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Kölner IndustriedenkmalKonzerte, Märkte und Coworking in der alten KHD-Zentrale ab nächstem Sommer

Lesezeit 5 Minuten
Die Künstler von Raum 13 bauen das historische Gasmotorenwerk von Humboldt-Klöckner-Deutz zum Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste um.

Die Künstler von Raum 13 bauen das historische Gasmotorenwerk von Humboldt-Klöckner-Deutz zum Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste um.

Die Künstler entwickeln das Industriedenkmal zwischen Deutz und Mülheim in Kooperation mit der Stadt. Das ist ihr Plan.

Anja Kolacek und Marc Leßle haben sie wieder: die Schlüssel zur ehemaligen Hauptverwaltung von Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) im Mülheimer Süden. Die beiden Geschäftsführer der Initiative Raum 13 hatten dort bereits elf Jahre mit Künstlerinnen und Künstlern gearbeitet, bis der damalige Eigentümer sie 2021 herauswarf. Die Stadt kaufte die historische Zentrale noch im selben Jahr mit dem Ziel, das umliegende Quartier langfristig für Kultur, Gewerbe und Wohnen neu zu entwickeln.

Also handelten Kolacek und Leßle drei Jahre lang einen neuen Mietvertrag mit der Stadt aus. Vergangenen Monat stimmte der Liegenschaftsausschuss des Stadtrats in einem Eilentscheid trotz fehlender Befürwortung der Bezirksvertretung Mülheim zu und seit Mittwoch halten die Künstler den dicken Schlüsselbund in der Hand: Sie entwickeln das Industriedenkmal wieder und weiter zur Kulturstätte mit dem Namen Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste.

Nur mussten die Künstler nach ihrem Auszug auch mit der Bespielung der denkmalgeschützten Gebäude pausieren. In der Zeit verfiel die ehemalige Hauptverwaltung weiter. Graffiti zieren Wände, Scheiben sind eingeschlagen, und was die Künstler an historischer Einrichtung nicht sichern konnte, bauten Fremde aus.

Die Künstler von Raum 13 wollen schon im Sommer 2025 Konzerte und Märkte im Hof veranstalten.

Die Künstler von Raum 13 wollen schon im Sommer 2025 Konzerte und Märkte im Hof veranstalten.

Jetzt schaut Anja Kolacek nach vorn. „Der Mietvertrag ist ein riesiger Erfolg.“ Die Künstler legen los: Für die einzelnen Abschnitte wollen sie Teilanträge beim Bauamt einreichen, damit sie, sollte es einmal haken, an anderen Enden weiterarbeiten können. Sie orientieren sich zum Teil an den historisch bereits unterschiedlich gebauten Abschnitten des Gasmotorenwerks.

Der von der Deutz-Mülheimer-Straße aus linke Part stammt aus dem Jahr 1905. Hier befanden sich die Vorstandsetage, Räume des Betriebsrats und die Personalabteilung. Die rechte Seite baute KHD 1907 bis 1911 weiter Richtung Mülheim aus. In der Mitte ergänzte KHD 1939 ein Foyer, das durch seine blau umrahmten Glastüren heute noch die einzige optische Unterbrechung der mit 280 Metern außergewöhnlich langen Backstein-Fassade ist.

Erste Konzerte im Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste sollen kommenden Sommer stattfinden

Hier wollen Kolacek und Leßle anfangen, denn hinter dem Foyer liegt einer von zwei Innenhöfen und diesen sowie Teile des Erdgeschosses wollen sie 2025 erschlossen haben. Noch ist der große Hof nicht von der Deutz-Mülheimer-Straße aus sichtbar, doch die Architekten des Teams von Raum 13 sollen wieder einen Durchbruch zur Deutz-Mülheimer-Straße schaffen, wie es ihn gab, bevor der Mittelpart ergänzt wurde. Dann sollen Kölns Bürgerinnen und Bürger den Hof frei betreten können. Leßles und Kolaceks Ziel: schon im kommenden Sommer die ersten Konzerte, Märkte und Aufführungen hier zu veranstalten.

