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Lernen am BauzaunWarum Baustellen in Köln auch positive Seiten haben

Lesezeit 5 Minuten
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Ein goldenes Band hält Texte und Bilder optisch zusammen.

  1. Köln ist eine Stadt der Baustellen, einige von ihnen bringen aber nicht nur Dreck und Lautstärke, sondern liefern wertvollen Mehrwert.
  2. Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
  3. Diese Woche geht es aber ausnahmsweise um die Stadt Köln und ihre Besonderheiten.

Köln – Fast ein Dreivierteljahr habe ich Ihnen nun Woche für Woche von „Dom-Geheimnissen“ erzählt. Dank Ihrer vielen Fragen ist uns der Stoff noch längst nicht ausgegangen. Aber ich dachte, es wäre an der Zeit, mich nun auch mal wieder der Stadt Köln mit ihren gar nicht so geheimnisvollen Besonderheiten zuzuwenden und sowohl das Lobenswerte wie das Kritikwürdige „auf den Punkt“ zu bringen.

Köln ist eine Stadt der Baustellen

Bürger hassen Baustellen. Das ist einfach so, obwohl eine Baustelle an sich ja nichts Schlechtes ist. Wo gebaut wird, geschieht schließlich etwas. Gerade die Kölnerinnen und Kölner müssen sich darüber im Klaren sein: Ihre Stadt war immer eine Stadt der Baustellen. Manchmal war ganz Köln im Grunde eine einzige Baustelle.

Im 12. Jahrhundert zum Beispiel wurde nicht nur an allen romanischen Kirchen gewerkelt, sondern zeitgleich auch eine neue Stadtmauer errichtet. Ähnlich sah es im 19. Jahrhundert bei der gewaltigen Erweiterung der Stadt mit den damit verbundenen Verkehrserschließungen aus. Ein logistisches Riesenunternehmen stellte schließlich auch der Abriss der Stadtbefestigung dar, die ja weit mehr war als eine Mauer, sondern ein ganzer Ring von Wallanlagen, Kasernen und Forts rund um die Stadt.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Schönere Bauzäune am Roncalliplatz in Köln

Nun hilft diese Erkenntnis den Bürgern herzlich wenig, wenn Baustellen den Verkehr aufhalten, Dreck und Lärm verursachen oder auch einfach nur einen hässlichen Anblick bieten. Schäbige Bauzäune – ob als Gitter oder schwarz angestrichene Bretterverschläge – tragen eben nicht gerade zur Verschönerung des Stadtbilds bei.

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Die gesamte Front zum Roncalliplatz hin bietet eine Geschichte der Stadt Köln in Kurzform.

Aber seit dem vorigen Jahr zeigt Köln, dass es auch anders geht. Das fing mit dem Zaun um den Neubau des Domhotels am Roncalliplatz an. Schon 2017 hatte Peter Pauls, der frühere Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, angeregt, die unansehnlichen Sichtblenden irgendwie attraktiv zu gestalten.

Projektentwickler Turadj Zarinfar macht Köln schöner

Inzwischen sind dort lange weiße Folienbahnen angebracht. Darauf werden natürlich die am Projekt beteiligten Firmen genannt, und man kann auch sehen, wie das neue Domhotel einmal aussehen soll. Vor allem aber bietet die gesamte Front zum Roncalliplatz hin eine Geschichte der Stadt Köln in Kurzform. Ein goldenes Band hält Texte und Bilder optisch zusammen.

Mit Hilfe von QR-Codes kann man sich eine englische Fassung aufs Smartphone oder das Tablet holen. Alles ist in der Dunkelheit auch eigens beleuchtet, und obwohl gleich in der ersten Woche jemand die LED-Installation herausgerissen hatte, funktioniert es seitdem bestens.

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Ausgedacht hat sich das Ganze der Projektentwickler Turadj Zarinfar, den ich als einen historisch sehr interessierten Mann kennengelernt habe. Was er da in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum, dem Stadtarchiv und der Dombauverwaltung zustande gekriegt hat, ist so professionell gemacht und man erfährt so viel, dass ich auch ausgemachten Köln-Kennern ohne Zögern empfehle, sich das einmal anzusehen.

