Schock-Werner zu Kölner SchandfleckenDeutsche Bahn lässt Brücke vergammeln
- In 100 Folgen „Auf den Punkt“ hat Barbara Schock-Werner über Orte in Köln geschrieben. Zeit, Bilanz zu ziehen. Hat sich etwas verändert?
- Wir haben einige der Orte noch einmal besucht. An manchen hat sich viel getan. An anderen Stellen hingegen scheinen alle Appelle an den Verantwortlichen abzuprallen.
- Ein Beitrag von Barbara Schock-Werner, aufgezeichnet von Joachim Frank.
Köln – Immer nur über Köln meckern, ist zu einfach. Und manchmal auch einfach unfair. Denn manchmal passiert ja etwas auch in dieser Stadt. Wir zeigen, was sich an den Orten, über die Barbara Schock-Werner in 100 Folgend geschrieben und bisweilen geschimpft hat, verändert hat – oder eben auch nicht. Auszüge aus ihren damaligen Kolumnen sind mit kurzen Texten zur aktuellen Lage kombiniert. Wir unterteilen die Beiträge in Erfolgsgeschichten, Ärgernisse und Fälle, die nochmal vorgelegt werden müssen.
Erfolgsgeschichte: Ebertplatz
6. Juni 2018: „Denkmalschutz ist nicht dafür da, Bauten zu bewahren, die gegenwärtig ohnehin alle schön finden, sondern die für ihre Zeit charakteristisch sind. Denkmalschutz ist auch keine Käseglocke, unter der sich bis in alle Ewigkeit nichts mehr ändern dürfe. Intention der Stadtplaner vor 40 Jahren war es, den Platz mit seiner leichten Senke aus dem Trubel und Lärm des umgebenden Verkehrs herauszunehmen. Die Menschen sollten sich auf diesem Platz wohlfühlen – und wie er ursprünglich angelegt war, konnten sie das auch. Die Behauptung, dieser Platz habe nie funktioniert, ist schlicht eine Lüge. Aber dann setzte der Köln-typische Verfall ein. Der Platz verlor erst seine Attraktivität und dann seine Lebendigkeit. Wenn ein Platz optisch verwahrlost, verwahrlost er auch sozial. Genau das ist hier passiert. Aber das ließe sich rückgängig machen. Statt den Platz verschwinden zu lassen, könnte man ihn der Gesellschaft wiedergeben. Natürlich haben die Stadtplaner der 70er Jahre Fehler gemacht. Da sind Korrekturen notwendig. Das heißt aber nicht, dass der Platz als ganzer eine Fehlplanung gewesen wäre.“
Heute: Keine fremden Lorbeeren: Es ist gewiss nicht mein Verdienst, dass der Brunnen, den der Künstler Wolfgang Göddertz als „kinetische Plastik“ entworfen hat, repariert und im Juli 2018 wieder in Betrieb genommen wurde. Ich sehe den sicht- und spürbaren Erfolg des Bemühens der Stadt und vieler Bürger lediglich als Bestätigung für meine damalige Forderung: den Ebertplatz nicht einfach abschreiben und seine Gestaltung als Geschmacksverirrung der 1970er Jahre abtun! Seit der Brunnen sprudelt und neue Sitzgelegenheiten zur Verfügung stehen, ist der Platz wieder belebt und beliebt. An einem sonnigen Tag sind die glitzernden Kaskaden aus mit den kreisförmigen Brunnenöffnungen auch ästhetisch eine Wucht. Die seit 15 Jahren defekten Rolltreppen sind inzwischen Teil von Kunstinstallationen. Eine befriedigende Lösung für die Zu- und Abgänge und eine – hoffentlich – etwas anspruchsvollere Bepflanzung werden dem Platz sein Schmuddelecken-Image noch weiter nehmen, ob nun mit oder ohne Denkmalschutz. Zuschütten und planieren, wie hier und da gefordert, muss man den Ebertplatz aber ganz sicher nicht.
