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Sitzung for oneHardcore-Karnevalist aus Köln spielt alle Rollen selbst

Lesezeit 3 Minuten
Uli Kievernagel steht mit erhobenen Armen auf der Bühne, hinter ihm auf einer Leinwand ist ein Tanzcorps zu sehen.

Auch ein Tanzcorps fehlt nicht bei kleinsten Sitzung der Welt.

Zu einer Karnevalssitzung gehören kölsche Bands, Büttenredner, das Dreigestirn und vieles mehr. Das alles bietet Uli Kievernagel - als One-Man-Show.

Erst einmal müssen die Gäste singen. „Seid ihr richtig dabei, bekommt ihr das Knallerprogramm“, erklärt Uli Kievernagel, wirft die Musik an und den Liedtext auf die Leinwand. Es klappt, im Saal des Bürgerhauses Zollstock tönt lautstark „Denn wenn et Trömmelche jeit“ aus allen Kehlen. „Super!“, ruft Kievernagel, setzt die Mütze auf und begrüßt als Präsident das Publikum zur „kleinsten Sitzung der Welt“. Er stellt Elferrat und Musikkapelle vor - zu sehen auf der Leinwand - und kündigt eine Büttenrede an. Alaaf, Tusch, er rennt aus dem Saal, kommt wieder rein, mit anderer Mütze auf dem Kopf und gibt „Dä Tuppes vom Land“. Applaus, Alaaf, Tusch, dä Tüppes rennt raus, und Kievernagel kommt mit Präsidentenmütze wieder herein. So geht es weiter, von Programmpunkt zu Programmpunkt, Tusch, Alaaf, Applaus und viel Lachen beim Publikum.

Idee entstand in der Corona-Zeit

Bei der „kleinsten Sitzung der Welt“ bietet der Raderberger eine Karnevalsitzung mit allem Drum und Dran: Präsident, Büttenredner, Tanzcorps, Reitercorps, Musik, Singen, Schunkeln und Dreigestirn. Die Idee dazu kam dem 55-Jährigen, der seit 2017 als Stadtführer arbeitet, während der Coronazeit. „Die Seniorenheime werden im Karneval von Karnevalsvereinen und Traditionscorps besucht. Das sind schöne Stunden für die Bewohner, aber während Corona ging das nicht. Aber eine Person, getestet, konnte in die Häuser kommen“, erzählt der Kölnlotse.

Ein Mann mit Narrenkappe und bunter Anzugjacke steht vor gefüllten Sitzreihen in einem Saal und gestikuliert.

Als Präsident führt Uli Kievernagel durch die kleinste Sitzung der Welt.

Die „kleinste Sitzung“ kam so gut an, dass Kievernagel das Konzept auch nach Corona beibehielt. Größtenteils tritt er damit in Seniorenheimen auf. Das Programm passt Kievernagel jeweils dem Publikum an. „Wenn viele Menschen mit Demenz dabei sind, mache ich es kürzer. Sonst wird es für sie zu anstrengend“, sagt er. Die Gäste in Zollstock führte er unter anderem in das „Geheimlabor des Festkomitees“.

Alles zum Thema Bläck Fööss

„Hier werden die Karnevalslieder kreiert, die werden nämlich nicht etwa von den Höhnern, Bläck Fööss, Paveiern und all den anderen geschrieben. „Sie werden geklaut“, erklärte Kievernagel. Es folgte eine unterhaltsame Collage von Karnevalsliedern, die von bekannten Stücken abgekupfert worden seien, wie „Blootwoosch, Kölsch un e lecker Mädche“ von Cigarettes, Whiskey und wild wild women, oder „Dat es Heimat“ von der Rockballade „Sailing“.

Wissenswertes über Jan van Werth, die Jungfrau und die roten Schuhe

Nebenbei versorgte Kievernagel das Publikum mit Hintergrund-Wissen, zum Beispiel zu Jan von Werth, der lange in Tschechien lebte und dort reich wurde, und zum Dreigestirn. Die Gäste erfuhren, warum der Prinz rote Schuhe trägt, dass die Jungfrau für die Unversehrtheit der Stadt steht, die durch die Stadtmauer vor Überfällen geschützt blieb und dass Bauer, Jungfrau und Prinz keine Kostüme tragen, sondern Ornate. „Die drei spielen ihre Figuren nicht, sie sind sie“, so Kievernagel.

Die Sitzung kam bei den rund 50 Gästen bestens an. „Ich bin hin und weg. Ein tolles Programm und so vielseitig. Wir haben gesungen, geschunkelt, gelacht und dabei noch spannende historische Details erfahren“, zeigte sich Ulrike Pickert begeistert. „Es hat mir total gut gefallen. Es war lustig, kurzweilig und informativ. Es hat echt Spaß gemacht“, sagte Monika Becker-Volkening.

„Das Programm ist kein Selbstläufer. Man muss das Publikum gleich am Anfang mitnehmen, das geht mal leichter, mal schwerer“, erzählt Kievernagel. Singen sei dafür eine gute Sache. Die Technik und die verschiedenen Nummern hat er bestens im Griff. „Das macht mir alles großen Spaß. Ich bin Hardcore-Karnevalist“, bekennt er. Nur eine Nummer koste immer etwas Überwindung – das Tanzcorps. „Hier bitte ich um Nachsicht und darum, meine Beweglichkeit nicht mit der eines echten Funkemariechens zu vergleichen“, sagt Kievernagel. Der eingeschränkte Hüft- und Beinschwung störte die Zollstocker nicht. „Es war großartig. Ich habe gedacht: Köln ist eine tolle Stadt! Das denke ich nicht immer", meinte Besucherin Uta Begrich.