Während das Land das Justizzentrum abreißen und neu bauen lässt, saniert ein Investor nebenan ein ähnliches Hochhaus. Der BUND fordert eine Kurskorrektur.
„Kurskorrektur möglich“BUND will Abriss des Kölner Justizzentrums stoppen und fordert Sanierung
Der Abriss und Neubau des Justizzentrums in Köln-Sülz ist zwar beschlossen, wird aber von Umweltschützern heftig kritisiert. Mitglieder des BUND fordern eine Sanierung des 23 Stockwerke hohen Gebäudes von 1981. Es ist auf einer Fläche von 5,8 Hektar zwischen Bahntrasse und Luxemburger Straße mit 1800 Mitarbeitenden das größte Justizzentrum in NRW. Der BUND Köln appelliert nun an die Jury des Realisierungswettbewerbs, seine Argumente gegen einen Abriss zu berücksichtigen.
Zum einen reichte BUND-Mitglied Helmut Röscheisen vor einem Jahr Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ein. Er fordert, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) die Gegenüberstellung beider Varianten, wie er sie im Vorfeld des städtebaulichen Wettbewerbs erstellt haben müsste, offenlegt. Röscheisen befürchtet, das Gremium, das 2022 für einen Neubau stimmte, sei nicht richtig informiert gewesen.
Köln: Sanierung statt Abriss und Neubau des Justiz-Towers soll nachhaltiger und wirtschaftlicher sein
Im Januar sprachen Röscheisen und weitere BUND-Mitglieder darüber in einer Videokonferenz mit den NRW-Ministern Mona Neubauer und Benjamin Limbach. Die Umweltministerin und der Justizminister antworteten dem BUND in einem Schreiben Mitte März, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, die Sanierbarkeit sei unumstritten. In den Punkten Graue Energie und Nachhaltigkeit habe die Variante der Sanierung im Vergleich zum Neubau auch besser abgeschnitten.
Graue Energie nennt man die Energie, die bei der Herstellung von Baustoffen und ihrem Transport, der Lagerung und beim Aufbau oder Abriss anfällt. Ausschlaggebend für die Entscheidung zum Abriss sei aus Landessicht die „Gesamtschau“ gewesen. Ebendiese ist aber nicht einsehbar, kritisiert Röscheisen, weil die Dokumente zurückgehalten werden.
In der Antwort der Ministerien an den BUND heißt es weiter: „Vielmehr ist dabei eine Vielzahl weiterer – monetärer und nicht monetärer – Parameter, wie beispielsweise die Umsetzbarkeit der funktionalen Ansprüche an ein modernes und bürgerfreundliches Justizgebäude sowie die möglichst kurze Realisierungsdauer von Bedeutung gewesen.“ Auch das moniert Röscheisen: Eine Sanierung dauere nicht so lange wie ein kompletter Abriss und Neubau.
Die Planung hatte sich zuletzt verzögert, sodass nach jetzigem Stand erst 2031 mit dem Abriss begonnen wird und mit einer Fertigstellung erst Ende der 2030er zu rechnen ist. „Aufgrund unserer Interventionen wird stückchenweise zugegeben, dass eine Sanierung des Justizzentrums Köln nicht nur machbar ist, sondern aus ökologischen und ökonomischen Gründen besser abschneidet“, sagt Röscheisen.
Kölner Justizzentrum: BUND fordert Kurskorrektur von NRW-Landesregierung
Zum anderen verweist der ehemalige Fraktionschef der Grünen, Jörg Frank, auf das Hochhaus nebenan, das der Investor Cresco Real Estate aktuell saniert. Er sagt, das Gebäude des ehemaligen Arbeitsamts sei im Alter und der Beschaffenheit vergleichbar mit dem Justiz-Tower. Es wurde 1982 fertiggestellt. „Im Unterschied zur schwarz-grünen Landesregierung ist für einen Privatinvestor die Sanierung offensichtlich baulich sinnvoll und wirtschaftlich renditeträchtig“, sagte er am Donnerstag im Schatten des Baugerüsts um das Gebäude. Hier führten privatwirtschaftliches Interesse und Klimaschutz zu einer „Win-Win-Situation“.
„Bald wird hier ein Kuriosum entstehen“, sagt Frank. „Während das eine Hochhaus abgerissen wird, soll die Justiz im Interim als erste Mieterin in das frisch sanierte Gebäude nebenan ziehen.“ Er fordert nun von der Landesregierung als öffentliche Bauherrin, vorbildlich zu handeln. „Noch ist eine Kurskorrektur möglich“, sagt Frank. Die Kosten für die Ausschreibung, die 2022 die HPP Architekten aus Düsseldorf gewannen, wären im Falle eines Umdenkens allerdings in den Sand gesetzt.
„In der Fachwelt ist unumstritten, dass Bauen im Bestand heutzutage Vorrang hat“, sagt Thomas Scheidler, Architekt und ehemaliger Professor der FH Aachen, vor dem Eingang des Amts- und Landgerichts. Die Deutsche Umwelthilfe setzte das Justizzentrum vergangenes Jahr auf ihre Negativliste der absurdesten Gebäudeabrisse in Deutschland. Scheidler zeigt ausgedruckte Modelle des sanierten Gebäudes mit gleich drei möglichen Aufbauten zu nachhaltiger Energiegewinnung. Die Studie des Kölner Architekturbüros Demo Working Group sieht PV-Paneele vor der Fassade der oberen Stockwerke und Energiegewinnungsanlagen durch Aufwind entlang der Fassade sowie auf dem Dach vor.
Das Preisgericht tagt am 10. und 11. April, in der Sachjury sind auch Ratsmitglieder vertreten. Der BLB ist für das Zentrum zuständig, die Stadt Köln hat also nur eine begrenzte Entscheidungsgewalt. Der BUND hofft dennoch, spätesten nach den Wahlen eine Mehrheit gegen den Abriss im Kölner Rat zu finden.
Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW antwortet auf Anfrage, die unabhängige Jury habe sich 2022 unter Berücksichtigung von funktionalen, städtebaulichen und energetischen Gesichtspunkten für einen Neubau-Entwurf entschieden, obwohl auch ein Vorschlag der Kernsanierung im Wettbewerb eingereicht wurde. Der BLB prüfe bei allen Projekten und Gebäuden verschiedene Varianten. „Dabei werden neben finanziellen Kriterien beispielsweise auch Nachhaltigkeit, Funktionalität und Risiken berücksichtigt“, heißt es weiter. So habe auch der Erhalt des Justizzentrums zur Debatte gestanden, die Kernsanierung habe aber unter Berücksichtigung aller relevanten Kriterien die niedrigste und der Neubau die höchste Punktzahl in einem Wertsystem erhalten.