Jakob Holterhöfer vom Tsunami-Club spricht über die Schließungen und über die Herausforderungen der vergangenen Monate.
Ein Gespräch über Indie-Rock, die Südstadt und die Nachbarschaft.
Köln – Die Clubs müssen in NRW wieder schließen. Sie haben den Tsunami Club in der Südstadt als einen der ersten am 27. August wieder geöffnet. Was waren die Herausforderungen zuletzt?
Holterhöfer: Die letzten Monate hatte ich ein bisschen Pech. Ich hatte zunächst gar kein Personal, das heißt ich habe sieben Tage die Woche im Büro gearbeitet, dann Freitag und Samstag bis 7 Uhr morgens Thekenschichten gemacht und sonntags auf die Kinder aufgepasst. Mittlerweile findet man wieder Leute. Außerdem hänge ich mit den Hilfsprogrammen immer hinterher. Ich betreibe mittlerweile sieben Unternehmen, die Hilfen zielen immer auf den letzten Berechtigten ab, also mich. Alles wird zusammengerechnet, und dann wird geschaut, was das Umsatzminus ist. Wenn das unter 30 Prozent liegt, dann gibt es gar nichts. Nichts für den Club, nichts für das Café Storch und ich darf alles aus eigener Tasche finanzieren.
Seit wann merken Sie im Club, dass die gesellschaftliche Stimmung angespannt ist?
Bis zum 11.11. lief es ganz gut. Seit den Bildern von der vollen Zülpicher Straße hat sich das komplett geändert. Letzte Woche haben wir eine Party mit acht Leuten gefeiert und einmal mit 25. Eine normale Tsunami-Auslastung liegt im Durchlauf zwischen 130 und 200 Gästen an einem Abend. Ab 50 Leuten ist es ungefähr kostendeckend: Ich muss einen Türsteher bezahlen, Thekenleute, DJ, die Garderobe.
Wie geht es nun mit den Mitarbeitern weiter?
Ich versuche, sie in meinen anderen Läden unterzubekommen. Ich habe noch das Café Storch und gerade noch das Osters Rudi in Nippes übernommen. Das ist was ganz anderes, eine richtige Kölschkneipe im Brauhausstil, Speisegastronomie mit Kegelbahn.
Die Gastronomie hat unter der Pandemie sehr gelitten und die Krise ist längst nicht ausgestanden. Man könnte sich ja wundern, dass Sie trotzdem die Motivation aufbringen und ein weiteres Lokal eröffnen.
Die Gelegenheit war günstig. Ich hatte schon immer den Plan, meinen Gastronomiezweig auf ein neues Level zu heben und der neue Laden ist mit 300 Quadratmetern erheblich größer als das, was ich bisher in dem Bereich gemacht habe. Das hat ein enormes Umsatzpotenzial. Das ständige Auf und Zu ist natürlich stressig. Aber eigentlich mache ich Gastro gerne.
Kölner Tsunami Club: Ist die Südstadt ein Ausgehviertel?
In der Südstadt ist das Tsunami der einzige Nachtclub. Wie lebt es sich mit diesem Alleinstellungsmerkmal?
Hier in der Straße Im Ferkulum ganz gut. Viele Leute laufen in Richtung der Bar Schnörres, gegenüber haben wir noch die Wodkabar Kajtek und dann noch eine Weinbar. Auffällig ist, dass seitdem alles wieder offen hat, es vermehrt Beschwerden gibt. Normalerweise sind die Nachbarn tolerant, aber sie waren anderthalb Jahre an Ruhe gewöhnt. Mir ging es auch so: In der Pandemie bin ich auf den Friesenwall gezogen, eine schöne ruhige Straße in der Stadt. Als alle öffneten, bin ich direkt wieder umgezogen, es wurde mir zu laut.
Also haben Sie auch Verständnis für die möglicherweise größere Lärmempfindlichkeit?
Die Gastronomen am Friesenwall waren vor mir da. Dann ziehe ich eben weg. Ich kann nicht nachvollziehen, wenn die Leute sich beklagen, aber wissen, der Laden war schon immer da. Im Café Storch kommt regelmäßig die Polizei, die stellt dann fest, es ist gar nicht laut. Manchmal vertun sich die Leute mit dem Laden.
Wie bewerten Sie die Südstadt als Ausgeh-Viertel, für wen ist sie attraktiv?
Für Leute, die genug Geld haben, jeden Tag schick essen zu gehen, etwa entlang der Alteburger Straße. Es gibt ein paar In-Kneipen, es ist aber nicht mehr so das klassische Ausgehviertel Kölns. Das konzentriert sich woanders. Wenn Ehrenfeld-Hopping ist (alle Clubs in Ehrenfeld kann man mit demselben Ticket besuchen, Anm. d. Red.) dann ist die Südstadt tot, und zwar richtig.
