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Eltern sind mürbePersonalmangel an Kölner Kitas – Erzieherin traut sich nicht mal mehr auf Toilette

Lesezeit 4 Minuten
Kinder spielen in der Gruppe.

Die Lage in den Kölner Kitas ist angespannt.

Den Kitas fehlt es an Fachkräften, den Eltern an Verlässlichkeit. Betroffene berichten. Eltern in Klettenberg haben eine Petition gestartet.

Ein Alltag im Spagat: Auf dem Laptop läuft ein wichtiges Zoommeeting, während die Kinder die Wohnung auseinandernehmen. Der Kampf an zwei Fronten ist für die Eltern der städtischen Kita an der Drachenfelsstraße in Klettenberg ein Dauerzustand geworden. Immer wieder erhalten sie am Vormittag eine Nachricht der Kitaleitung wie diese: „Fünf Kinder müssen um 13 Uhr aus der lila Gruppe abgeholt werden, weil nicht genügend Betreuungspersonal vor Ort ist.“

Klettenberg: Kita-Kinder müssen wegen Personalmangel früher abgeholt werden

Sie bittet die Elternvertreter, mit den anderen Müttern und Vätern abzustimmen, welche Kinder die Kita vorzeitig verlassen müssen. Natalie Rombeck, deren vierjährige Tochter die Kita besucht, beschreibt die Folge. „Wir müssen dann überlegen, wer in den sauren Apfel beißen muss.“ Seit November vergangenen Jahres müssen die Eltern regelmäßig ad hoc alternative Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder organisieren. Die Leitung nennt krankheitsbedingte Personalausfälle und -mangel als Gründe dafür.

Eigentlich ist die Kita, in der 110 Kinder in sechs Gruppen im Alter von einem Jahr bis sechs Jahren betreut werden, täglich von 7.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Nicht alle Eltern haben einen Kitaplatz für die komplette Zeit gebucht, aber alle müssen gerade jederzeit damit rechnen, ihren Nachwuchs vorzeitig abzuholen, und dann Arbeit oder andere Erledigungen mit der Betreuung unter einen Hut bekommen zu müssen. Sie jonglieren.

Zwei Elternteile stehen vor der Kita.

Natalie Rombeck und Lukas Scholz müssen ihre Kinder oft vorzeitig abholen.

Das hat Folgen: Natalie Rombeck hat aufgrund der belastenden Situation einen Hörsturz erlitten. Die Eltern der Kita der Drachenfelsstraße machen weder die Kita-Leiterin noch die Erzieher für die Situation verantwortlich. Sie wissen, dass es vielen anderen Eltern in Köln genauso geht. Lukas Scholl, ein Elternvertreter der Kita Drachenfelsstraße, hat daher mit anderen Eltern eine Petition formuliert und sie an die Landesfamilienministerin Josefine Paul, die Stadtverwaltung sowie die Kommunalpolitik gerichtet.

Bessere Bezahlung der Beschäftigten in Petition der Eltern gefordert

Die Kernforderungen: Die Adressaten sollen sich für eine bessere Bezahlung der Beschäftigten in den Kitas einsetzen, die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern und den Betreuungsschlüssel reduzieren, sodass künftig weniger Kinder von mehr Erziehern betreut werden. Sie sehen die dauerhafte Überlastung der Erzieher und Erzieherinnen sowie den Mangel an Fachkräften als Ursache für die häufigen Erkrankungen und den Personalmangel.

Manchmal trinke ich bewusst nichts, damit ich nicht zur Toilette muss, denn dann wären die Kinder nicht beaufsichtigt
Kölner Erzieherin

Eine Mitarbeiterin einer Kindertagesstätte im Kölner Westen, die namentlich nicht genannt werden möchte, bestätigt diese Einschätzung: „Es fehlt an ausreichendem Fachpersonal. Man versucht für die Kinder Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten, damit sie möglichst gut durch den Tag kommen, aber es ist so gut wie gar nicht mehr möglich, sie gezielt zu fördern oder Projekte umzusetzen“, schildert sie. Auch beliebte Ausflüge könnten oft nicht mehr gemacht werden, weil die dafür benötigte Anzahl von drei Erziehern und Erzieherinnen als Begleitpersonal nicht zur Verfügung stehe.

Es würde eher ein Mangel verwaltet. „Manchmal trinke ich bewusst nichts, damit ich nicht zur Toilette muss, denn dann wären die Kinder nicht beaufsichtigt“, schildert die Frau. Die Mitarbeitenden seien frustriert und überlastet. Auszubildende und Praktikanten würden durch diese Situation in den Kitas abgeschreckt, sodass sie sich entscheiden, doch nicht in der Kita zu arbeiten. Die Folge sei ein großer Fachkräftemangel.

Kölner Stadtverwaltung weiß um Umstände in der Kita Drachenfelsstraße in Klettenberg

Die Stadtverwaltung schätzt die Situation generell als schwierig ein: „Die Lage in der Einrichtung Drachenfelsstraße steht sinnbildlich für die allgemeine Ist-Situation im Kita-Bereich“, schreibt eine Stadtsprecherin. „Die gesamte Trägerlandschaft sucht händeringend nach qualifiziertem Personal und wird immer seltener auf dem Arbeitsmarkt fündig. In der Konsequenz bleiben unbesetzte Stellen über Monate vakant.“ Die Belastung des Bestandspersonals steige.

So komme es zu krankheitsbedingten Ausfällen, Wechselwünschen oder beruflichen Umorientierungen. Die Stadt habe bereits die Ausbildungskapazitäten gesteigert, steuere neue Wege zur Akquise von Personal an und versuche die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Was die personelle Ausstattung der Kitas betrifft, verweist die Stadtverwaltung auf das Land: „Der Betreuungsschlüssel wird durch das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) in NRW vorgegeben“, schreibt die Sprecherin, „eine Veränderung des Betreuungsschlüssels bedarf der politischen Willensbildung und Umsetzung entsprechender Beschlüsse auf Landesebene.“

Erst am Mittwoch haben Mitarbeitende von Kitas bei landesweiten Streiks auf die prekäre Situation in ihrem Beruf hingewiesen, verbunden mit der Forderung nach besserer Bezahlung.