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Erfolgsgeschichte: Römermauer
10. Oktober 2016: „Auf der Krone der Römermauer am Stadtmuseum haben Buschwerk und junge Bäume Wurzeln geschlagen. Ein großer Wurzelstock ist offenbar mal abgehauen, der Stumpf aber an Ort und Stelle belassen worden. Auf der zur Burgmauer hin gelegenen Seite geht es mit Wildwuchs und den Schäden am Mauerwerk noch, aber wenn man einmal um die Mauer herumgeht auf die andere, einst der freien Fläche außerhalb der Stadt zugewandte Seite, dann ist das dort wirklich kein Spaß mehr. Man sieht an den Verwerfungen in der Mauer ganz gut, wohin es führt, wenn man dem Pflanzenwuchs seinen Lauf lässt. Der Belag ist zum Teil hochgehoben und bereits stark angegriffen. Um noch größere Schäden zu vermeiden, sollte der Bewuchs schleunigst verschwinden. Die erforderlichen Arbeiten müssten danach regelmäßig wiederholt werden.“
Heute: Der erschreckende Zustand war Anlass, den „Förderverein Römische Stadtmauer Köln“ zu gründen. Schnell kam Geld für die Sanierung zusammen, die schon nach einem Dreivierteljahr abgeschlossen war. Darüber hinaus begutachtet jetzt ein Steinrestaurator die Mauer zweimal im Jahr, um eventuelle neue Schäden oder keimende Pflanzen dann sofort zu beseitigen. Gleichzeitig hat der Förderverein in Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Grundlagen für die Sanierung des Römerturms erarbeitet. Reinigung und Sicherung dieses „Prachtstücks“ werden fortgesetzt. Nächstes Ziel ist es, das höchste Stück der antiken Stadtmauer am Mühlenbach, das jüngst durch Vandalen beschmiert wurde, zu sichern und zu sanieren. Öffentliche Mittel sind zugesagt. Aber es braucht noch finanzielle Hilfen möglichst vieler engagierter Kölner.
Erfolgsgeschichte: Bahnhof Belvedere
4. Juli: 2018: „Seit Jahren wird ergebnislos über eine dicht am Bahnhof Belvedere, dem wahrscheinlich ältesten Bahnhof Deutschlands, stehende Platane gestritten. Ihre Wurzeln gefährden das Fundament, herabfallende Äste das Dach und die Mauern. Gefällt werden darf der Baum aber nicht. Bevor sich bei allen, denen der Erhalt des Bahnhofs am Herzen liegt, der Frust breitmacht, sage ich: Diese Posse muss ein Ende haben.“
Heute: Nach langem Gezerre hat die Stadt nun eine Kompromisslösung gefunden. Die Platane bleibt erhalten, und ihre Wurzel wird mit einer Betonbrücke im Fundament des Gebäudes überbaut. So können jetzt endlich die Sanierungsarbeiten und der Bau des Zugangsgebäudes beginnen. Mit etwas Glück wird das können sie das Gebäude dann in zwei bis drei Jahren sinnvoll nutzbar sein. Ganz glauben mag ich es noch nicht. Aber die Hoffnung habe ich.
Ärgernisse: Große Neugasse, Südbrücke und Alte Trauerhalle Melaten
Ärgernis: Große Neugasse
24./26. Juni 2017: „Besucher des »Senftöpfchens« kennen die Große Neugasse. Was die Stadt Passanten hier zumutet, ist aber mitnichten eine Komödie, sondern vielmehr ein echtes Trauerspiel. Das Pflasterdesaster betrifft nicht nur den Gehweg, sondern ebenso die Fahrbahn, auf die so mancher Fußgänger wegen der Enge ausweicht. Hier ist ein schwarzes Steinpflaster verlegt, das sich im Zustand fast völliger Auflösung befindet.“
Heute: Leider hat sich an dieser Stelle überhaupt nichts zum Positiven verändert. Im Gegenteil: Es fehlen noch mehr der schwarzen Pflastersteine, die Krater haben sich vermehrt. Mit dem Fahrrad kann man diese Strecke nur mit höchster Konzentration befahren. Fußgänger, die wegen der hohen Fluktuation auf dieser Strecke – eine der Hauptverbindungen zum Rhein – auf die Fahrbahn ausweichen müssen, seien vor verstauchten Knöcheln gewarnt.
