Impfungen in Köln-Meschenich angelaufenAstra für das Dorf, Johnson für den Kölnberg
Köln – Er hat sich noch ein Schinkenbrötchen aus dem Impfhaus mitgenommen und macht sich eilig auf zur Werbetour auf dem Kölnberg. Michael Kliem muss sich vorkommen wie ein Marktschreier, wenn er durch die Hochhaussiedlung zieht und den Impfstoff anpreist. „Geht ihr heute auch noch rüber zum Impfen?“, fragt er am Freitagnachmittag jeden, den er auf der Straße trifft. Einige sagen, dass die schon da waren.
„Super! Erzählt es weiter!“, ruft Kliem. Nicht alle verstehen ihn, bei vielen schlagen ihm auch Ablehnung und Skepsis entgegen. Aykut will gehört haben, dass er von der Impfung impotent werden könne. Ein anderer fragt, ob Johnson & Johnson wirklich sicher sei. Er misstraue den USA, England und Israel. Irgendwo habe gestanden, dass die Corona doch selbst erfunden hätten. Kliem klärt auf, kurz und klar: „Was hier verimpft wird, ist sicher. Auch Johnson und Astra.“ Ob er sie überzeugt hat, bleibt ungewiss. „Die Menschen sind verunsichert“, sagt er.
Am Freitag startete im Zentrum Meschenichs, ein paar Hundert Meter vom Kölnberg entfernt, die mobile Impfaktion von Stadt, Caritas und Kliems Praxis. Teil zwei der Impfungen in sozialen Brennpunkten mit den höchsten Infektionszahlen. Man wolle damit „den Impfstoff zu den Menschen bringen“, sagt Feuerwehrchef Christian Miller. Für beide Aktionen stellte das Land 1000 Dosen zur Verfügung. 300 von Johnson & Johnson waren für Freitag reserviert, dazu kamen etwa 400 Restdosen von Impfaktionen für Obdachlose und Menschen mit Behinderung. Hier sei die Impfbereitschaft so „verhalten“, dass viele Dosen übrig blieben. Weitere Dosen vom Land gibt es vorerst nicht. Der Impfbus in Chorweiler wurde deshalb schon wieder zurückgebaut. Die weiteren Stadtteile – Finkenberg, Kalk, Vingst, Höhenberg, Humboldt/Gremberg und Mülheim-Süd – sollen drankommen, wenn neuer Impfstoff da ist. Ansonsten wird das Modellprojekt zunächst eingestellt.
Ärger über Abweisungen
Der Hochhauskomplex an der Straße An der Fuhr war zuletzt zum Epizentrum der Pandemie in der Stadt geworden. In ganz Meschenich lag der Inzidenzwert zwischenzeitlich bei mehr als 300, inzwischen ist er auf 237 gefallen. In den Hochhäusern dürfte er aber weit darüber liegen – gesonderte Werte werden nicht erfasst. Die Hälfte der etwa 8000 Einwohner Meschenichs lebt auf dem Kölnberg, der Rest im „Dorf“ Meschenich. Am Morgen hatte es daher etwas Ärger gegeben und auch Kliem äußert Kritik: Zuerst wurden die Menschen aus dem Dorf abgewiesen, weil das Angebot expliziert für die Hochhausbewohner des Kölnbergs galt. „Man kann doch so mit den Leuten hier nicht umgehen. Das könnte nachhaltigen Schaden für die Aktion angerichtet haben“, sagt Kliem. Aus seiner Praxis und aus dem Impfzentrum wurden eilig Astra-Dosen herbeigeschafft. Im Haus der Caritas war die Regel danach klar: Links wird das Dorf mit Astra geimpft, rechts der Berg mit Johnson.
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Vor dem Kiosk An der Fuhr möchte jemand wissen, wie es denn jetzt nach der Impfung mit Sport und Alkohol aussehe. „Du solltest dich nicht betrinken, aber eine Büchse Bier geht“, sagt Kliem. „Ein Joint meinetwegen auch. Aber mehr nicht.“ Kliem duzt fast alle hier. Er kennt den Kölnberg, der Kölnberg kennt ihn. Es ist eine Vertrautheit, die ein Impfzentrum nicht bieten kann – und die wohl nötig ist, um die Menschen zu erreichen. „Was impfen Sie denn?“, fragt Damla (Name geändert). „Wir haben Johnson & Johnson und Astra da“, antwortet Kliem. Ob er denn auch Biontech impfe, fragt die junge Frau im hellblauen Kopftuch. „Eigentlich ja, aber im Moment haben wir nichts da. Aber Johnson und Astra wirken genauso gut“, sagt Kliem. Damla will es sich nochmal überlegen. Diesen Samstag hat sie noch Zeit dafür. Dann wird auch hier vorerst abgebaut.