Man sagt, Konkurrenz belebt das Geschäft. Würden jetzt hier in der Nähe zwei, drei kleinere Clubs aufmachen: Wäre das dann gut für Sie?
Das wäre vermutlich ganz gut, wenn für jeden Geschmack was dabei ist. Wenn ein Hotspot viele Leute zieht, dann gewinnt man für gewöhnlich mehr Publikum. Wenn man sich am Barbarossaplatz das Blue Shell, das Luxor, Stereo Wonderland und Veedel Club sieht: die befruchten sich gegenseitig.
Vergangenen Mittwoch fand hier die (vermutlich) letzte Party statt: Zwei Stunden Indie, von 21 bis 23 Uhr. Was ist so reizvoll an der „Turbo“-Party?
Die Leute finden es cool, dass es ein kurzes Snack-Format ist, wo wirklich Hit für Hit gespielt wird. Die Meute tanzt zwei Stunden lang durch. Die Leute mögen es, sich auszupowern als Alternative zum Fitnessprogramm. Die Leute trinken ganz gut an dem Abend, das lohnt sich mehr als manche Wochendparty, die stundenlang läuft.
Der Tsnuami-Club und ein paar wenige Lokale in Köln halten die Indie-Rock-Fahne noch hoch: Die Blütze-Zeit war in den Nullerjahren. Im Gebäude 9 finden Konzerte im größeren Rahmen als hier statt, im Stereo Wonderland wird auch gern Indie-Rock aufgelegt.
Das Tsunami war immer schon ein Ort der Nische. Nachdem es den Rose Club an der Luxemburger Straße nicht mehr gibt, fühlen wir uns schon wie der letzte verbliebene Indie-Schuppen Kölns. Im Gebäude legen teilweise auch dieselbe Leute auf wie hier. Dass die Zielgruppe mittlerweile nicht mehr so riesig ist, finde ich ganz komfortabel. Hier passen so 160 Leute rein, die findet man eigentlich immer.
Zur Person und zum Club
Jakob Holterhöfer ist 37 Jahre alt, wurde in Polen geboren und lebt seit 25 Jahren in Köln. Neben dem Tsunami Club, den er 2018 übernommen hat, betreibt er seit 2017 das Café Storch an der Aachener Straße sowie neuerdings die Kneipe Osters Rudi in Nippes. Als gelernter Fachinformatiker betreibt er unter anderem eine Webagentur. Holterhöfer hat vier Kinder.
Den Tsunami Club gibt es seit 2004. Die Clubgeschichte reicht jedoch laut Holterhöfer bis in die Sechzigerjahre zurück. Bevor er das Tsunami übernahm, wurde es von Leuten aus dem Kollektiv der Südstadt-Kneipe „Lotta“ betrieben. Holterhöfer erzählt, dass Herbert Grönemeyer mit seiner Jazzband in den Achtzigern hier aufgetreten sei. (gam)
Indie-Rock im Kölner Club Tsunami
Von 2000 bis 2010 waren Indie-Rock-Bands total im Trend. Es gab die Welle der sogenannten „The“-Bands. Sind die Gäste von damals jetzt einfach älter geworden?
Die Leute sind häufig Mitte 30, weil die goldene Zeit bis etwa 2010 ging, es verirren sich aber auch ein paar Jüngere her. Das sind dann an Musik Interessierte. Die Indie-Szene produziert ja nach wie vor einige schöne Perlen und es gibt Musikredakteure, die sich damit befassen.
Indie-Rock war zu der Zeit sehr nah am Mainstream. Was sind denn in der jetzigen Szene die Trends?
Weiß ich gar nicht so. Ich hänge einfach in der Vergangenheit fest, ich höre immer noch den 2000-er Indie. Wir haben schon auch die hittigeren Partys. Die Leute wollen den alten Kram hören, weil es den sonst gar nicht mehr gibt. Seit ich den Club übernommen habe, habe ich auch aufgehört, mich mit Musik zu beschäftigen, da ich auch noch andere Firmen habe. Der Club ist sozusagen mein Abend-Hobby.
Informatiker und Gastronom: Passt das?
Sie Sind Informatiker, betreiben eine Webagentur, aber gleichzeitig auch Lokale – eine eher unübliche Kombination. Wollten Sie schon immer in die Gastronomie?
Eigentlich nicht. Als Melancholiker habe ich einfach meine Jugend gekauft. Die Orte, die ich übernommen habe, richten sich an sehr spezielle und auch etwas „verlorene“ Menschen. Für mich sind das erhaltungswürdige Wohlfühlspots. Das strukturierte Denken eines Fachinformatikers ist in der Gastro tatsächlich sehr hilfreich. Man ist einfach gut in Prozessoptimierung.