Prozess um vergiftete Glukose32-Jähriger verlor Frau und Kind – jetzt sagte er gegen Apothekerin aus

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Zu sehen ist die Heilig-Geist-Apotheke in Longerich direkt am Heilig-Geist-Krankenhaus.

In der Heilig-Geist-Apotheke in Longerich soll eine Apothekerin versehentlich Traubenzuckerpulver mit einem Betäubungsmittel vermischt haben – dies soll zum Tod einer 28-Jährigen Frau und ihrem ungeborenen Kind geführt haben.

Die angeklagte Apothekerin soll für eine tödliche Glukose-Mischung verantwortlich sein. Von zwei geschädigten Frauen starb eine. 

„Es war die schlimmste Zeit in meinem Leben“, sagte am Freitag im Landgericht der Mann, dessen 28-jährige Lebensgefährtin am 19. September 2019 an einer Glukoselösung starb, die mit dem Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid verunreinigt war. Der 32-Jährige nimmt als Nebenkläger an dem Prozess gegen eine Apothekerin teil, der die Staatsanwaltschaft vorwirft, sie habe das Traubenzuckerpulver versehentlich mit dem Betäubungsmittel vermischt, indem sie einen Rest davon aus einem fast leeren Gefäß in einen Glukose-Behälter schüttete.

Die 52-jährige Angeklagte, der unter anderem fahrlässige Tötung zur Last gelegt wird, streitet die Vorwürfe ab. Die Folgen der – von wem auch immer zu verantwortenden – Vermischung waren verheerend. Eine schwangere Kundin der Heilig-Geist-Apotheke in Longerich, die ein Tütchen mit dem für einen Diabetes-Test bestimmten Gemisch erstanden und am 17. September einen Schluck der Lösung zu sich genommen hatte, kollabierte, überlebte jedoch im Krankenhaus. Die 28-Jährige dagegen konnte nicht gerettet werden; auch ihr Sohn, der mit einem Kaiserschnitt auf die Welt geholt wurde, starb.

Mutter und Baby starben an multiplem Organversagen

Auf der Arbeit erfuhr der Zeuge, dass seine Freundin, die nach seinen Angaben kerngesund gewesen war, unter dramatischen Umständen ins Krankenhaus gebracht worden war, und machte sich sofort auf den Weg. „Es war, als wäre ich der Hauptdarsteller in einem Horrorfilm“, sagte er. Niemand in der Klinik habe sich erklären können, woran der Zusammenbruch der Frau lag. Während ein Reanimationsteam um ihr Leben kämpfte, hatte der Zeuge kurz Gelegenheit, sein viel zu früh auf die Welt gekommenes Kind zu sehen. Verkabelt und an Apparate angeschlossen habe es dagelegen – „ein schrecklicher Anblick“. Wie die Mutter starb das Baby an multiplem Organversagen.

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Die Familie, Freunde und Arbeitskollegen hätten ihn aufgefangen, sagte der Zeuge. Geholfen habe auch ein mehrstündiges Gespräch mit einem Psychologen. Die Eltern der Lebensgefährtin, mit denen sie eng verbunden gewesen sei, habe es denkbar schwer getroffen. Der Vater sei 2021 gestorben, und der Mutter gehe es „sehr schlecht“. Er hätte erwartet, dass sich die Angeklagte und ihr Mann, dem die besagte und zwei weitere Apotheken gehören, rühren und „dafür geradestehen“ würden, was geschehen war,sagte der Zeuge. Verteidiger Gerson Trüg machte klar, die Kriminalpolizei habe dem Ehepaar davon abgeraten, Kontakt aufzunehmen. Zudem verlas er einen Vermerk, dem zufolge der Apothekeninhaber im Anschluss an eine Vernehmung sein Bedürfnis zum Ausdruck brachte, den Hinterbliebenen sein Mitgefühl auszusprechen. Es sei vereinbart worden, dass die Polizei dies den Angehörigen übermittle.

Lange angehört wurde eine Pharmazeutisch-technische Assistentin, die in jenem September angefangen hatte, in der Apotheke zu arbeiten. Sie habe damals nie gesehen, dass die Angeklagte, die sie als fleißig, kenntnisreich und sehr erfahren beschrieb, im Rezeptur-Raum Substanzen abfüllte, gab sie an. Sie selber habe anfangs stets nur unter Aufsicht Glukose abgefüllt. Dies war seinerzeit nötig, weil ein Lieferengpass bei Fertigprodukten für Tests auf Schwangerschaftsdiabetes herrschte. Erst nach Ablauf der Probezeit habe sie allein in der Rezeptur gearbeitet, sagte die 43-Jährige. Von den Vorfällen mit den kollabierenden Kundinnen habe sie bloß am Rande etwas mitbekommen. Am 19. September hätten Kolleginnen zusammengestanden und über das Geschehene geredet. Auf ihre Frage, was passiert sei, habe ihr niemand etwas erklärt. Immerhin so viel habe sie von einer Kollegin erfahren, dass eine Ärztin gekommen sei und einen Glukose-Behälter mitgenommen habe. Sonderbar: Am nächsten Tag googelte die Zeugin nach Lidocain, wie die Handyauswertung ergeben hat. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass das Lokalanästhetikum im Spiel gewesen war.

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