Auch möglichst schnell wollen sie die Räume rechts des Foyers sanieren. Dort planen sie ein „zirkuläres Lager“. Heißt: Die Kölner Bühnen und andere städtische und freie Kultureinrichtungen können ihren Fundus hier einlagern – und von den gesammelten Werken ausleihen, was sie für Ausstellungen und Produktionen benötigen. „So müssen wir Ressourcen in der Zukunft denken“, sagt Leßle. Und Kolacek: „Für die freie Szene ist das Gold wert.“

Drei Glücksschweine der städtischen Bühnen könnten erste Requisiten des „zirkulären Lagers“ werden.

Drei Glücksschweine der städtischen Bühnen könnten erste Requisiten des „zirkulären Lagers“ werden.

Ebenso in der Aufwertung der gesamten Gebäude setzen Kolacek und Leßle auf Kreislaufwirtschaft und Kooperation mit der Stadt: „Wir könnten diesen Ort komplett mit dem aufbauen, was in der Stadt lagert und nicht mehr gebraucht wird“, sagt Leßle. Seine Beispiele: Brandschutztüren vom Deutzer Hafen könnten hier Wiederverwendung finden, genauso wie Raum 13 schon vom Auszug der Oper vom Offenbachplatz Reste recycelte.

Gleichzeitig geht das Team eine im Erdgeschoss geplante Kunsthalle an. Sie soll in einem der beiden Gebäudeteile entstehen, die sich senkrecht von der Straße zur Mitte des Otto-Langen-Quartiers hin absetzen und den Innenhof rechts und links umschließen.

Raum 13 will Vorstandsetage in ehemaliger KHD-Hauptverwaltung als lebendiges Denkmal restaurieren

Von der Straße aus links neben dem Foyer (Betriebsrats- und Vorstandsetage) planen Leßle und Kolacek eine Mischung aus Museum und Coworking-Plätzen: Sie wollen die Industriegeschichte als Erinnerungslandschaft in Kooperation unter anderem mit der Stiftung Rheinisch Westfälisches Wirtschaftsarchiv erhalten. Die Vergangenheit Kölns und die Bedeutung des weltweit ersten Gasmotorenwerks liegt dem Nutzungskonzept von Raum 13 im Ganzen zugrunde. Gleichzeitig sollen die Räume wieder einen Nutzen bekommen und zur Anmiete fürs Arbeiten oder Tagen zur Verfügung stehen.

Bislang verfiel das Industriedenkmal zwischen Mülheim und Deutz: Das soll sich jetzt ändern.

Bislang verfiel das Industriedenkmal zwischen Mülheim und Deutz: Das soll sich jetzt ändern.

Kolacek und Leßle gehen von Kosten in Höhe einer Million Euro für den gesamten Umbau aus. Die Finanzierung geht Raum 13 kleinteilig an, mit verschiedenen niedrigeren Förderungen einzelner Aspekte des Gesamtwerks. Der Mietvertrag mit der Stadt für einen symbolischen Euro monatlich geht über zehn Jahre. Die Stadt soll zudem 30.000 Euro zur Verfügung stellen, um Strom- und Wasserleitungen instand zu setzen sowie 40.000 Euro für die Herstellung der Hofzufahrt.

Kölner Künstler wollen erste Gasmotorenfabrik der Welt als Industriedenkmal erhalten

Die Gasmotorenfabrik, in der Nikolaus August Otto und Eugen Langen die ersten Gasmotoren der Welt gebaut haben, ist eine von Kölns zahlreichen Industriebauten. Viele von ihnen verfielen über die vergangenen Jahrzehnte, weil sie niemand nutzte. So sollte es am Otto-Langen-Quartier, wie das fünf Hektar große Areal genannt wird, nach Vorstellung der Künstler wie auch Stadtverwaltung und Politik nicht weitergehen.

Das Gelände, das mittlerweile städtisches Eigentum ist und das Raum 13 nun teilweise mietet, macht nur einen Part des Quartiers aus. Ein weiterer kleinerer Abschnitt gehört einem privaten Investor, der Großteil jedoch dem Land, somit ist die Entwicklung des restlichen Quartiers noch ungewiss. Auch andere Künstler und Engagierte, zusammengeschlossen zur Initiative Otto-Langen-Quartier, wollen die Gebäude nutzen dürfen.