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50 Jahre „Bläck Fööss“„Hoch im Kurs selbst bei Kölsch-Allergikern“

Lesezeit 6 Minuten
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Schroeder Roadshow mit Gerd Köster (vorn) um 1980

  1. 50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
  2. Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
  3. Sänger Gerd Köster und Musik-Verleger Walter Pütz über die Bläck Fööss und ihren Einfluss auf die Kölner Szene.

Köln – „Mein Respekt vor den Bläck Fööss ist grenzenlos“, sagt Walter Pütz. „Die sind Mutter und Vater von allem, was es heute in Köln musikalisch gibt. Die sind die Beatles, die stehen über allem.“ Walter Pütz weiß, wovon er redet. „Ich war ein mittelmäßiger Fußballer und ein lausiger Gitarrist“, sagt er heute grinsend. Musik und Fußball hätten sein Leben ausgemacht. „Also musste ich Funktionär werden.“ Das allerdings konnte er gut. Ab 1976 arbeitete er sich bei der Kölner Plattenfirma EMI Electrola hoch, wurde 1980 „Direktor nationales Repertoire“.

Köln als Musikstadt profitierte natürlich von der damals sehr erfolgreichen EMI am Maarweg, brachte Künstler von Joe Cocker bis Tina Turner in die Stadt. In Deutschland war Rockmusik mit sozialkritischen Texten angesagt. Da habe aber kein Kalkül hinter gestanden, erinnert sich Pütz: „Mir schien das manchmal etwas überpolitisiert, aber die haben das sehr ernst genommen.“ Grönemeyer, Westernhagen.

Und Walter Pütz hatte auch ein spannendes Kölner Portfolio jenseits der Fööss: die „Neue Heimat“ wurde in Purple Schulz umbenannt und profitierte mit „Verliebte Jungs“ von der Neuen Deutschen Welle, war aber auch mit ernsteren Songs („Sehnsucht“) erfolgreich. Genau wie Wolf Maahn & die Deserteure (Pütz: „Eine großartige Band“), die es bis in den „Rockpalast“ schafften und im Stadion den Warm-Up für Santana gaben. Maahn, dessen Foodband nie der Durchbruch gelang, produzierte dann „1001 Nacht“ von Klaus Lage für die EMI, was auch sehr gut lief. Und dann war da noch BAP, die mit ihrem ersten EMI-Album „Für Usszeschnigge“ 1981 deutschlandweit bekannt wurden und über eine Million Alben verkauften.

Pütz und Rau wetten um 500 Mark

1982 tourten die Rolling Stones mit ihrem Album „Tattoo you“. Mit dabei die J. Geils Band und Peter Maffay. Nach dem Gig im Münchner Olympiastadion am 11. Juni saßen backstage Promoter Bill Graham, Charlie Watts, Veranstalter Fritz Rau und Walter Pütz zusammen: Für das zweite Konzert im Müngersdorfer Stadion einen Monat später waren erst 10.000 Tickets verkauft. „Ihr müsst BAP ins Vorprogramm nehmen, dann wird’s voll“, war sich Pütz sicher. Und wettete mit Rau um 500 Mark. Der Rest ist Geschichte. Beide Kölner Shows waren ausverkauft, Niedecken verhandelte gut und durfte zweimal vor den Stones spielen.

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Von Bläck Fööss bis Zeltinger: Die AG Arsch huh, hier 2012, engagiert sich bis heute gegen Rassismus und Neonazis.

Im Gegensatz zu Maffay, der mit Tomaten und Bananen beworfen wurde, rockte BAP total ab. Mick Jagger, so wird kolportiert, kam ins Stadion just als die Band „Verdamp lang her“ spielte und fragte: „Was ist denn hier los?“ Und Walter Pütz war dank seines Näschens um 500 Mark reicher. 1985 verließ er die EMI, gründete mit seinem Freund Karl-Heinz Pütz den Chlodwig Musikverlag. Die erste Single, die die beiden veröffentlichten, war direkt eine Nummer Eins: „New York, Rio, Tokio“ von Trio Rio. Heute lässt Pütz es ruhig angehen, kümmert sich aber immer noch um Köster & Hocker, die er einst mit Schroeder Roadshow bei der EMI rausgeschmissen hatte: „Aber der Gerd ist ein geiler Sänger, das hab ich mir gemerkt.“

