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Social Media und AlgorithmenWarum sich die Kölner Band Neufundland nach ihrem besten Album auflöst

Lesezeit 4 Minuten
Die Mitglieder der Kölner Band Neufundland im Porträt

Neufundland haben gerade ihr drittes Album „Grind“ veröffentlicht.

Eine Kölner Bandgeschichte geht zu Ende: Neufundland haben keine Lust mehr auf eine Musikbranche, die von Social Media und Algorithmen bestimmt ist.

Eine beliebte Floskel lautet: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Auf das Jahr 2022 trifft das nicht wirklich zu – wohl aber auf die Kölner Band Neufundland. Nach rund zehn Jahren löst sich die Indie-Popband nach Veröffentlichung ihres dritten Albums „Grind“ und drei letzten Abschiedskonzerten im Frühjahr 2023 auf. Und das, obwohl die vier Kölner mit ihrer neuen Platte gerade den Sound getroffen haben, den sie immer gesucht haben.

In der Corona-Zeit tauchten Neufundland völlig ab

Bitterkeit gebe es keine, sagt Sänger und Gitarrist Fabian Mohn beim Gespräch in der Südstadt, an einem der letzten Dezembertage dieses Jahres. „Es fühlt sich schlüssig an“, sagt er. „Und erfrischend. Ich habe wieder Platz im Kopf.“ Das 2017 erschienene Debütalbum von Neufundland heißt: „Wir werden niemals fertig sein“. Nun sind sie es also doch – weil sich die Musikbranche und vor allem die Bedeutung von Social Media für Bands so verändert hat, dass sich Neufundland damit nicht mehr wohlfühlen.

Während andere Bands in den Corona-Lockdowns Streaming-Konzerte spielten, vor Strandkörben oder im Autokino, tauchten Neufundland ab. „Das war eine bewusste Entscheidung“, erklärt Mohn. „Wir wollen nichts Halb-Cooles machen und lieber an dem neuen Album arbeiten. Dann hat es sich plötzlich sehr gut angefühlt, aus dem üblichen Trott herauszukommen. Viele Dinge, die dich stören, bemerkst du vorher gar nicht richtig, wenn du immer Shows, Festivals oder Support-Konzerte spielst. Corona war in dem Sinne eine heilsame Zeit für uns.“

Neufundland wollen keinen Social-Media-Manager, kein Musikmachen für Tiktok

Vor allem, weil die Band endlich nicht mehr jeden Tag in den sozialen Netzwerken präsent sein musste. „Du musst heutzutage immer da sein, immer posten. Es ist ein Kampf gegen den Algorithmus. Immer muss ‚Content‘ produziert werden. Wir sind aber nicht die Band, die mal eben ein Tiktok aufnimmt“, so Mohn. Neufundland verstehe sich als traditionelle Band: Man schließt sich ein, man schreibt ein Album, man spielt es live.

Fabian Mohn von der Band Neufundland vor einem dunklen Hintergrund

Neufundlands Sänger und Gitarrist Fabian Mohn

Keine Selbstverständlichkeit mehr in einer Branche, in der in Studios mittlerweile teils nur noch Refrains geschrieben werden, in der Hoffnung, dass diese 30 Sekunden auf Tiktok viral gehen. „Wenn das die Zukunft ist, der Einfluss von Social Media auf das Musikmachen so stark wird, müssen wir kein Teil mehr davon sein“, sagt Mohn. Verteufeln wolle er die sozialen Netzwerke nicht. Die Bandmitglieder nutzen Instagram auch privat. „Aber wenn du eine Band auf unserem Niveau halten oder sogar noch größer machen willst, brauchst du eigentlich einen Social Media Manager.“

„Grind“ ist das bislang beste Album der Kölner Band

Für das Ende von Neufundland gibt es aber auch kreative Gründe. „Wir haben mit ‚Grind‘ unser konsistentestes Album hingelegt. Wir haben den Sound getroffen, den wir immer gesucht haben. Wir wollen nun nicht nach dem gleichen Rezept noch drei weitere Alben schreiben“, sagt Mohn. Nach dem Ausstieg ihres Keyboarders klingen Neufundland nun rockiger als im Vergleich zur Vorgängerplatte „Scham“, gitarrenlastiger, alles ein wenig einfacher, die Texte weniger verkopft. „Jeder Liebe ihre Zeit“ oder „Vino“ sind tanzbare Indie-Pop-Rock-Songs, die auch auf der Bühne gut funktionieren werden.

Die Kritiken und das Feedback von den Fans sind bestens. „Natürlich gibt es Momente, in denen man zweifelt, ob das Aufhören jetzt die beste Idee ist“, sagt Mohn. Aber es sei wie in einer Beziehung: Wenn die Entscheidung zum Ende einmal getroffen ist, gibt es kein Zurück.

Emotionales Abschiedskonzert in Köln

Musikalisch werde es für alle Bandmitglieder sicherlich irgendwie weitergehen, sagt Mohn. In neuen Konstellationen oder allein. Vielleicht nicht direkt mit dem Ziel, wieder eine Band zu starten, von der im besten Fall alle leben können. Mit der man wieder einsteigt in das Hamsterrad aus Vermarktung und Posts. „Sondern einfach erstmal wieder Musik machen. Herausfinden, was man noch alles kann“, so der Sänger. Der zweite Sänger und Gitarrist der Band, Fabian Langer, arbeitet zudem als Produzent, für die wohl aktuell erfolgreichste Kölner Band: Annenmaykantereit, mit denen sich Neufundland in den Anfängen einen Proberaum in Köln teilten.

Zum Abschied spielen Neufundland noch drei Konzerte, in Hamburg, Berlin, das letzte in Köln. „Wir sind immer eine Kölner Band gewesen, und so werden wir es auch beenden“, sagt Fabian Mohn. „Es wird sicherlich krass emotional, wenn man realisiert, dass man einen Song jetzt das letzte Mal spielt. Aber wir freuen uns auch drauf, so blöd es klingt, uns ein letztes Mal selbst abzufeiern.“

„Zu einer anderen Zeit hätte es vielleicht gereicht“, heißt es im Neufundand-Song „Kein Scherz“. Dabei zeigt das Ende von der Band, dass ein Abschied auch etwas Schönes sein kann.

Das Album „Grind“ ist am 2. Dezember erschienen. Die Vinyl kostet 18,99 Euro, das Album ist auf allen gängigen Plattformen zu streamen. Das letzte Konzert von Neufundland findet am 5. März 2023 im Jaki Club statt. Tickets kosten 17,50 Euro.