Nippes – Remmidemmi ist hier tagsüber immer. Von montags bis samstags, wenn auf dem Wilhelmplatz der Wochenmarkt stattfindet. Und auch an mehreren Sonntagen im Jahr ist das Gewusel und Gedränge groß. Wenn der normale Markt Pause hat, macht sich auf dem Wilhelmplatz der Flohmarkt breit. Hier wie da mittendrin sind seit Mitte Juni Ilka Buchloh und Marthe Berens. In dem bunt bemalten Betonklotz, den die Kölner liebevoll-spöttisch Taj Mahal nennen, betreiben die beiden ihren „Kaffeekiosk“ und haben es in kurzer Zeit geschafft, mit vielen neuen Ideen und Charme einen lebendigen Platz noch lebendiger zu machen.
Der Kaffeekiosk ist montags bis samstags von 6 Uhr bis 17 Uhr geöffnet, bei schönem Wetter auch länger. An Sonntagen, an denen auf dem Wilhelmplatz der Flohmarkt stattfindet, gibt’s ab 8 Uhr frischen Kaffee und diverse andere Getränke, zum Beispiel: Latte macchiato (2,60 Euro), Capuccino (2,30 Euro), Americano (1,50 Euro), Espresso (1,40 Euro); selbst gemachter Eistee (Rooibos/Traube/Minze 2 Euro); Biere: Mühlen-, Früh- und Reissdorf-Kölsch sowie Astra und Beck’s (0,3 l/ 1,20 Euro), Fassbrause (1,30 Euro), Fritz Cola (1,80 Euro), Lemonaid (2 Euro), Kalte Muschi & Wilder Hirsch (2,50 Euro). Croissant (1,40 Euro). Sehr empfehlenswert: die selbst kreierte Marktstulle (2,50 Euro). Adresse: Wilhelmplatz 1a, 50733 Köln, bei Facebook: Kaffeekiosk. Begrenzte Parkmöglichkeiten in Nippes, Anreise am besten mit dem Fahrrad oder der KVB (Haltestelle Florastraße). (MaW)
Marthe Berens und Ilka Buchloh haben sich über ihre jeweiligen Herzbuben kennengelernt und fühlten sich lange Zeit in ihren Berufen richtig. Ilka Buchloh war 13 Jahre im Event- und Künstlermanagement tätig, betreute Elton und Johanna Klum, tourte mit Westernhagen und entschied sich nach einem Jahr Auszeit und einem Coaching dafür, nicht in den alten Trott zurückzukehren; Marthe Berens war Kamerafrau, bis sie den Job aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte. „Anfangs habe ich natürlich eine kleine Krise bekommen. Ich bin aber ganz gut darin, Steine ins Rollen zu bringen. Also habe ich überlegt, was für Leidenshaften ich habe und was mir Spaß macht, und da fiel mir Kaffee ein. Wo ich auf der Welt auch als Kamerafrau gedreht habe – ich habe immer versucht, guten Kaffee zu bekommen.“
Kaffee statt Medienbetrieb
Die Entscheidung, auf Kaffee statt auf den Medienbetrieb zu setzen, war schnell gefallen – und von der Idee bis zur Umsetzung ging es auch ratzfatz. „Den Kiosk im Taj Mahal habe ich in einer Kleinanzeige entdeckt und gleich als ideal empfunden. Ich wollte auf keinen Fall ein Café, sondern ein klassisches Büdchen mit Straßenverkauf, an dem man stehen kann und an dem sich die Menschen bei einem Kaffee gegenseitig den kleinen Alltag und die große Welt erklären.“
Im März, der Vertrag war gerade unter Dach und Fach, sind die beiden als absolute Gastro-Greenhorns, aber keineswegs naiv an die Sache mit ihrem Büdchen rangegangen. Bei den Vorbesitzerinnen sind sie ein paar Tage mitgelaufen. „Unser Praktikum“, erklärt Marthe. Um eine gute Rösterei zu finden, haben sie sich feldstudienmäßig durch die Stadt getrunken. „Bei Van Dyck sind wir fündig geworden, der Kaffee war einfach so lecker.“ Einen Barista-Kurs haben sie absolviert, und jetzt wissen sie, warum die Brühtemperatur bei einer Siebträgermaschine wichtig ist. Und das Milchaufschäumen klappt auch. „Wenn’s aussieht wie Bauschaum, hat man was falsch gemacht“.
