Rodenkirchen/Bayenthal – Alleine der Blick: Der Rhein, die vorbeiziehenden Schiffe, die breite Aue, der sandfeine Strand. Die Rodenkirchener Riviera ist eine Augenweide. So sieht es auf den ersten Blick aus, als würden wir hier den Ausflüglern folgen, die es bei schönem Wetter mit Kind und Kegel ans Ufer zieht oder in eine der vielen traditionellen Gastronomiebetriebe oder Bootshäuser, die entlang unserer Tour liegen – wenn ein Besuch denn möglich wäre.
Tatsächlich ist es aber ein Spaziergang entlang des Hochwasserschutzes, der Beachtung verdient. Nach den verheerenden Jahrhunderthochwassern 1993 und 1995 wurde 1996 das Kölner Hochwasserschutzkonzept entwickelt und im Laufe der Jahre sichtbar umgesetzt.
Unser Spaziergang beginnt an der Bushaltestelle Uferstraße. Genau hier auf der Ecke zur Grüngürtelstraße wurde 2007 ein Kombi-Pumpwerk (1) in Betrieb genommen. Der Bau besticht optisch durch seine symbiotische Einbettung in die umgebende Landschaft am äußersten Rand der Wohnbebauung. Der Entwurf des Landschaftsarchitekten Dirk Melzer bringt im Ergebnis auch eine optische Weiterführung des Wohnparks Rodenkirchen, der in den Jahren 1967 bis 1968 erbaut wurde.
Dem Pumpwerk fällt eine doppelte Aufgabe zu. Es muss die anfallenden Grundwassermengen, die im Deichbau als Qualmwasser bezeichnet werden, einschließlich der Hochwasserentlastung aus der benachbarten Kläranlage in den Rhein pumpen. Die Pumpanlage schafft eine Gesamtfördermenge von 8000 Litern pro Sekunde, was rund 50 Badewannenfüllungen entspricht. Das Betreten der Anlage ist verboten, Hinweistafeln der Stadtentwässerungsbetriebe geben Aufschluss über die Mechanismen des Hochwasserschutzes.
Von hier aus richten wir unsere Blickrichtung gen Dom und folgen der Uferstraße entlang der Hochwasserschutzmauer (2) – eine weitere Maßnahme, von der Rodenkirchen profitiert. Das links der Mauer gelegene Auenviertel wurde aufgrund seiner topografischen, sehr tiefen Lage bereits ab einem Rheinwasserstand von 7,20 Metern überflutet. Die Maßnahmen sorgen dafür, dass das Viertel seit 2008 gegen ein bis zu elf Meter hohes Hochwasser geschützt ist. Den Weg säumen linker Hand der Rheinpromenade – neben den prachtvollen Villen – zahlreiche Ruderclubs. Gleich hinter der Barbarastraße liegt der älteste und Mitgliederstärkste Ruderverein, der Ruderclub von 1877 e.V. (3). 2019 hat der Verein den 89. Stadtachter zu den Kölner Lichtern ausgerichtet. Erstmals fand der Wettkampf bereits 1909 statt.
Wir nehmen den Aufgang, der nach einem verdienten Mitglied Loosengasse heißt, und verlassen das Sportgelände auf der anderen Seite auf der Barbarastraße. Wir halten uns rechts und biegen gleich wieder rechts in die Straße Auf dem Brand ein. Die Hausnummer Drei beheimatete damals die alte Dorfschule (4).
Das denkmalgeschützte Gebäude stammt aus dem Jahr 1839. Die damalige Aufteilung war eine Kuriosität: Im Haus 3a wurden die Jungen und im Haus 3b die Mädchen unterrichtet. Der Lehrer wohnte gleich nebenan. Wir folgen der Straße leicht abwärts zurück zum Rheinufer. Hier stehen wir direkt am traditionsreichsten Teil des Veedels. Wir blicken auf das Kapellchen, Alt Sankt Maternus (5), erbaut im zehnten Jahrhundert. Majestätisch thront sie auf dem Felsvorsprung und gilt zu Recht als Wahrzeichen des Ortes. Die Altarplatte im Inneren stammt von dem Weißer Bildhauer Elmar Hillebrand.
