Jette und Michael Kötschau stellen Menschen von der rechten Rheinseite vor. Sie möchten zeigen, dass die Schäl Sick mehr ist als ihr Ruf.
„Das Kölsche Jeföhl wird hier wirklich gelebt“Kölner Ehepaar erzählt Geschichten von der Schäl Sick
„Die Schäl Sick hat Problematiken, die von außen zu sehen sind, ja, aber das ist eben nicht alles“, sagt Jette Kötschau. Herausgefunden habe die 31-Jährige das selbst erst, als sie mit ihrem Ehemann Michael Kötschau nach Mülheim gezogen ist, erzählt sie. Vorher habe sie als zugezogene Kölnerin immer nur linksrheinisch gelebt. Ihr Bild von der rechten Rheinseite sei vorurteilsbehaftet gewesen. Sie habe vor allem die hohe Kriminalitätsrate und Armut gesehen.
Michael Kötschau, der in Mülheim aufgewachsen ist, wollte seiner Frau deshalb vor knapp drei Jahren, die Stadtteile näherbringen. Weil er sich kurz vorher als Fotograf selbstständig gemacht hatte, suchte er zudem nach Motiven für sein Portfolio. So entstand die Idee von „Schäl Sick Geschichten“. Ein Projekt, bei dem das Ehepaar Menschen von der „falschen“ Rheinseite vorstellt. Prinzipiell könne das jede, jeder sein. Wichtig sei nur, dass eine klare Verbindung zum Veedel bestehe. „Wir wollen nicht nur die Person vorstellen, sondern vermitteln, warum sie das, was sie tun, genau hier tun“, so Michael Kötschau.
Schäl Sick Geschichten soll zeigen, was die rechte Rheinseite zu bieten hat
Bisher hat das Ehepaar beispielsweise mit Personen, die in Kultureinrichtungen oder sozialen Hilfestellen arbeiten, Streetworkern, Politikerinnen und Künstlern gesprochen. Was sie gemeinsam haben, ist immer der Bezug zu ihrem Veedel. „Wenn Leute hier leben, dann tun sie das häufig aus Überzeugung. Und sie sehen Probleme, sprechen und gehen sie an“, sagt Michael Kötschau. Er führt die Interviews, macht die Fotos von den Protagonistinnen und Protagonisten. Er setzt sie bildlich in den Kontext der Geschichte. „Ich möchte mit der Bildsprache die Geschichte passend darstellen und sie ein Stück weit weitererzählen“, sagt der Fotograf.
Jette Kötschau kümmert sich dann um die Texte. Auf Grundlage der Interviews lässt sie die Menschen aus der Ich-Perspektive erzählen. Eine unbewusste Entscheidung. „Die Menschen sollen sich selbst, in ihrer eigenen Wortwahl vorstellen“, erklärt Jette, „ich strukturiere und sortiere das Gesagte bloß“. Sie glaubt, dass durch diese Erzählweise eine Unmittelbarkeit entsteht, die das Ehepaar passend findet.
Michael Kötschau: „Für mich stellen Kalk und Mülheim die Quintessenz der Schäl Sick dar“
Das Zusammenspiel aus Fotos und Text teilt das Ehepaar dann auf Michaels Internetseite und auf Instagram – meistens in zwei Teilen. „Im ersten Teil geht es um den Menschen“, so Jette, „im zweiten dann um das Veedel und was sie im Veedel tun“.
Momentan sind vor allem Geschichten aus Mülheim und Kalk online, ein Resultat aus der Vernetzung des Ehepaars. Während mittlerweile immer mehr Menschen auf sie zukommen, haben sie gerade am Anfang vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda Interviewpartnerinnen und Partner gefunden. Das konnten sie vor allem in den Veedeln um sie herum. Schlimm finden sie das nicht.
„Für mich stellen Kalk und Mülheim die Quintessenz der Schäl Sick dar“, sagt Michael Kötschau. In den Veedeln gibt es die Armut, die Kriminalität, die Erwerbslosigkeit, aber eben auch die Vielfältigkeit, die Gentrifizierung, die stattfindet, aber irgendwie auch nicht, die Kultur und Kunst, die Unmittelbarkeit zwischen den Menschen.
Für Kölner Ehepaar macht Unmittelbarkeit die Schäl Sick aus
„Das Kölsche Jeföhl, von dem immer gesprochen wird – gerade auf der anderen Rheinseite – wird hier wirklich gelebt“, sagt Michael Kötschau. Man komme mit Menschen ins Gespräch, Diversität werde gelebt und Vorurteile abgebaut. „Niemand wird dich hier schief angucken“, sagt Jette Kötschau. Das sei ihr vor allem seit der Geburt ihres Sohnes letztes Jahr aufgefallen. „Kinder sind hier einfach etwas ganz Normales, das Teil des Alltags ist“.
„Außerdem haben wir die schönste Skyline mit Sonnenuntergang“, sagt Michael Kötschau grinsend, „und das Wasser ist besser“. Sie leben gerne auf der Schäl Sick und wollen das an andere weitertragen. Sie möchten das Projekt deshalb in Zukunft ausbauen und versuchen, alle Gesellschaftsschichten zu erreichen, so Michael Kötschau. „Am liebsten würden wir, wenn die Ressourcen dafür da sind, ein Veedel-Magazin mit den Geschichten machen.“