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Köln früher und heuteDie düstere Geschichte des Schießstandes im Dünnwalder Wald

Lesezeit 3 Minuten
Beamte der Kölner Luftpolizei bei Schießübungen auf der Schießanlage am Kalkweg in Dünnwald, ca. 1930

Beamte der Kölner Luftpolizei bei Schießübungen auf der Schießanlage am Kalkweg in Dünnwald, ca. 1930

In unserer Serie „Köln früher und heute“ stellen wir wichtige Kölner Bauwerke, Plätze und Siedlungen vor. Diesmal: der Schießstand im Dünnwalder Wald.

Wildpark, Freibad, Campingplatz, Minigolfanlage. Rund um den Dünnwalder Peter-Baum-Weg gibt es vor allem im Sommer viele Möglichkeiten, schöne Tage zu verbringen. Das, was sich ganz in der Nähe des beliebten Freizeitareals abspielte, hatte dagegen nichts mit Spiel und Spaß zu tun. Fünf lange Erdwälle zeichnen sich noch nördlich eines Parkplatzes am Kalkweg ab. Hier, neben einem Wanderweg mitten im Dünnwalder Wald, befand sich lange Zeit ein Übungsplatz für Soldaten und Polizisten, die auf Kugelfängen das Schießen übten. Einst waren die mehrere hundert Meter langen Schießstände umzäunt und bewacht. Heute ist kaum noch etwas übrig geblieben von der 1887 errichteten und vor etwa 50 Jahren außer Betrieb genommenen Anlage. Die Natur hat das Regiment über die Erdwälle übernommen, die früher die Schießbahnen voneinander trennten.

Zu NS-Zeiten fanden auf dem Gelände des Schießplatzes Hinrichtungen statt

An das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Dünnwalder Schießplatzes erinnert heute vor Ort eine neun Meter hohe Stele, die 2019 auf Initiative des Dünnwalder Bürgervereins aufgestellt wurde. Zuvor hatte das NS-Dokumentationszentrum recherchiert, dass zwischen dem 15. Oktober 1940 und dem 23. Dezember 1943 rund 20 Soldaten der Wehrmacht auf dem Gelände hingerichtet wurden, die von Militärgerichten wegen Fahnenflucht oder „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt worden waren. Im März und April 1945, als amerikanische Truppen das linksrheinische Köln schon erreicht hatten, fanden auf der gegenüberliegenden Seite des Schießplatzes zwei weitere Soldaten den Tod. Sie waren erst 18 und 22 Jahre alt.

Heute sind nur noch Erdwälle von der Schießanlage im Dünnwalder Wald übriggeblieben.

Heute sind nur noch Erdwälle von der Schießanlage im Dünnwalder Wald übriggeblieben.

„Nur wenige dürften sich aus einer prinzipiellen Gegnerschaft zum NS-Regime der Wehrmacht entzogen haben“, schrieb die ehemalige stellvertretende Direktorin des NS-Dok, Karola Fings, in einem Aufsatz über die „Hinrichtungen am Schießplatz Dünnwald“: „Doch sie wurden alle Opfer einer von nationalsozialistischen Vorstellungen geprägten Militärjustiz und bezahlten mit ihrem Leben dafür, dass sie sich dem ‚Vernichtungskrieg‘ entzogen oder aktiv verweigert haben.“

Die Geschichte des Schießplatzes Dünnwald wurde erst spät aufgearbeitet

Jakob Brock, nach dem eine Straße in Höhenhaus benannt wurde, versuchte hingegen ordnungsgemäß, seinen Heimat- und Genesungsurlaub in Köln verlängern zu lassen, weil er geheiratet hatte. Doch die Genehmigungen kamen offenbar im Chaos des Kriegs nicht bei seinem Kommandeur an. Am 7. April 1945 wurde er von einem Standgericht in Höhenhaus zum Tode verurteilt und noch am selben Tag in der Kiesgrube neben dem Schießplatz erschossen.

Deserteure wurden in Köln vor allem im Gefängnis Klingelpütz hingerichtet, wo mindestens 55 Soldaten mit dem Tode bestraft wurden. Der Dünnwalder Schießplatz war der zweitbedeutendste Tatort, aber seine Geschichte rückte erst viele Jahrzehnte später in den Fokus des NS-Dok. Auch die Dünnwalder wussten lange wenig über die Vorgänge auf den Schießständen. Dabei war die mächtige Ziegelmauer mit den Kugelfängen nur einen Steinwurf von der Liegewiese des Waldbads entfernt.

1975 wurde der Betrieb eingestellt

Laut Karola Fings wurde die Anlage 1887 mit drei Schießständen gebaut, 1899 kamen drei Schießstände hinzu. Nach dem Ersten Weltkrieg war der Platz einige Zeit zumindest militärisch außer Betrieb, ab 1936 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs trainierte hier die Wehrmacht das Schießen. Nach 1945 waren in Dellbrück stationierte belgische Soldaten und die Bundeswehr aktiv. Nach Angaben von Wolfgang Corzilius vom Dünnwalder Bürgerverein endete der Betrieb etwa im Jahr 1975. 1992 folgten der Abriss und die Renaturierung.

Das historische Foto stammt aus dem Nachlass von Albert Grünberg, der als Polizeifotograf für den Flughafen Butzweilerhof im Einsatz war. „Dadurch konnte er als Polizist auch dort fotografieren, wo für die normalen Flughafenbesucher der Zutritt kaum möglich war“, sagt Werner Müller vom Historischen Luftfahrtarchiv Köln, der Grünbergs Fotoalben verwaltet. Oder eben auf dem abgeschirmten Schießplatz in Dünnwald, wo er circa 1930 Kölner Luftpolizisten beim Schießtraining fotografierte. „Grünberg hat eine einzigartige Fotosammlung hinterlassen“, so Werner Müller.