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Weltstars, Prügeleien, BrändeDer Sportpark Müngersdorf wird 100 Jahre alt

Lesezeit 5 Minuten
Südkurve im alten Müngersdorfer Stadion

Die Südkurve im alten Müngersdorfer Stadion bei der Bundesliga-Partie 1. FC Köln gegen VfL Bochum am 14.10.2000.

In seiner 100-jährigen Geschichte sind im Sportpark Müngersdorf zahlreiche Weltrekorde gebrochen und Topathleten hervorgerbacht worden.

Jordanka Donkova war im Sommer 1986 offenbar in glänzender Verfassung. Auf dem Sportfest des Kölner „Athletik-Sport-Vereins“ (ASV) schaffte die Bulgarin den Weltrekord im 100-Meter-Hürdenlauf. 12,34 Sekunden. Allerdings hatte die Veranstaltung im Müngersdorfer Stadion noch gar nicht richtig angefangen: „Nur fünf Prozent der Zuschauer haben es gesehen, kein einziger Journalist und keine Fernseh-Aufnahmen“, sagt Manfred Germar. Glück für das Publikum: Noch am selben Tag schaffte Donkova nochmal den Weltrekord. 12,29 Sekunden. Diesmal vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Der Sportpark Müngersdorf hatte in seiner 100-jährigen Geschichte viele Gänsehaut-Momente zu bieten. Von 1934 bis 1999 lud der ASV, ebenfalls im Sportpark beheimatet, die internationale Leichtathletik-Elite nach Köln ein. Edwin Moses gehörte ebenso zu den großen Namen wie Carl Lewis, Ulrike Meyfarth und Carlo Thränhardt.

Das „Deutsche Turnfest“ lockte 1928 200.000 Teilnehmer nach Köln

Manfred Germar war 28 Jahre lang Organisator der Sportfeste. Schon 1952 war er dem ASV beigetreten, später wurde er dessen Präsident. Musste er 1952 noch bei einem Wettkampf auf der „Hauptkampfbahn“, dem multifunktionalen Stadion-Vorläufer, das Zielband halten, stieg er kurze Zeit später selbst zu den Top-Athleten Deutschlands auf. 1958 gelang ihm zum Beispiel auf der Hauptkampfbahn der Weltrekord im 4-Mal-100-Meter-Lauf zusammen mit Manfred Steinbach, Martin Lauer und Heinz Fütterer. Die Kulisse wirkte wie Rückenwind. „Früher waren 30, 40, 50.000 Zuschauer im Stadion“, sagt der heute 88-Jährige: „Wahnsinn“.

Alles zum Thema RheinEnergieStadion

Zu den ersten Großveranstaltungen in Müngersdorf zählten 1926 die „Deutschen Kampfspiele“, eine Art Ersatz-Olympia, weil Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg aus der Olympischen Bewegung ausgeschlossen worden war. Das „Deutsche Turnfest“ lockte 1928 unglaubliche 200.000 Teilnehmer nach Köln. Für die abschließenden Freiübungen versammelten sich 20.000 Turnerinnen und Turner auf der Jahnwiese. Etwas ganz Großes bahnte sich zu dieser Zeit in der Nähe auf dem Gelände des Kölner Tennis- und Hockeyclubs Stadion Rot-Weiss an: Hier trainierte Tennis-Ass Cilly Aussem, die 1931 als erste deutsche Wimbledon-Gewinnerin in die Geschichte eingehen sollte.

Sportpark Müngersdorf: Schwarzer US-Profi nimmt während NS-Zeit an Wettbewerb teil

Köln hatte sich für die Olympischen Spiele 1936 erfolglos beworben, der Zuschlag ging an Berlin, wo sich das NS-Regime vorübergehend weltoffen zeigte. Auch in Köln musste die Fassade halten. Kurz nachdem Jesse Owens in Berlin vier Goldmedaillen gewonnen hatte, nahm der schwarze US-Amerikaner am ASV-Sportfest in Köln teil. „Es war den Journalistinnen und Journalisten verboten, etwas Abfälliges zu schreiben“, sagt Ansgar Molzberger vom Institut für Sportgeschichte der Kölner Sporthochschule. Owens sei in Köln als „Star aus Berlin“ gefeiert und „über den grünen Klee“ gelobt worden: „Obwohl man ja eigentlich aus der rassistischen Ideologie heraus ganz anders über Menschen anderer Hautfarbe geschrieben hat.“

