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Nach Eskalation auf den RingenPolizist soll Kölner Studentin verprügelt haben

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Die Kölner Ringe.

Köln – Der junge Mann lag am Boden, atmete schwer, war kaum ansprechbar und verdrehte nur noch die Augen. Als Sarah T. (29, Name geändert) im September 2016 nachts aus der Diskothek am Ring kam, um kurz Luft zu schnappen, hatte sie beim Anblick der hilflosen Person sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen; versucht, den komatösen Mann anzusprechen, aufzurichten und den Rettungswagen gerufen.

Die Sanitäter waren auch gleich zur Stelle, fragten den zitternden und immer wieder in sich zusammenfallenden Mann wiederholt: „Können Sie alleine nach Hause gehen“ und gaben sich offensichtlich mit der bejahenden Antwort zufrieden – so steht es in den Akten. Das Verhalten der Sanitäter machte die Studentin fassungslos und sie hielt mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg, hakte immer wieder nach: „Wie macht ihr bloß euren Job?“ – und nervte damit ganz offensichtlich die Profihelfer. Ein Wort ergab das andere und schon war auch die Polizei zur Stelle.

Das Ganze eskalierte in einer derartigen polizeilichen Gewaltattacke, dass jetzt sowohl das Gericht wie auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft (die wohlgemerkt nicht die Anklage verfasst hatte) ihre Fassungslosigkeit bezüglich der Vorgehensweise des Polizeibeamten nicht verbergen konnten: „Ich konnte es kaum glauben, als ich die Anklage las. Aber die Schilderung der Angeklagten hat mich überzeugt“, sagte die Richterin und die Anklägerin ergänzte: „Es macht mich fassungslos, was ich da höre.“

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Während das Verfahren gegen den Polizisten schon viel früher eingestellt wurde, weil „Aussage gegen Aussage stand“, so die Gerichte, mussten sich hingegen die Studentin und zwei junge Männer, die ihr geholfen hatten, wegen Beleidigung und Widerstand am Dienstag vor Gericht verantworten.„Mädchen, bist du behindert. Wenn du jetzt gehst, hast du noch Glück gehabt“, soll der Polizist Sarah T. gedroht haben, sich endlich zu entfernen anstatt sich weiter um den hilflosen Mann zu kümmern.

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„Ich hasse diese Ohnmacht gegenüber den Bullen“ entfuhr es Sarah H. gegenüber ihrem Bekannten, als sie in die Diskothek zurück wollte. Doch ihre Bemerkung hatte die Empfindlichkeit des Polizisten getroffen, er packte die zierliche, knapp fünfzig Kilogramm schwere Studentin grob am Arm, schlug sie zu Boden, rammte ihr das Knie in den Nacken: „Ich sah eine Frau, die vor Schmerzen schrie und malträtiert wurde, da wollte ich ihr helfen“, sagten die beiden jungen Männer aus, die Sarah T. aus dem Polizeigriff befreiten und deshalb ebenfalls mit dem Streifenwagen auf die Wache gebracht wurden.

Angeblich hatten sich alle drei extrem aggressiv und gewaltsam den polizeilichen Anweisungen widersetzt. „Mein Mandant ist homosexuell, Tänzer und Sänger und hat mit Gewalt nichts zu tun“, merkte Verteidiger Jürgen Auer dazu nur an. „Ein Szenario, das man sich vor zehn Jahren bei den Bandenkrieg auf den Ringen vorstellen kann, aber nicht bei Menschen, die eigentlich nur helfen wollten“, beschrieb Auer das für ihn „unglaubliche Szenario“. Sarah T. hatte sich ihre Verletzungen am nächsten Tag im Krankenhaus attestieren lassen: eine Schädelhirnprellung, multiple Hämatome an Schulter, Nacken und Armen, Abschürfungen am ganzen Körper.

In den Magen geboxt

Sie habe bereits Handschellen angehabt, da habe ihr der Polizist noch in den Magen geboxt, sagte Sarah T. weiter aus. Im Streifenwagen habe der Polizist noch gefragt: „Na, hat es sich gelohnt, würdest du wieder helfen? und auf ihre bejahende Antwort süffisant entgegnet: „Wie süß, sie hat Zivilcourage.“ In seiner Anzeige hatte der Polizist geschrieben: „Ein gezielter Schlag in die Magengrube führte zur Luftknappheit.“ „Meine Mandantin hat das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren“, sagte Verteidigerin Susanne Cziangalla dazu. Ein weiterer unbeteiligter Dritter, der das Geschehen mit dem Handy gefilmt hatte, war am Dienstag auch als Zeuge geladen – einer der wenigen unbeteiligten Zeugen. Doch das Gericht sah von der Vernehmung sämtlicher Zeugen ab, zumal der Polizist für den Fall, sich selber zu belasten, die Aussage ohnehin hätte verweigern können.

Es wäre ein weiterer Prozesstag mit zusätzlichen Beweisanträgen erforderlich gewesen, um den von allen drei Angeklagten angestrebten Freispruch zu erhalten, der offensichtlich war. Doch die Biologiestudentin steht mitten im Examen, sieht sich dem Stress nicht länger gewachsen und auch die anderen Angeklagten waren mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden, das Verfahren ohne Wenn und Aber einzustellen, auch die Kosten müssen sie nicht tragen. Gegen den Polizeibeamten erwägt die Verteidigung nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde: „Sein Verhalten gehört in den Fokus der Behörde gerückt und überprüft.“