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Großer Streik in KölnFür Tausende Erzieherinnen geht es um mehr als bessere Löhne

Lesezeit 4 Minuten
Eine Demonstrantin trägt ein Schild mit der Aufschrift "Wir erziehen die Zukunft der Gesellschaft. Wir sind mehr wert!" auf einer Demo für mehr Lohn in Sozialberufen in Köln.

Erzieher im Sozial- und Erziehungsdienst im öffentlichen Dienst beteiligen sich an einem Warnstreik der Gewerkschaft Verdi in Köln. Verdi fordert für die Angestellten im öffentlichen Dienst kräftige Lohnerhöhungen.

10,5 Prozent mehr Lohn fordert die Verdi für Beschäftigte von Bund und Kommunen. Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder demonstrierten dafür am Mittwoch bei einem Warnstreik in Köln. Warum sie auf die Straße gehen, erzählen sie hier.

Der Warnstreik im öffentlichen Dienst geht weiter. Am Mittwoch demonstrierten in Köln mehr rund 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kitas und sozialen Einrichtungen sowie auch zahlreiche Eltern mit ihren Kindern in der Kölner Innenstadt. Bereits am Montag streikten drei städtische Kitas in Mülheim nach einem Aufruf der Gewerkschaft Ver.di.

10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, fordert die Gewerkschaft Ver.di für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Als Grund nennt die Gewerkschaft die gestiegenen Lebenshaltungskosten.

Was sich die Demonstranten neben einer besseren Bezahlung noch wünschen, erzählten sie vor Ort.

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Miriam Stein, Leiterin eines Familienzentrums

Ich will bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung, insbesondere in der erzieherischen Ausbildung. In der klassischen Erzieher-Ausbildung verdient man vier Jahre lang nichts. So kommen wir aus diesem Fachkräftemangel nie wieder raus.

Miriam Stein demonstriert in Köln für höhere Löhne im Sozialsektor.

Ist aus Niederkassel gekommen, um sich der Verdi-Demo in Köln anzuschließen: Miriam Stein.

Vielen Leuten ist nicht bewusst, dass Kindergärten und Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind. Für viele Eltern sind Erzieher die Leute, bei denen sie die Kinder abgeben, wenn sie arbeiten gehen wollen. Aber wir haben einen Bildungsauftrag und dem können wir aktuell gar nicht gerecht werden.

Kinder sind unsere Zukunft. In den Kindergärten wird der Grundstein für Bildung gelegt. Und: Wir wollen, dass wir im Alter gut behandelt werden. Das heißt, wir müssen bereits im Kindergarten dafür sorgen, dass wir die Kinder gut behandeln können, damit die uns später gut durchs Alter bringen.

Vanessa Braun, Mutter eines Kita-Kinds

Meine Tochter ist auch Kita-Kind und kann während des Streiks nicht betreut werden. Wir waren letztes Jahr schon dabei, als gestreikt wurde und wir finden das einfach super wichtig, auch als Eltern Flagge zu zeigen für die Erziehenden in den Berufen.

Dass meine Tochter heute nicht betreut wird, ist natürlich nicht optimal. Ich musste meinem Vorgesetzten auch sagen, dass ich heute nicht zur Arbeit kommen kann, weil wir niemanden haben, der unser Kind betreut. Aber dafür sind wir heute gemeinsam hier, meine Tochter wollte unbedingt mitlaufen.

Vanessa Braun und ihre Tochter demonstrieren in Köln für höhere Löhne im Sozialsektor.

Ihre Tochter (r.) kann aufgrund des Warnstreiks nicht betreut werden: Vanessa Braun.

Es gibt immer noch Menschen, die denken, dass Erzieherinnen auf die Kinder aufpassen und dabei Kaffee trinken. Aber da ist so viel mehr hinter: Pädagogik, Frühförderung und vieles mehr. Eine ausreichende Anerkennung durch einen vernünftigen Lohn wäre viel wert, auch eine Belastungsreduzierung für die Erzieherinnen und Erzieher fände ich wichtig. Es gibt immer noch zu wenig Menschen, die sich für den Beruf entscheiden, einfach weil er durch die Arbeitsbedingungen zu unattraktiv ist.

Yannick Rathgeb und Claude Eudorcait, Erzieher

Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen, sprich: mehr Arbeitskräfte und definitiv auch mehr Geld. Generell braucht der Erzieherberuf mehr Anerkennung in der Gesellschaft.

Wir halten jeden Tag extreme Lautstärken aus und arbeiten teils mit schreienden, schwierigen Kindern. Das geht durchaus auch auf die Psyche und sollte mehr wertgeschätzt werden.

Claude Eudorcait und Yannick Rathgeb arbeiten als Erzieher und nehmen am Warnstreik in Köln teil, um für 10,5 Prozent mehr Lohn zu demonstrieren.

Fühlen sich als Männer im Erzieher-Beruf mittlerweile akzeptiert, wünschen sich aber mehr Anerkennung für alle Mitarbeitenden in der Branche: Claude Eudorcait (l.) und Yannick Rathgeb.

Von dem heutigen Streik erhoffen wir uns, dass wir den 10,5 Prozent mehr Lohn einen Schritt näherkommen. Das gilt gerade auch für Praktikanten und Auszubildende.

Immerhin: Mittlerweile gilt der Beruf Erzieher nicht mehr als reiner Frauenberuf, was wir gut finden. Es gibt sogar Einrichtungen, die explizit nach männlichen Erziehern suchen. Hier sind wir also schon einen Schritt weitergekommen.

Hannelore Weber, Beraterin beim Hilfetelefon

Ich streike hier für gerechteren Lohn. Ich möchte mehr Geld. Als Teil einer großen Gruppe von Menschen in den sozialen Berufen denke ich, dass wir im Allgemeinen zu schlecht bezahlt werden und zu wenig Anerkennung erfahren.

Das ist meiner Meinung nach auch die Krux des Problems Fachkräftemangel: Die Berufe und vor allem die Ausbildungen müssen endlich so gestaltet werden, dass die Menschen davon leben und ihre Miete zahlen können.

Mitarbeiterinnen des Hilfetelefons demonstrieren in Köln für höhere Löhne im Sozialsektor. Einige Beteiligte wollten ihre Gesichter verdecken.

Möchte aufgrund ihres Jobs unerkannt bleiben: Hannelore Weber (r.). Ihre Kolleginnen streiken ebenfalls.

In anderen Ländern ist der Erzieher-Beruf ein Studiengang. Daran wird deutlich, wie anspruchsvoll der Beruf eigentlich ist und das vergessen viele im Alltag häufig.

Auch als Mutter bin ich von dem Problem betroffen. Mein Sohn ist in einer städtischen Kita. Dort haben wir eine katastrophale Personalsituation. Es gibt eine hohe Fluktuation, die Erzieherinnen und Erzieher sind erschöpft und suchen sich etwas Besseres. Eigentlich findet nur noch eine Betreuung statt und keine pädagogische Arbeit mehr. Und das kann ich auch gut verstehen. Die Leute, die dort arbeiten, geben wirklich alles, aber es fehlt das Personal.