Hass und Todesdrohungen im Internet, Gewalt und Stalking in einer Beziehung bis hin zur Ermordung der Partnerin oder Ex-Partnerin: Auch im Jahr 2022 ist Gewalt gegen Frauen bittere Realität in Deutschland. Wir haben mit Betroffenen gesprochen. Ein Special.
Orange Day-Special„Mord ist Mord - und keine Beziehungstat“
In Deutschland ist jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen, das sind mehr als zwölf Millionen Frauen. Im Schnitt wird alle 45 Minuten eine Frau in Deutschland durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt. Jeden dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-)Partnerin. Ja, in Deutschland. Das sind die bundesweiten Statistiken. Im folgenden Artikel haben wir uns die lokalen und regionalen Zahlen zu Gewalt gegen Frauen genauer angeschaut.
Die Kölner Sängerin Sarah Bora war über viele Jahre Gewalt in ihrer Beziehung ausgesetzt: Ihr Ex-Partner kontrollierte sie, verletzte sie psychisch und körperlich. Nach der Trennung stalkte er sie drei Jahre lang.
Im Podcast „Talk mit K" erzählt Bora, wie sie sich nach langen Jahren aus der Beziehung befreien konnte, welche politischen Forderungen sie hat und warum manche Begriffe in dem Zusammenhang abgrundtief falsch sind: „Mord ist Mord und keine Beziehungstat.“
Derya und ihr Sohn Kian wurden vor einem Jahr in Köln ermordet – von Kians Vater. Das außergewöhnlich brutale Verbrechen an der 24-jährigen Studentin und ihrem vierjährigen Sohn hat zahlreiche Menschen in der Stadt erschüttert. Jetzt erzählt Deryas Vater vom Leben der beiden - und wie es ist, ohne sie zurechtkommen zu müssen.
Nach einer Vergewaltigung ist es für viele Betroffene in der akuten Belastungssituation fast unmöglich, direkt über eine Anzeige bei der Polizei nachzudenken. In zwei Drittel aller Fälle kommt der Täter außerdem aus dem sozialen Umfeld des Opfers. „Die Frauen fühlen sich, als würde ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt Irmgard Kopetzky vom Verein „Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen –Frauen gegen Gewalt“. Mit der Anonymen Spurensicherung (ASS) haben die Betroffenen allerdings die Möglichkeit, sich anonym untersuchen zu lassen und die Proben für eine mögliche spätere Anzeige einlagern zu lassen.
Der Drehbuch-Autor und Schriftsteller Michel Birbæk ist ebenfalls zu Gast in unserem Podcast. Er lebt seit vielen Jahren in Köln. Der gebürtige Däne zog 1974 mit seiner Mutter nach Deutschland. Lissa Birbæk war ihrem neuen Lebensgefährten gefolgt, der sie später ermordete. Jedes Jahr am 25. November postet Birbæk anlässlich des Orange Day den folgenden Text über den Mord an seiner Mutter auf seiner Facebook-Seite, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
Sibel Schick ist Journalistin, Autorin und Social-Media-Aktivistin. Sie schreibt öffentlich über politische Themen, setzt sich für Rechte von Minderheiten ein und macht sich für den Feminismus stark – dafür wird sie verfolgt. Immer wieder, schon seit Jahren. Sie erhält sogar Morddrohungen.
„Ich muss aufpassen, dass ich nicht verbittere“, sagt sie. Sie spürt, dass sie sich an Dinge gewöhnt hat, an die sich niemand gewöhnen sollte. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Anja Steingen hat als Psychologin mit den Abgründen der Täter zu tun: Zwanzig Jahre lang hat sie in Köln bei der Fachstelle für Gewaltprävention der Arbeiterwohlfahrt Täter therapiert und Fachpublikationen zum Thema verfasst. Im Podcast „Talk mit K“ spricht Anja Steingen darüber, wie Täter ticken, was sich an den Gerichten ändern muss, um Frauen besser zu schützen, und wie jeder selbst dazu beitragen kann, solche Taten zu verhindern.
Was ist der Orange Day? Der „Orange Day“, auch „Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen“, findet jedes Jahr am 25. November statt. Ziel des Gedenktages sowie des anschließenden 16-tägigen Aktionszeitraums ist es, Diskriminierung und Gewalt jeglicher Form gegenüber Frauen und Mädchen zu bekämpfen. Seit 1981 organisieren internationale Menschenrechtsorganisationen an diesem Tag Veranstaltungen, bei denen Frauenrechte thematisiert und gestärkt werden sollen. Dabei geht es vor allem um Themen wie Zwangsprostitution, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, häusliche Gewalt und Femizide, aber auch um Maßnahmen, mit denen die Gleichstellung von Frauen gefördert wird. Als Signal werden vom 25. November bis zum 10. Dezember, dem „Tag der Menschenrechte“, weltweit Gebäude orange beleuchtet. 1999 haben die Vereinten Nationen den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen offiziell als Gedenktag aufgegriffen.