo an der Sülzburgstraße wird sie 70 Jahre alt. Es ist die erste seit 20 Jahren in ihrer Heimatstadt. Martha Angelika Felicitas Räderscheidt ist geprägt von ihrer Kölner Künstlerfamilie: Sie wurde nach ihrer Großmutter Martha Hegemann benannt, nach der avantgardistischen Malerin Angelika Hoerle, nach der Ausdruckstänzerin Felicitas Macarme. „Ich hatte die tragischen Schicksale der Frauen der Weimarer Republik alle am Hals“, sagt Räderscheidt. Das „Schicksal“, Frau zu sein, bestimmte auch ihren künstlerischen Weg. Sie bevorzugt die Kurzfassung ihrer drei Vornamen: „Maf ist so schön geschlechtsneutral.“

„Du musst den Leuten eines auf die Fresse hauen.“

Der Ausstellungstitel „Die Küsse der Farben“ ist derjenige ihres neuen Buches, das sich mit dem Schaffensprozess ihrer Bilder beschäftigt, wenn sie sich mit den Geistern der Vergangenheit herumschlägt, mit Künstlerfamilienmitgliedern, die sich in ihrem Kopf einmischen, wie ihr Großvater Anton Räderscheidt. „Du musst den Leuten eines auf die Fresse hauen.“

RäderscheidtEifel

Räderscheidt im Oktober 2021 mit einem ihrer Werke, das das Wasser zerstört hat

Das tat die Enkelin. Mutig stellte sie sich den politischen Problemen der jeweiligen Zeit. „Ich bin durch feministische Aktionen unangenehm aufgefallen“, erzählt sie. Räderscheidt gehörte zu den ersten Meisterschülerinnen an den Kölner Werkschulen in den 70er Jahren. Die männlichen Mitglieder der Meisterklasse bekamen im Foyer eine eigene Ausstellung, die weiblichen nicht. „Wir Frauen haben uns dann zusammengeschlossen, uns das freudige Ereignis genannt und im Foyer mal die Kuh fliegen lassen“. Räderscheidt war empört: „Ich dachte immer, das Geschlechtsteil entscheidet doch nicht über Qualität.“Später beauftragte ein Galerist sie mit einer Performance, wollte ihr, anders als ihren Kollegen, nichts zahlen. „Ich habe dann den Auftrag erfüllt, indem ich den Playboy-Hasen aus seinem neuen Mercedes herausgefräst habe“, erzählt Räderscheidt. Ich musste eine Grenze ziehen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie wurde für Galeristen ein Schreckgespenst, hat heute noch ein Hausverbot in der KVB aufgrund ihrer Performance am Appellhofplatz mit dem Titel „Eine Frau in der U-Bahn ist wie eine Maus in der Falle.“Auch ihre Gemälde sind keine Deko-Objekte. Schön sind sie trotzdem. „Schönheit ist die Klarheit, die direkt aus dem Herzen kommt“, sagt Räderscheidt. „Klar, man verstört auch, Frau auch, gerade ich. Man irritiert auch, Frau auch, gerade ich. Räderscheidts Werke gefallen aber auch. Sie stellte im Kölnischen Kunstverein aus, später auf der Art Cologne, bespielte eine Förderkoje auf der Art Basel. In den 80er-Jahren floh sie aus der Südstadt, als in der Alteburger Straße das Wasser durch die Gullideckel meterhoch stieg, als mal wieder Hochwasser war, auf einen Eifelberg nach Schleiden und wähnte sich sicher. Dort hat die Flut im vergangenen Jahr ihr Lebenswerk in den Rursee gespült. 40.000 Aquarelle, alle Bühnenbilder, alle Installationen, 600 großformatige Ölgemälde, 5000 druckfrische Bücher.

300 Gemälde neu gemalt

Danach wollte Maf Räderscheidt zunächst nicht mehr leben. Doch dann kam der Mut zurück. Der Sülzer Galerist Robert Mohren, ein Fan von Räderscheidt, und ihre Tochter nahmen im Internet Kontakt miteinander auf. Er organisierte die Ausstellung. Sie sammelten verbliebene Werke – und Räderscheidt hat 300 neu gemalt, bunter als zuvor. Ein Ölgemälde in der Ausstellung zeigt eine Frauengestalt. Sie sitzt an einem purpurnen See und angelt dort nach Gemälden, während die Farben in ihrem Körper wieder zum Kopf aufsteigen. „Meine Retrospektive findet nun im See statt“, sagt Räderscheidt. „Die Frau findet die Bilder nicht, aber die Farben sind in ihrem Herz, in ihrer Seele und die verarbeitet sie neu. Es ist alles noch da.“ Die verbliebene „Miniretrospektive“ wird von neuer Leuchtkraft begleitet, wie von dem Phönix – und dem Selbstporträt. „Ich bin jetzt noch genauso schrecklich“, sagt Maf Räderscheidt, „aber glücklich.“

Maf Räderscheidt, Die Küsse der Farben, Studio Novo, Sülzburgstraße 189, Öffnungszeiten: Mo-Sa 10 - 20 Uhr