Schock-Werner über die Ringe„Die Zustände sind skandalös und gesundheitsgefährdend“
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Taubenkot, Dreck, verschmierte Wände und Scheiben: Die KVB-Haltestelle Hansaring ist eine Zumutung, findet Kölns frühere Dombau-Meisterin Barbara Schock-Werner
Auch an anderen Stellen von Kölns einstiger Prachtstraße sieht es nicht besser aus.
Doch wer ist verantwortlich für den desolaten Zustand der Ringe?
Köln – Die Ringe haben keine Priorität, lese ich im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Seltsam, denke ich. Wer sagt das? Die Kölnerinnen und Kölner etwa, die hier täglich flanieren, radeln oder an den verschiedenen Haltestellen der KVB ein- und aussteigen? Nein, es ist der Baudezernent der Stadt, Markus Greitemann, der dieses schwerwiegende Urteil über eine der wichtigsten innerstädtischen Trassen Kölns fällt.
Was einmal als Abbild oder Nachfolge der Wiener Ringstraße konzipiert war, das verkommt vor unser aller Augen. Am Beispiel der U- und S-Bahn-Haltestelle Hansaring habe ich die buchstäblich ekelhaften Zustände vor wenigen Monaten geschildert. Das Verbindungsstück zwischen dem KVB-Halt Hansaring im Untergrund zur S-Bahn, die auf ihrer Hochtrasse den Hansaring quert, wurde 1990 durch Manfred Stein sehr ansprechend und farbenfroh gestaltet, danach aber schnell vergessen. Die KVB reinigte unten in ihrem Bereich, die Bahn oben. Doch für die Mitte auf der Straßenebene zeigte sich keiner recht verantwortlich.
Die große Resonanz auf meine Kritik hat mir gezeigt, dass ich offensichtlich nicht an Überempfindlichkeit leide. Zudem hatte die Stadt selbst die Frage der Prioritäten noch vor wenigen Jahren ganz anders eingeschätzt. Aufräumarbeiten an der Haltestelle Hansaring wurden von der damaligen „Stadtraummanagerin“ mit nicht geringem Aufwand an Publicity als Musterbeispiel und Modellprojekt gepriesen. Dazu sei eigens das „Stadtbildforum“ gegründet worden, war zu lesen.
Wer so etwas ins Leben ruft und großspurig propagiert, bleibt doch auch in der Verantwortung. Sollte man meinen. Doch nach fünf Jahren ist von einem Modellprojekt nichts geblieben außer dem abschreckenden Beispiel. Der Dreck ist skandalös. Die von Taubenkot verschmierten Wände, Scheiben und Lampen sind für jeden Passanten eine wirkliche Zumutung – an manchen Stellen würde ich sogar von Gesundheitsgefährdung sprechen.
Kölscher Reflex
Meine Nachfragen wurden mit dem – wie ich es nennen würde – kölschen Reflex beantwortet: Die Zuständigkeiten, die Zuständigkeiten. Die machen alles ach, so schwierig! KVB, Bahn, Verkehrsdezernat, Stadtreinigung… Alle sollen, jeder würde wollen, aber keiner kann. Ich mag das nicht mehr hören. Es handelt sich bei den Beteiligten doch sämtlich um Institutionen, die von uns – den Bürgerinnen und Bürgern – finanziert werden. Sollten sie wirklich so verkrustet und ausschließlich mit ihren eigenen Interessen beschäftigt sein, dass sie völlig unfähig zur Zusammenarbeit sind?
Zuverlässig weiß ich, dass nicht alle Verantwortlichen sich mit dem bedauernden, aber folgenlosen Hinweis auf das Kompetenz-Wirrwarr zufrieden geben wollen. Und ich bin mir ganz sicher: Bekämen Sauberkeit und ein einladendes Ambiente an einem der wichtigsten Knotenpunkte des ÖPNV so etwas wie Priorität, dann könnte, ja, dann müsste etwas passieren.
Sicher bin ich mir auch, dass die Bürger und die auswärtigen Besucher der Stadt, von denen nicht wenige mit der S-Bahn am Hansaring ankommen, aufmerksam registrieren, wie es dort aussieht. Wann aber ist für die Stadt wohl der richtige Zeitpunkt dafür? Oder anders gefragt: Auf welchen anderen Aufgaben liegt so große Dringlichkeit, dass die Ringe dafür permanent zurückstehen müssen?
„Mit der Hohe Straße geht es auch bergab“
Die Hohe Straße zum Beispiel kann es nicht sein. Mit der geht es schließlich auch immer weiter bergab. Stattdessen vielleicht die Via Culturalis in der Innenstadt? Die kann doch erst richtig angelegt werden, wenn irgendwann die Großbaustelle Laurenzquartier abgeschlossen sein wird. Sind es gar die Parkstadt Süd oder der Deutzer Hafen, auf die alles Augenmerk der Stadt gerichtet sein muss? Sollte das die Fernperspektive sein, dann sehe ich für die nahe Zukunft der Ringe tatsächlich schwarz.
Ein Modellabschnitt wurde vor Jahren angelegt, ist aber schon heute kaum mehr als solcher zu erkennen, geschweige denn dass er wirklich zur Wunschvorstellung für das gesamte Straßenbild geworden wäre. Stattdessen lässt die Stadt es zu, dass am Rudolfplatz unförmige Klötze in den Himmel wachsen, die das Hahnentor schier erdrücken. Und ernsthaft denkt man über ein Haus am Friesenplatz nach. Das besagte Gesamtbild, der Linienfluss der Bebauung scheinen niemanden zu interessieren.
Die Ringe waren einmal eine Kölner Prachtstraße, ein innerstädtisches Prunkstück. Sie sollten wieder den ihnen gebührenden Stellenwert bekommen – und zwar nicht irgendwann, sondern sofort.