Die Europäische Staatsanwaltschaft mit Sitz in Köln führt ein beispiellos umfangreiches Strafverfahren.
Millionenbetrug mit AutosMammutverfahren um internationalen Steuerbetrug könnte in Köln vor Gericht landen
Der Name der Geheimoperation war treffend gewählt: Huracàn. So heißt zum einen ein Modell der Luxusautomarke Lamborghini, benannt nach einem legendären Kampfstier aus Alicante, der ungeschlagen blieb. Zum anderen ist es das spanische Wort für Hurrikan. Und wie ein Orkan fegten tausende Ermittler am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche in sieben EU-Staaten über eine europaweit vernetzte mutmaßliche Betrügerbande hinweg. Allein in Deutschland sollen die Täter einen Steuerschaden von 38 Millionen Euro angerichtet haben. Ihnen wird ein groß angelegter Mehrwertsteuerbetrug beim internationalen Handel mit mehr als 10.000 Autos vorgeworfen.
Nahezu zeitgleich durchsuchten die Steuerfahnder, Zöllner und Polizisten an beiden Tagen mehr als 500 Objekte in Belgien, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Portugal, Spanien und auch Deutschland – viele davon in NRW. Hierzulande besteht ein Verdacht gegen 60 Verdächtige, vier sitzen jetzt in Untersuchungshaft.
Köln: Europäische Staatsanwaltschaft führt großes Verfahren
Geführt werden die Ermittlungen von der Kölner Zentrale der Europäischen Staatsanwaltschaft, abgekürzt Eppo für European Public Prosecutor’s Office, eine supranationalen Behörde, die vor zwei Jahren gegründet wurde. 22 der 27 EU-Staaten beteiligen sich bisher. Die Eppo tritt grenzüberschreitend wie eine örtliche Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde auf und soll das Geld der europäischen Steuerzahler bei Straftaten wie Geldwäsche, Korruption und internationalem Mehrwertsteuerbetrug besser schützen.
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Mussten die nationalen Ermittlungsbehörden ihre Verfahren früher aufwendig und langwierig über gegenseitige Rechtshilfeersuchen koordinieren, so führt die Eppo große Verfahren seit 2021 nun effektiver und schneller. Das jedenfalls ist das Ziel. Hauptsitz der Europäischen Staatsanwaltschaft ist Luxemburg, Köln ist eines von fünf Zentren in Deutschland.
Mehr als 500 Durchsuchungen bei „Operation Huracàn“
Bei der „Operation Huracàn“ enttarnten die Ermittler ein kompliziertes Netz von Scheinfirmen in verschiedenen Staaten – ein „organisiertes, kriminelles System“, sagte Eppo-Vizechef Andrès Ritter vor Journalisten in Köln. Es diente angeblich dazu, über grenzüberschreitende An- und Verkäufe von Autos wie zum Beispiel Porsches und Lamborghinis Mehrwertsteuer zu kassieren und einzubehalten. Die Käufer der Autos sollen von dem Betrug im Hintergrund in aller Regel nichts gewusst haben.
Außer Unterlagen und teils hochwertigen Autos stellten die Fahnder auch Waffen, Drogen und Bargeld sicher. In einer Besteckschublade entdeckten sie eine Pistole, in Taschen und Kartons fanden sie insgesamt 1,5 Millionen Euro Bargeld und 22 Ampullen Testosteron. „Inwieweit das Testosteron jetzt mit den Lamborghinis zusammenhängt, lasse ich mal offen“, sagte Ritter.
Stefan Muhr vom Zollfahndungsamt Essen sieht den EU-weiten Großeinsatz, der seit April vorbereitet wurde, als Beleg dafür, dass die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolger durch die Eppo einen „riesigen Schritt nach vorne“ gemacht habe. Muhr sprach von einem „herausragenden Verfahren“. Mehr als 500 Durchsuchungen an zwei Tagen in sieben Staaten habe es „in dieser Form“ vorher noch nie gegeben, betonte Ritter.
Möglicherweise werden die Taten nächstes Jahr in Köln verhandelt. Noch steht zwar nicht sicher fest, vor welchem Gericht die Eppo die Männer anklagen will, sollte sich der Tatverdacht bestätigen. Da das Verfahren aber in Köln geführt werde, sagte Ritter, könnte es auch auf das Landgericht Köln hinauslaufen.