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„Eine kölsche Musikszene gab es Ende der 70er so nicht“, sagt Sänger Gerd Köster, auch wenn die Bläck Fööss Brücken geschlagen hätten: „Die haben die Seele nicht nur der Heimatbesoffenen getroffen und standen selbst bei Kölsch-Allergikern hoch im Kurs.“ Die Fööss hätten die Dinge besungen, die in dieser Stadt kommentiert werden mussten. „Das waren keine Politsongs, aber das hat es so vorher nicht gegeben.“ In der Südstadt wurde die verlassene Stollwerck-Fabrik besetzt. Mit den Hausbesetzern kam eine Graffiti-Szene, was damals neu und augenfällig war. Im Annosaal gab es Ausstellungen und montags ab 23 Uhr war Arbeitslosendisco, in der Maschinenhalle fanden die verrücktesten Konzerte statt mit Bands wie Dunkelziffer oder Jaki Liebezeits Drums of Chaos.

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Walter Pütz, Freddy Mercury

„Ich kann mich an ein Stollwerck-T-Shirt erinnern, da stand drauf: Solange Tommy Engel lebt, bleibe ich ein Punk“, erzählt Gerd Köster grinsend. Mit der Politrock-Anarcho-Clown-Band Schroeder Roadshow spielte er zweimal dort. 1979 war er als 22-jähriger für den erkrankten Uli Hundt kurzfristig als Sänger für eine Tour eingesprungen – und geblieben. Sein Buddy Frank Hocker folgte ein Jahr später. Die Band kam zwar aus Köln, war aber vor allem im Süddeutschen unterwegs. Köster, gelernter Altenpfleger, hatte gerade „bei den Nervösen in Riehl gekündigt, da war Schroeder der stringente Schritt.“ Man spielte, wo es eine Steckdose gab, 200 bis 250 Gigs im Jahr, Roadies gab es keine, und die Nächte verbrachte man in irgendwelchen WGs von irgendwelchen Ökos oder Spontis. „Man war nicht einverstanden damit, wie man das Leben vorgefunden hat“, sagt Köster, der damals hochdeutsch sang. „In der Jugend hat man das Recht, morgens aufzuschreien.“ 1988, beim großen „Werner-Rennen“-Open-Air auf dem Flugplatz Hartenholm spielten Schroeder, BAP und andere vor 200.000 Zuschauern.

Köster hob das Niveau kölscher Texte auf ein neues Level

Zum Dialekt kam Köster 1989 nach dem Ende der Schroeder-Ära. Pianist Mathias Keul hatte die Idee, Tom-Waits-Songs zu übersetzen und neu zu interpretieren. „Tom Waits benutzt eine Art Beatnik-Sprache und hat einen riesigen Wortschatz. Ich habe da eine große Ehrfurcht vor“, sagt Köster. „Ich habe gemerkt, dass ich dem auf Kölsch besser gerecht werde. Das klingt mehr nach Straße, hört sich besser an, und singt sich besser.“ The Piano has been drinking war geboren – sie öffneten ein neues Fenster kölscher Musik, denn den bar-bluesigen, leicht morbiden Sound der Band hatte es so noch nicht gegeben. Und Köster hob das Niveau kölscher Texte auf ein neues Level. Beim Solidaritätskonzert für Sinti und Roma am Fühlinger See 1991 lernte man dann die Bläck Fööss kennen.

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Walter Pütz, Wolfgang Niedecken 1984

Das Open-Air war die Vorstufe zum vielleicht stärksten Moment dessen, was man heute die Kölner Szene nennen: das Arsch-huh-Konzert auf dem Chlodwigplatz am 9. November 1992. Dank der integrativen Kraft eines Karl-Heinz Pütz traten Bläck Fööss, Zeltinger, Bap, Piano, LSE, Höhner, Brings und andere zusammen auf. Vor 100 000 Demonstranten gegen Neo-Nazis und Rassismus. Persönliche Eitelkeiten wurden hinten angestellt. Die hätten vier Wochen später beim von der deutschen Plattenindustrie gepuschten „Heute die, morgen du“-Plagiat in Frankfurt fast das Konzert gesprengt. Weil die Managements von Grönemeyer und Westernhagen sich nicht einigen konnten, wer das Finale bestreiten sollte, wurden als Kompromiss kurzfristig die Kölner eingeladen – für einen Song: Kollektiver Betriebsausflug einer Musik-Szene mit dem Bus – das hat es so nie wieder gegeben. Die AG Arsch huh ist allerdings bis heute aktiv.