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Gedenken in Köln-MülheimVor 14 Jahren explodierte die Bombe auf der Keupstraße

Lesezeit 3 Minuten

Der Siegerentwurf von Künstler Ulf Aminde sieht ein multimediales Mahnmal vor.

Mülheim – Gelegenheit für persönliche Begegnung zu schaffen, das sei ihr wichtig, betonte Meral Sahin, Vorsitzende der IG Keupstraße. „Wildfremde Menschen sollen dieselbe Luft einatmen.“ Die Keupstraße sei in den letzten Jahren wieder „leiser“ geworden, das Trauma längst nicht überwunden. Daher setze sie ihre Hoffnung nun auch auf das geplante Mahnmal, dem sie zunächst mit Skepsis begegnet sei.

Vom Denkmal aus sollen Besucher in die Keupstraße gucken können.

Der Standort jedoch sei von zentraler Bedeutung: „Die Besucher sollen die Keupstraße im Blick haben, um so uns Bewohnern ihren Respekt zu bezeugen.“ Vor 14 Jahren, am 9. Juni 2004, explodierte in der Keupstraße eine Nagelbombe und verletzte 22 Menschen, zum Teil schwer. Erst fünf Jahre später stellte sich heraus, dass das Attentat zur Mordserie des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) gehörte – Beate Zschäpe, einzige Überlebende des Tätertrios, steht seit vier Jahren in München vor Gericht, der Prozess nähert sich langsam dem Ende, vergangene Woche hielten die Verteidiger ihre Schlussplädoyers.

Gedenkveranstaltung zum Jahrestag

Den Jahrestag des Attentats in Mülheim nahm der Integrationsrat der Stadt Köln zum Anlass für eine Gedenkveranstaltung. Die fand an der Genovevastraße statt, rund 80 Menschen waren anwesend.

„Die Veranstaltung dient auch der Diskussion über den geeigneten Standort für das Mahnmal“, erklärte Tayfun Keltek, Vorsitzender des Integrationsrates. Es wurde ein langer Abend: Nach dem offiziellen Teil, den gleich fünf Redner bestritten, gab es eine Aufführung des Schauspiels Köln, präsentiert von Kutlu Yurtseven. Gezeigt wurde ein Ausschnitt aus „Die Lücke“ – das Theaterstück thematisiert das Attentat und seine Folgen, Betroffene spielen mit.

Vom Denkmal aus sollen Besucher in die Keupstraße gucken können (l.), Meral Sahin (r.)

Anschließend gab es eine Kurzfilmnacht, es liefen Streifen, die die Perspektive von Migranten auf die deutsche Mehrheitsgesellschaft zum Inhalt hatten. Kurzfilme stellen auch das wesentliche Element des geplanten Mahnmals für die Opfer des Nagelbombenattentats dar. Vorgesehen ist eine sechs mal 24 Meter große, auf dem Boden liegende Betonplatte, die den Umriss des Hauses in der Keupstraße nachbildet, vor dem damals die Bombe explodierte. Ausgestattet mit Geodaten soll die Betonfläche zur begehbaren, dreidimensionalen Kinoleinwand werden – die Besucher können sich über eine App Videos zum Thema Alltagsrassismus aufs Smartphone holen. Das Konzept stammt vom Berliner Künstler Ulf Aminde. Eine Jury erkor es vor zwei Jahren einstimmig zum Siegerentwurf. An dem Auswahlverfahren hatten zehn Künstler teilgenommen. 40 Attentatsopfer durften ihre Erfahrungen einbringen und am Ende auch mit abstimmen. Die Federführung lag bei Werner Jung, dem Leiter des NS-Dokumentationszentrums.

„Das Verfahren war einzigartig, so einen Wettbewerb hat es in Köln noch nie gegeben“, sagte Jung. Amindes Entwurf sei „ein geniales Werk“, urteilte er. „Es hat einen starken erinnerungspolitischen Wert und muss auch immer wieder erneuert werden.“ Der Künstler hat vor, den Vorrat an abrufbaren Kurzfilmen ständig zu aktualisieren. „Es soll eine permanente Auseinandersetzung mit dem Thema Alltagsrassismus stattfinden“, so Aminde. Integrationsrat und IG Keupstraße möchten das Mahnmal auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs an der Schanzenstraße platziert sehen, direkt gegenüber der Einkaufsmeile Keupstraße. Dort will aber eine Investorengemeinschaft bauen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Oberbürgermeisterin Henriette Reker habe zugesagt, mit dem Grundstückseigner ein Gespräch zu führen, sagte Jung.