Schon ab den 1920er Jahren wendeten sich immer mehr Menschen vom bisher dominierenden Turnen dem Fußball zu. Mit Hilfe einer Nottribüne ließ sich das Fassungsvermögen der Hauptkampfbahn beim Meisterschaftsendspiel Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart 1935 auf 74.000 Menschen erhöhen. Das erste Meisterschaftsendspiel (1. FC Nürnberg gegen 1. FC Kaiserslautern) nach dem Zweiten Weltkrieg zog am 7. August 1948 immerhin 60.000 Zuschauer an. Deutschland gegen Irland war 1952 das erste Länderspiel in Köln nach dem Krieg. 75.000 sahen zu, wie die Gastgeber 3:0 gewannen.

Lokalderby beim ersten Fußballspiel im neuen Stadion

Die Radrennbahn des Sportparks galt als eine der schnellsten Radrennpisten Europas, Köln war vor dem Zweiten Weltkrieg Hochburg des Radrennsports. Der Kölner Toni Merkens wurde 1936 Olympiasieger, Albert Richter aus Ehrenfeld wurde als Profi sieben Mal Deutscher Meister und zwei Mal Vizeweltmeister. Aber auch der 1948 gegründete 1. FC Köln war hier zeitweise zu Hause. Weil die alte Hauptkampfbahn zum Müngersdorfer Stadion umgebaut worden war, wichen die Geißböcke zwischen 1971 bis 1975 auf die Radrennbahn aus. Es war ein legendärer Hexenkessel mit rüden Umgangsformen. Prügeleien auf den Rängen und auf dem Rasen sind ebenso überliefert wie Brände in der Holztribüne.

Fußball, DFB-Pokalfinale 1982/1983, 1. FC Köln - Fortuna Köln Stefan Engels Köln mit dem DFB-Pokal

Stefan Engels mit dem DFB-Pokal 1983 im Müngersdorfer Stadion

Am 12. November 1975 spielte der FC gegen Fortuna Köln – es war das erste Spiel im neuen Stadion, das komplett überdachte Tribünen bot; auf der alten Hauptkampfbahn standen die meisten Zuschauer im Regen. Knapp acht Jahre später, am 11. Juni 1983, kam es im Müngersdorfer Stadion erneut zum Duell der beiden Kölner Vereine. Diesmal im Finale des DFB-Pokals, das der FC mit 1:0 für sich entscheiden konnte.

Finale der Europa League fand im Kölner Rhein-Energie-Station statt

Unter den zahlreichen Länderspielen ist das WM-Qualifikationsspiel vom 15. November 1989 herauszuheben. Die deutsche Mannschaft benötigte gegen Wales unbedingt einen Sieg. Nach einer Flanke von Pierre Littbarski erzielte Thomas Häßler den 2:1-Siegtreffer. Eine Kölner Co-Produktion öffnete das Tor zur Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Im Müngersdorfer Stadion trugt nicht nur der 1. FC Köln seine Heimspiele aus. Fortuna Köln, der rheinische Rivale Borussia Mönchengladbach sowie Galatasary Istanbul genossen aus unterschiedlichen Gründen Heimrecht im Kölner Westen.

Im Rhein-Energie-Stadion, das ab 2001 gebaut wurde, hatte König Fußball endgültig die Oberhand über die Leichtathletik gewonnen. „Für Fußballer waren die Vorgänger nicht so optimal, weil sie von den Tribünen durch einen Wassergraben von den Laufbahnen getrennt waren“, so Ansgar Molzberger. Jetzt folgte ein reines Fußballstadion, maßgeschneidert für die Fußball-WM 2006. Köln wurde einer von zwölf Austragungsorten. Obwohl das Stadion noch recht jung ist, schlägt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings vor, es unter Denkmalschutz zu stellen. Schließlich sei die Architektur „unglaublich elegant, leicht und schön“.

Das erste Europapokalspiel im Rhein-Energie-Stadion bestritt übrigens nicht der 1. FC Köln. Alemannia Aachen empfing am 30. September 2004 den isländischen Vertreter FH Hafnarfjörður in der Europa League. Viktoria Köln und die Kölner Haie trugen ebenfalls Heimspiele im Rhein-Energie-Stadion aus. Während der Pandemie fand – ohne Zuschauer – das Finale der Europa League zwischen dem FC Sevilla und Inter Mailand im Kölner Westen statt.