Neben Latte Macchiato, Cappuccino und Americano gibt’s weiterhin auch den handelsüblichen Filterkaffee am Kaffeekiosk, der Becher für 90 Cent. So gewinnt man neue Kundschaft, vergrault aber gleichzeitig auch die nicht, die schon kamen, bevor Marthe und Ilka neuen Schwung ins Büdchen gebracht haben. „Jeder Tag hier ist anders“, weiß Ilka inzwischen, „und alle 20, 30 Minuten ändert sich die Konstellation der Leute, die sonst nie und nimmer miteinander ins Gespräch kommen würden, hier aber einen Kaffee lang miteinander verbunden sind, während wir auf Flummi-Füßen durchs Büdchen hüpfen und die nächsten Brezeln mit selbst gemachtem Obazda oder Frischkäse schmieren.“
Wer einmal die bunte Mischung erlebt hat, die sich tagtäglich vor dem Kaffeekiosk ergibt, ist davon nicht immer begeistert. Aber mindestens so oft fasziniert wie konträrfasziniert. „Da sind die Marktbeschicker, die uns alle herzlich empfangen haben und uns voll akzeptieren, weil sie mitbekommen haben, dass wir alles selber renoviert haben und jetzt sehen, dass wir genauso hart arbeiten wie sie. Da ist der Geschäftsmann, der auf der Bank sein Päuschen macht und gerade in der Nähe eine Wohnung umbauen lässt. Da ist einer, von dem wir mittlerweile wissen, dass er dem Alkoholtod von der Schippe gesprungen ist.
Eine liebenswerte Freakshow, ungefähr so wie Facebook ohne Internet“, schwärmt Ilka, und erzählt dann von dem Trüppchen, das tagtäglich zwischen zehn und halb elf kommt. „Die Rentner – wir nennen sie liebevoll die Ollis – betrachten den Platz vor dem Büdchen als ihr Wohnzimmer, haben ihre Stamm- und Lieblingsgetränke, aber mittlerweile auch einen Heidenspaß, wenn sie was ordern können, was sie bisher nicht kannten. „Tu dem mal ne kalte Muschi“ – ein Rotwein-Cola-Mixgetränk – hören wir jedenfalls öfter. Bei der Bestellung kichern sie dann wie Teenager.“
Noch ein paar Pfeile im Köcher
Ilka und Marthe, längst bekannt als die „Büdschenmädschen“, würden den Platz gern dauerhaft beleben. „Der Blaue Abend war unser Woodstock-Erlebnis, und als Berry von The Soul of Nippes seine Vinyl-Singles gespielt hat, war der Kaffeekiosk das Soul-Büdchen. Ein paar Pfeile haben wir noch im Ideen-Köcher“, lachen Ilka und Marthe. „Ein Wilhelmplatz-Dinner wäre schön. Jeder bringt einen Tisch mit, jeder hat sein Lieblingsessen dabei, wir machen die Getränke. Man kennt sich erstmal nicht, trifft sich aber trotzdem. Und nächstes Jahr ist die WM in Brasilien. Da müssen wir auch mal gucken, ob der Wilhelmplatz zum Rudelgucken taugt.“ Bevor am 12. Juni 2014 in São Paulo das Eröffnungsspiel angepfiffen wird, stehen noch etliche Markttage ohne Neymar, Schweinsteiger und Özil an.
Morgens früh um halb fünf ist für Ilka und Marthe wieder die Nacht vorbei. Noch bevor sie die Rollläden hochgezogen haben, sind die ersten Becher Filterkaffee durch die Tür verkauft. Und wenn der Andrang später größer wird und nach den Marktbeschickern die Müllmänner, Muttis und jede Menge andere Menschen kommen, werden Ilka und Marthe wieder eins tun: auf Flummi-Füßen durch den Tag hüpfen.