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Wer fällt als Erstes um?Kinder und Jugendliche mit Behinderungen als Leidtragende in Sürth

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v.l: Mitarbeiter Markus Hoche, Marc Haine aus dem Vorstand und Thomas Göttker, der das Jugendhaus Sürth leitet, müssen Einsparungen vornehmen.

v.l: Mitarbeiter Markus Hoche, Marc Haine aus dem Vorstand und Thomas Göttker, der das Jugendhaus Sürth leitet, müssen Einsparungen vornehmen.

Das Jugendhaus in Köln-Sürth muss sein Angebot im kommenden Jahr kürzen. Betroffen sind insbesondere Eltern von Kindern mit Handicap.

Keine Öffnung mehr an Samstagen. Und nach 40 Jahren wird es erstmalig kein Angebot in den Oster-, Sommer- und Herbstferien im Jugendhaus Sürth geben. Die geplanten Kürzungen im Haushaltsentwurf der Stadt, die Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe, haben für das Haus erhebliche Konsequenzen. Wahrscheinlich. Final entscheidet der Rat am 12. Dezember über den Entwurf.

„Der Haushaltsentwurf ist auf jeden Fall draußen und es wird gespart. Das ist bei den Eltern noch nicht so präsent. Aber wir müssen jetzt planen“, sagt Marc Haine, hauptamtlicher Vorstand.

Das inklusive Jugendhaus Sürth liegt in unmittelbarer Nähe zum Rhein. Es hat ein großes Außengelände mit Bauspielplatz, einen Kletterturm und einen Fußballplatz. Alle Kinder und Jugendlichem im Schulalter sind herzlich willkommen, geöffnet ist dienstags bis samstags von 14 bis 20 Uhr.

Kürzungen im städtischen Haushalt bedrohen inklusives Jugendhaus

Es ist ein Angebot mit offener Tür, die Gäste können kommen und gehen, ohne Anmeldung, ohne Eltern, ohne Therapie. 250 bis 300 Kinder und Jugendliche kommen pro Woche, ein Drittel sind Kinder mit Handicap. Je komplizierter die Behinderung, um so eher ist das Jugendhaus mit seiner langjährigen Erfahrung Ansprechpartner. Bereits seit 1982 gibt es die inklusive Einrichtung.

Die aktuellen Planungen im städtischen Haushaltsentwurf bedeuten für das Jugendhaus Kürzungen im Umfang von rund 60.000 Euro. Geld, das im Personal und in Projekten fehlen wird. Gearbeitet, so Haine, wird seit Jahren im Minus. 90.000 Euro wurden alleine dieses Jahr von Stiftungen zugesetzt. „Wahrscheinlich wird der Samstag wegfallen, weil er der Personal intensivste Tag ist“, sagt Haine. Kündigungen, oder ein „Ausdünnen des Personals“ hält er für nicht ausgeschlossen.

Doch wie soll das funktionieren? „Wenn wir sagen, Menschen mit Behinderung schaffen wir nicht mehr, dann handeln wir diametral zu unserem Leitbild“, sagt Thomas Göttker. Die Vorstellung, den Eltern beibringen zu müssen, dass samstags nicht mehr geöffnet ist, macht ihn betroffen.

Streichung des Ferienprogramms: „Eine Katastrophe“ für betroffene Familien

„Der Schmerz landet insbesondere bei den Eltern, deren Kinder behindert oder schwerstbehindert sind. Der Samstag ist für viele eine extreme Entlastung, weil manche Kinder durchgehend betreut werden müssen“, sagt der Leiter des Jugendhauses. Sprich: Es ist eigentlich der Tag, an dem Eltern sich um den Haushalt und Einkauf kümmern können.

Schlimmer für Göttker ist es, Eltern zu sagen, dass es kein Ferienprogramm mehr geben wird. Rund 45.000 Euro fehlen dann hier. Der Raum für Kinder und Jugendliche mit schwerster Behinderung ist sehr eng, in den Ferien bleibt da oftmals nur das Jugendhaus. „Denen zu erzählen, dass es gar nichts mehr geben wird, wird eine Katastrophe“, so Göttker. In den letzten 30 Jahren haben 10.000 Kinder und Jugendliche in Sürth das Angebot wahrnehmen können, hat er ausgerechnet.

Und nur für Menschen mit Behinderung öffnen? „Dann hätten wir die Inklusion abgeschossen“, sagt Haine. Am finanziellen Limit zu arbeiten, sind die vier hauptamtlichen und derzeit 15 Aushilfskräfte gewohnt. „Aber das jetzt ist eine Rasenmäherkürzung.“

Das Jugendhaus teilt das Schicksal sämtlicher Vereine in freier Trägerschaft. Für Haine wird im Haushalt am falschen Ende gespart. „Der Schaden für die Betroffenen ist höher, als die Einsparung bringt.“ Zur letzten Ratssitzung am 12. Dezember wird es eine Mahnwache geben. Haine: „Man überlässt es der Trägerlandschaft, wer als Erstes umfällt“.