Infos zur Tour
Das Freizeitangebot in Zeiten der Pandemie ist begrenzt. Wir empfehlen, die Stadt mit langen Spaziergängen zu erkunden. Die aktuellen Einschränkungen erschweren die gastronomische Versorgung unterwegs. Aber zum Beispiel am Kirchhof im Süden haben die Betreiber des Rodenkirchener Bootshauses ein Büdchen aufgestellt und unter der Rodenkirchener Brücke neben der Tennisanlage bietet ein Imbiss gerade bayerische Kost zum Mitnehmen an.
An- und Abfahrt: Von der Innenstadt aus fährt die KVB Linie 16 Richtung Bonn/Wesseling bis Bahnhof Rodenkirchen. Von dort in die Buslinie 135 Richtung Meschenich umsteigen bis zur Endhaltestelle Uferstraße. Wer mit dem Auto kommt, kann an der Grüngürtelstraße Richtung Rheinufer parken.
Länge: Die Tour ist rund fünf Kilometer lang. Wer mehr laufen möchte, geht die Strecke wieder zurück– wahlweise auf der anderen Rheinseite.
Folgt man ein Stück der Kirchstraße links hoch, vorbei an den Traditionsgasthäusern Fährhaus und Zum Treppchen, gelangt man auf der rückwärtigen Seite zum Kirchhof im Süden (6), wo sich Grabkreuze und Fragmente von Gräbern aus dem 16. bis 19. Jahrhundert befinden. Wir setzen unseren Spaziergang auf der Uferstraße fort. Der Weg führt vorbei an der Villa Malta (7).
Die Jugendstilvilla wurde 1904 unter dem Namen Villa Antonia für Eduard Steisel, den ehemaligen Bürgermeister von Rondorf , erbaut. Ihren jetzigen Namen verdankt die Villa dem Malteserorden, der Anfang der 1970er-Jahre den Besitz übernahm, den Standort aber 1985 wieder aufgab. Seitdem beherbergt die Villa Eigentumswohnungen. Wir verlassen das Ufer in Höhe der Rodenkirchener Brücke, um die Straßenseite zu wechseln.
Preisgekröntes Bauwerk
Linker Hand der Brücke bleiben wir vor verschlossenen Gattern stehen. Dahinter verbirgt sich ein Sahnestück der Architektur, das nüchtern „HW ROD“ (8) heißt (Abkürzung für Hochwasser Rodenkirchen). Es ist einer der acht Standorte in Rheinnähe, an dem sämtliche Teile lagern, die im Notfall das mobile Hochwasserschutzsystem darstellen. Es besteht aus nur zwei Komponenten: Mittelstützen werden in regelmäßigen Abständen am Ufer montiert, dazwischen werden Dammbalken gestapelt – hunderte Aluminiumteile, die in Rheinnähe gelagert werden müssen, damit es im Notfall schnell geht. Nur selten wird dieses architektonische Kleinod für kulturelle Veranstaltungen geöffnet, wie zum Beispiel für das Acht- Brücken-Festival.
Die Leuchtkraft der Glaskörper
Innen wirkt der Bau fast skulptural. Dem Gebäude wurden drei Glassäulen einverleibt, um die größeren Bäume auf dem Gelände unversehrt erhalten zu können. Das einfallende Licht fasziniert, denn die Glasstelen leuchten diffus wie zylinderförmige Laternen.
Die Glaszylinder sind auch für die Statik verantwortlich, so dass der Bau keine sichtbaren Stützen hat, vielmehr wirkt, als werde er durch die Leuchtkraft der Glaskörper gehalten. Unbemerkt ist „HW Rod“ nicht geblieben: 2010 erhielten die Architekten Kay Trint und Hanno Keuder dafür den Kölner Architekturpreis, 2011 folgte der Architekturpreis NRW. Wir gehen zurück zum Ufer zur Endstation, dem größten Pumpwerk der Stadt an der Schönhauser Straße (8). Abends leuchtet es in den Farben, die dem jeweiligen Pegelstand des Rheins zugeordnet sind.