Auch für Köln-Kenner lohnenswert

Es sind Bilder und Episoden aus der Stadtgeschichte dabei, die ich – ganz ehrlich – auch noch nicht kannte. Wissen Sie zum Beispiel, welche Verbindung die sagenumwobene Spionin Mata Hari, der Gitarrist Jimi Hendrix oder die Pop-Art-Ikone Andy Warhol zu Köln haben? Kommen Sie einfach mal gucken!

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Auch am Kölner Dom gibt es Info-Tafeln

Ich habe mich am Bauzaun unter anderem über die „Befreiungsfeier“ am 31. Januar 1926 informiert, die nach dem Abzug der britischen Besatzungstruppen rund um den Dom begangen wurde. Der Platz erstrahlte von einem Meer von Glühbirnen. „Um Mitternacht schlug die Petersglocke, und Oberbürgermeister Konrad Adenauer hielt eine flammende Rede“, ist da zu lesen. Ein Live-Bericht vom Geschehen wurde im Westdeutschen Rundfunk ausgestrahlt – als erste Radiosendung, die weltweit empfangen werden konnte. Spannend, oder?

Der Erfolg gibt dem Initiator recht: Selbst bei schlechtem Wetter stehen immer Leute am Zaun, Einzelne und in Gruppen. Wenn die Sonne scheint und die Temperaturen steigen, sind die Bretterwände manchmal regelrecht umlagert. So ist ein – wie man das heute nennt – stadtgeschichtlicher Lernort entstanden, der seinesgleichen sucht: Schlauer werden auf der Baustelle! Das finde ich genial. Und fast möchte man sich wünschen, dass die Folien nach dem Ende der Bauarbeiten an anderer zentraler Stelle wieder aufgehängt werden. Wie wär’s zum Beispiel mit dem benachbarten Laurenz-Carré, falls daraus zu guter Letzt dann doch mal etwas werden sollte?

Wo Sie noch an Baustellen lernen können

Bauzäune zum Lernen gibt es in der Innenstadt aber noch mehr. Einer umgibt derzeit das Domforum, das ja komplett saniert und umgestaltet wird. Hier gibt es auf der Seite zum Dom sowie Unter Fettenhennen Texte und Bilder über die Domgeschichte, die Ausstattung des Doms und die Arbeit der Dombauhütte. Dazwischen befindet sich auch noch eine religiöse Themenecke, die sicher auch sehr interessant ist. Aber für Glaubensverkündigung bin ich ja nicht zuständig. Das aufwendig gestaltete Projekt insgesamt vermittelt Wissen und macht zugleich die Baustelle erträglicher.

Der dritte Ort ist das Areal zwischen Rathaus und Wallraf-Richartz-Museum, wo über den Ausgrabungen der mittelalterlichen Mikwe das neue Jüdische Museum entsteht. Als „MiQua“ (Museum im Quartier) soll das Haus neben der Geschichte jüdischen Lebens in Köln ja auch die Historie dieses Bezirks nachzeichnen, der seit der Römerzeit immer das Herz der Stadt war. Darauf geht schon jetzt die Gestaltung des Bauzauns ein.

Großer Effekt, kleine Kosten

Die Besonderheit hier sind die QR-Codes, über die vertiefende Information zu diversen Themen abrufbar sind. Zum Beispiel wird der jüdische Gelehrte Ascher Ben Jechiel (um 1250 bis 1327) als „Influencer aus dem Mittelalter“ vorgestellt, der von Köln aus durch halb Europa zog, sein umfassendes Wissen teilte und wesentlich zu einer Belebung des Talmud-Studiums beitrug.

Wenn man bedenkt, dass so oder so ähnlich gestaltete Zäune im Verhältnis zur gesamten Bausumme nur minimale Kosten verursachen, lautet mein Tipp an Investoren und Bauherren: Überlegen Sie sich für alle künftigen Baustellen in der City doch auch so etwas!

Aufgezeichnet von Joachim Frank