Ein Kölner Gastronom ist wegen eines psychisch kranken Nachbarn verzweifelt. Der Fall zeigt das Dilemma im Umgang mit psychisch kranken Menschen auf.
Nachbarschaftsstreit in KölnWenn der psychisch kranke Nachbar zur Gefahr wird

Ein Kölner Gastronom traut sich wegen einem psychisch kranken Nachbarn kaum noch in seine Büroräume (Symbolbild).
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Eigentlich könnte Mauro Rizzo (Name geändert) zufrieden in die Zukunft blicken: Sein Restaurant im Kölner Süden ist voll, der Sommer verspricht ein gutes Geschäft. Doch der Kölner Gastronom hat Angst. Seit drei Jahren, so erzählt er, terrorisiere ihn ein Nachbar, der seine Wohnung über dem Restaurant im Kölner Süden hat. „Ich versuche, ihm aus dem Weg zu gehen, aber das ist leider kaum möglich. Und sobald er mich sieht, geht er auf mich los, beschimpft und bedroht mich.“
Und nicht nur das: Mehrfach wurden Rizzos Bürotür über dem Restaurant und die Briefkästen im Haus beschmiert, wie Fotos belegen, die dem Kölner Stadt-Anzeiger vorliegen. Jeder Gang in sein Büro sei für ihn inzwischen mit Gefahr verbunden, sagt er. „Vor kurzem hat er versucht, mich zu schlagen.“ Zwar konnte er den Angriff abwehren, doch Rizzo weiß nicht, wie es weitergehen soll. „Inzwischen denke ich sogar darüber nach, das Restaurant zu schließen.“
Kölner Polizei ist der Fall bekannt
Ein anderer Bewohner des Hauses bestätigt Rizzos Erfahrungen. Sein Sohn traue sich wegen des Nachbarn kaum noch, Freunde einzuladen. Sie fühlen sich mit dem Problem alleingelassen und haben Angst, dass die Situation eskaliert und Schlimmeres passiert. „Die Polizei war schon mehr als 30 Mal hier, teilweise wurde der Mann festgenommen. Er war auch schon in der Psychiatrie. Aber nach kurzer Zeit ist er wieder auf freiem Fuß und es geht von vorne los“, klagt Rizzo.
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Die Polizei bestätigt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass der Fall dort bekannt sei. Insgesamt habe es in den vergangenen drei Jahren sogar 46 Einsätze in dem Haus gegeben. Doch die Beamten können nicht viel tun. Denn die Hürden, einen psychisch Kranken aus seiner Wohnung zu werfen oder gar zwangsweise in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, sind bewusst hoch. Das sogenannte Sicherungsverfahren gilt als eines der schärfsten Schwerter der Justiz. Um die Persönlichkeitsrechte des Erkrankten zu schützen, hat sich der Kölner Stadt-Anzeiger entschieden, den Fall zu anonymisieren.
Auch über Mietrecht landet man oft vor Gericht
Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer erklärt: „Die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt gegen den eigenen Willen ist für die Betroffenen sehr einschneidend, da sie auf unbestimmte Zeit ausgesprochen wird“, erklärt Bremer. Zwar wird der Gesundheitszustand regelmäßig überprüft und die Person wieder entlassen, wenn keine Gefahr mehr von ihr ausgeht, aber eine solche Sicherungsverwahrung muss gut begründet sein. „Bevor jemand zwangsweise untergebracht wird, muss zweifelsfrei feststehen, dass eine Gefahr für ihn selbst oder für Dritte besteht“, sagt Bremer.
Ein anderer Weg führt in solchen Fällen über das Mietrecht, erklärt Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus und Grund für die Regionen Rheinland und Westfalen. „Grundsätzlich gilt bei Nachbarschaftsstreitigkeiten: Der erste Schritt sollte immer das direkte Gespräch mit dem Nachbarn sein.“
Sollte das nicht funktionieren, etwa bei psychisch kranken Menschen, sollte man sich an den Vermieter oder den Hausverwalter wenden. „Der hat die Möglichkeit, eine Abmahnung auszusprechen. Sollte der Mieter dann weiterhin gegen seine Pflichten verstoßen, kann ihm gekündigt werden.“
Auch Wohungsentzug möglich
Bei Wohnungs- oder Hauseigentümern ist die Sache zwar komplizierter, doch bei schwerwiegenden Fällen wie körperlicher Gewalt sei als letzter Schritt auch der Entzug des Wohneigentums möglich, so Amaya. Dann müsse der Nachbar seine Wohnung oder sein Haus verkaufen.
Aber auch auf diesem Weg landet man in vielen Fällen vor Gericht. Nämlich dann, wenn der Nachbar gegen den Entziehungsbeschluss klagt. Bei psychisch kranken Menschen ist das Problem dann zwar für die Hausgemeinschaft gelöst. Durch den Auszug wird es aber nur verlagert und durch den Verlust des Hauses oder der Wohnung im Zweifel sogar verschärft. Es bleibt ein Dilemma: Auf der einen Seite verängstigte Nachbarn, auf der anderen Seite ein psychisch Kranker, der sich nicht helfen lassen will und den man nicht einfach zwangseinweisen kann.
Im Fall des psychisch kranken Mannes im Kölner Süden könnte allerdings demnächst Bewegung in die Sache kommen. Bereits vor einem Jahr hat die Staatsanwaltschaft ein Sicherungsverfahren gegen den Nachbarn beantragt. Das heißt: Bald wird darüber verhandelt, ob der Mann zwangseingewiesen werden muss. Einen Gerichtstermin gibt es allerdings noch nicht.