AboAbonnieren

Sänger Max Mutzke im Interview„Köln war im Lockdown wie ein ausgesaugter Lappen“

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (5)

Sänger Max Mutzke vor dem Kölner Gloria.

Köln – Er kam, sah, siegte und blieb: 2004 gewann Max Mutzke (40) in Köln den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) mit „Can’t Wait Until Tonight“ und ist seitdem fest in Köln verwurzelt. Auch nach seinem Abschied von Mentor und Entdecker Stefan Raab blieb Mutzke als Sänger erfolgreich. Heute füllt er große Hallen.

Herr Mutzke, wir sitzen hier im „Gloria“. Welche Bedeutung hat der Ort für Sie?

Der Laden hat die perfekte Größe. Als wir zum letzten Mal vor Corona hier gespielt haben, war der Saal zum Platzen voll. Das war wie ein Kochkessel. Wir kamen auf die Bühne, und der Saal explodierte. Außerdem mag ich kleinere Locations wie den „Stadtgarten“, wenn ich mit einer Jazz-Formation auftreten. Solche Orte habe ich als Kind vor allem mit meinem Vater besucht.

Haben Sie Ihren Eltern schon mal für den Namen gedankt? Max Mutzke hört man einmal und vergisst es nicht.

Stimmt. Vor ein paar Jahren wollte meine Plattenfirma herausfinden, wie bekannt mein Name ist. Lustigerweise kannten den über 90 Prozent der Befragten. Das war in einer Liga mit Madonna. Aber Schauspieler? Sänger? Politiker? Viele wussten nicht genau, was ich mache.

„Karneval hat Ähnlichkeit mit der katholischen Kirche“

Kürzlich war der Elfte im Elften. Was sagt das Ihnen als Neu-Kölner?

Ich komme ja aus dem Schwarzwald. Und dort haben wir die Fasnacht. Aber das ist was ganz anderes als der Kölner Karneval. Und da stehe ich vor allem auf Stunksitzung, „Deine Sitzung“ und andere Formate des alternativen Karnevals. Die sind witzig und satirisch und haben mit dem Ursprung des Brauchtums, nämlich die Besatzungsmächte aufs Korn zu nehmen, viel mehr zu tun als der herkömmliche Sitzungskarneval. Dort kommen die Korps zwar mit der Knabüs, dem Holzgewehr, auf die Bühne, sind aber nach fünf Minuten schon besoffen. Außerdem hat traditioneller Karneval Ähnlichkeiten mit der katholischen Kirche.

Karneval ähnlich wie Kirche – wie meinen Sie das?

Hier wie dort haben die Frauen auf der Bühne nix zu suchen, sind wie die Funkemariechen nur schmückendes Beiwerk. Das ist eine ganz unzeitgemäße Attitüde. Ich bin feministisch erzogen und kann damit überhaupt nichts anfangen. Mein Vater ist Gynäkologe, und meine Mutter war eine fantastische Schauspielerin. Zu Hause waren die Themen Frauen und Sexualität ganz normal. Wir konnten fragen, was wir wollten, und bekamen immer offene Antworten.

Mit welcher Kölner Band würden Sie gerne mal auftreten?

Tommy Engel kenne ich gut und mag ich sehr – nicht nur als Künstler, sondern auch wegen seines Lifestyles. Letzten Sommer habe ich ihn auf seiner Harley gesehen, natürlich mit Zigarre im Mund – große Klasse! Mit dem würde ich gerne mal auf der Bühne stehen, weil er die Menschen tief berührt.

„Lebe mit meiner neuen Liebe in Köln“

Sie haben Ihren Zweitwohnsitz in Köln. Wie kam es dazu?

Ich habe mit meiner Partnerin aus Äthiopien einige „bunte“ Kinder. Inzwischen sind wir nicht mehr zusammen, sondern ich lebe mit meiner neuen Liebe in Köln. Aber wir haben immer noch eine enge Freundschaft. Wir sind eine große Patchwork-Familie. Die Kinder sehen Köln als zweite Heimat und jubeln, wenn es mal wieder ins Rheinland geht. Ähnlich ging es mir, als ich 2004 nach Köln kam. Das war wie eine neue Welt für mich.

Wie meinen Sie das?

Es kam mir damals so vor, als sei ich mit einer Steinschleuder vom Schwarzwald nach Köln geschossen worden. Denn ich war wirklich in einer ganz anderen Welt gelandet. Wenn du zum Beispiel im Schwarzwald jemandem ein Bier in Kölsch-Größe servieren würdest, läufst du Gefahr, eine aufs Maul zu bekommen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie leben in der quirligen Südstadt, vermissen Sie da nicht manchmal das beschauliche Waldshut-Tiengen?

Nein. Ich möchte auch auf gar keinen Fall außerhalb Kölns in einem Häuschen auf dem Land wohnen. Wenn ich nach einem Besuch im Schwarzwald wieder nach Köln zurückkomme, das Auto parke – vorausgesetzt, ich finde einen Parkplatz–dann pulsiert sofort das Leben. Man hört Gehupe und Rufen, selbst nachts ist es nie ganz ruhig. Faszinierend. Deshalb fand ich den Lockdown so furchtbar. Da war Köln wie ein ausgesaugter Lappen. Die Stadt litt unter Blutarmut, der Puls war nahe null. Wollen wir hoffen, dass uns das aktuell erspart bleibt.

In Ihrem Song „Hier bin ich Sohn“ besingen Sie die Alkoholsucht Ihrer Mutter...

...und genau diese Ehrlichkeit ist mir wichtig. Meine Mutter ist an der Sucht gestorben, das hat wehgetan und war bitter. Der Zerfall durch den Alkohol geht einem krass an die Substanz, gerade, wenn man, wie ich, Schutzbefohlener ist beziehungsweise war. Wenn ich das Lied singe, sehe ich, dass Menschen im Publikum weinen. Nicht nur, weil sie traurig sind, sondern weil sie diese Situation kennen und sich verstanden fühlen.

„Wünsche mir eine hohe Impfquote“

Ein fröhlicheres Lied ist „Ode Cologne“. Darin heißt es: „Du riechst nach Zukunft – Ode Cologne“. Riecht Köln wirklich nach Zukunft?

Ja, aber vorher müsste einiges passieren. Zum Beispiel die Ampelschaltung. Es gibt Ampeln, die sind für mich die reine Diskriminierung. Ich komme ja oft nachts in Köln an, weil ich fast immer von den Auftritten zurückfahre. An der Uni-Mensa kann es passieren, dass ich da endlos lange Rot habe, obwohl kein anderes Auto unterwegs ist. Was ich toll finde: Es gibt keine Veranstaltung der AfD, die nicht massiv gestört wird. Ich bin da sehr konsequent. Wenn ich in einer Diskussion auf einen AfD-Wähler treffen würde, würde ich den zwar vielleicht fragen, wer ihm denn in den Kopf geschissen hat. Aber ich tendiere eher dazu, sofort den Raum zu verlassen.

Es ist kurz vor Weihnachten. Sie haben jetzt drei Wünsche frei.

Ich wünsche mir einen sehr schneereichen Winter im Schwarzwald, eine weltweit sehr hohe Impfquote. Und ich baue seit Jahren einen Lkw zu einem Expeditionsfahrzeug um, komme aber nicht so recht weiter. Deshalb wünsche ich mir, dass der endlich fertig wird und wir auf große Fahrt gehen können. Am besten von Russland aus durch den Kaukasus runter ans Meer und über Nordafrika, Portugal und Spanien wieder zurück.