Schwerarbeit für Lokführerin Michaela Quante, die den Besuchern demonstriert, wie das Dampfross mit Steinkohle gefüttert wird.
Copyright: Roland Meurer
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Longerich/Nippes – Es zischt und dampft, brodelt und blubbert. Aus einigen Rohren tropft Kondenswasser auf den Boden. Auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks in Nippes riecht es nach schwerem Stahl, nach heißem Öl und verbrannter Kohle. Fasziniert stehen die Besucher vor der gewaltigen Dampflok mit der Nummer 01 150, die zum Saisonausklang dem Rheinischen Industriebahn-Museum (Rim) einen Besuch abstattete. "Dass die Lok einen kurzen Zwischenstopp bei uns einlegen konnte, ist purer Zufall", erzählt Jörg Seidel vom Vorstand des Eisenbahnmuseums. Eigentlich sollte sie von Hamburg nach Sylt unterwegs sein. "Da ist aber irgendwas schiefgelaufen", sagt er. Auf dem Weg zurück ins beheimatete Museums-Bahnbetriebswerk in Hanau habe die Lok dann einen Abstecher ins Eisenbahnmuseum gemacht, das sich seit 1992 auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks in Nippes befindet. Die Dampflok 01 150 aus der Lokomotivfabrik Henschel aus Kassel wird heute von der Eisenbahnstiftung Joachim Schmidt und des Verkehrsmuseums Nürnberg im Auftrag der Deutschen Bahn AG betreut und betrieben.
Zahlreiche Familien mit Kindern, aber auch ältere technikbegeisterte Dampflok-Fans nutzten die Gelegenheit, die 1935 erbaute Schnellzuglokomotive der Baureihe 01 aus nächster Nähe zu betrachten, anzufassen und einmalige Erinnerungsfotos zu schießen. Im Führerhaus des rollenden Technikdenkmals schippt Michaela Quante noch ein paar Schaufeln Steinkohle aus dem Kohlekasten in die Verbrennungskammer, bevor sie sich den Fragen der Besucher stellt: "Wie schnell fährt eigentlich so 'ne Dampflok?", will ein Junge wissen. Andere fragen nach der Temperatur im Kessel oder danach, wie lange man mit einer Ladung Kohle auskommt.
Die Lokführerin des rund 170 Tonnen schweren und mehr als 2200 PS-starken Stahlkolosses beantwortet nacheinander alle Fragen. Sie hat Spaß an ihrer Arbeit, auch wenn sie knochenhart und schmutzig ist. 1994 hat sie die Heizer-Prüfung gemacht. 60 Heizer-Schichten habe sie absolviert, dann die Prüfung zur Lokführerin gemacht. Sie mag den Geruch, die Wärme der Dampflok. "Die alten Loks haben noch Charakter", sagt sie. "Das haben die modernen elektrischen Züge längst nicht mehr." Auch Besucher Josef Platz steht begeistert vor dem schnaubenden Ungetüm. "Ich bin im gleichen Jahr geboren wie die Lok", schmunzelt der Maschinenbau-Ingenieur. Er kennt sich aus mit der Dampflok-Technik, ist selbst oft als Reisender in historischen Zügen unterwegs. Bevor die Schnellzug-Dampflok sich auf den Weg von Nippes nach Hanau machen kann, werden noch einmal alle beweglichen, mechanischen Teile geölt und der Dampfkessel auf die notwendige Temperatur erhitzt. "Wir müssen die Lok für die Fahrt vorbereiten", erklärt Heizer Dieter Wahl vom Lokpersonal. Sechs bis acht Stunden vor der Abfahrt müsse die Lok angeheizt werden, sagt Wahl, der genau wie alle anderen seinen Dienst auf der Lok ehrenamtlich versieht.
Ein Stück bewegte Eisenbahngeschichte machte Station in Nippes.
Copyright: Roland Meurer
Der Pensionär, der während seines Berufslebens als Justiziar in einem großen deutschen Unternehmen tätig war, hat sich mit der Arbeit auf einer Dampflok einen Kindertraum erfüllt. Sein Großvater sei auch Lokführer gewesen, erzählt er. "Das hat mich schon früher immer fasziniert", sagt der Jurist, der von sich glaubt, als "einziger promovierter Akademiker in Deutschland auf einer Lok als Heizer zu arbeiten". Neben dem großen, dampfenden Gast hatten die Veranstalter an ihrem letzten Betriebstag in diesem Jahr noch weitere Attraktionen im Angebot. Eine kleine Feldbahn brachte die Besucher vom Eingang an der Longericher Straße auf das weitläufige Gelände, auf dem der Museumsverein noch weitere Loks, die zwischen 1921 und 1965 gebaut wurden, ausgestellt hatte. Im vereinseigenen Café "Zur Weichenzunge" konnten sich die Gäste bei Kaffee, Kuchen und selbst gemachtem Kartoffelsalat stärken.
An der Museumsnacht am Samstag, 4. November, 19 bis 3 Uhr, beteiligt sich der Verein mit eigenen Angeboten auf dem Betriebsgelände. Ein Schienenbus bringt die Besucher vom Kölner Hauptbahnhof zum Gelände in Nippes und wieder zurück. Weitere Informationen im Internet. www.rimkoeln.de