Ärgernis: Südbrücke
29./30. März 2018: „Dass mein Herz für Baudenkmäler schlägt, das wissen Sie. Und wenn Sie meine Kolumne verfolgen, dann wissen Sie auch, wer dieses Herz am meisten bluten lässt: die Deutsche Bahn, die wirklich jeglichen Sinn für die Pflege ihrer historischen Architektur vermissen lässt. Am Beispiel der vergammelten Südbrücke und ihrer zur reinsten Müllhalde verkommenen Umgebung habe ich das mehrfach beklagt.“
Heute: Es ist schon bemerkenswert, wie alle Appelle an den Verantwortlichen abprallen. Das Bild, das die Südbrücke abgibt, ist so trostlos wie eh und je. Es hat den Anschein, als wollte man bis zur Bebauung des Deutzer Hafens warten, die zu einer weiteren Aufwertung der Brücke führen wird. Dieses Hinhalten ist eigentlich nicht einzusehen. Nur: Wie die Bahn zum Handeln bewegt werden könnte, dazu fällt mir beim besten Willen nichts mehr ein.
Ärgernis: Alte Trauerhalle Melaten
22.August 2017: „Der frühere Oberbürgermeister und Kölner Ehrenbürger Norbert Burger, dem die alte Trauerhalle auf Melaten aus dem 19. Jahrhundert sehr am Herzen lag, bestimmte, dass anlässlich seiner Beisetzung für Erhalt und „Wiederbelebung“ des maroden Gemäuers gesammelt werden sollte. So kamen 2012 fast 20 000 Euro zusammen. Sie liegen seit fünf Jahren unangetastet auf einem Konto. Es geschieht nichts.“
Das Objekt scheint aufgegeben, selbst um die notdürftigen Abdeckungen kümmert sich niemand. Der Versuch, die Halle einem Investor zu verkaufen, ist offenbar gescheitert. Der Förderverein hat sich entschlossen, das für die Sanierung vorgesehene Geld nun einem anderen Zweck zugute kommen lassen. Das ist – im Wortsinn – ein Trauerspiel für die Stadt Köln, sowohl im Umgang mit ihren Baudenkmälern als auch mit ihren engagierten Bürgern.
Auf Wiedervorlage: Melaten und Leihärder in Köln
Auf Wiedervorlage: Melaten
18./19. April 2019: „Kolumnisten im Doppelpack – das ist für mich eine Premiere. Aber als Jürgen Domian mir sein Leid über die Zustände auf dem Friedhof Melaten klagte, habe ich gesagt: Das schauen wir uns zusammen an. (...) Am »Hippodrom«, das wegen seiner langgestreckten, ovalen Wegführung so heißt, bietet sich ein barbarischer Anblick: ein Baumstumpf am anderen. »Wohin man auch blickt, nur Kahlschlag«, sagt Domian.“
Heute: Das Grünflächenamt will dem jahrelangen Wildwuchs künftig anders beikommen. Man könnte die Taxushecken zum Beispiel stufenweise zurückschneiden. Das dauert zwar länger, wäre aber optisch besser zu ertragen. Gut finde ich, dass Hinweistafeln jetzt über das Vorgehen informieren. Zu loben ist außerdem die gelungene Sanierung der Friedhofsmauer an der Aachener und der Piusstraße. Sie ist der Würde von Melaten angemessen
Auf Wiedervorlage: Leihräder
22. Oktober 2018: „Am Hauptbahnhof knubbeln sich auf dem Vorplatz Dutzende Leihräder. Bei 50 habe ich mit dem Zählen aufgehört. Genau das gleiche Bild bot sich mir auf dem Breslauer Platz. Mit dieser Meckerei mache ich mir bestimmt keine Freunde im ökologisch korrekten Milieu. Aber trotzdem: Für mich sind diese Pulks von Leihrädern eine Form, den öffentlichen Raum zu verschandeln – die reinste Stadtradvermüllung.“
Heute: Leihräder sind etwas für die autofreie Stadt sehr Sinnvolles. Inzwischen wurde ihre Zahl am Hauptbahnhof verringert. Auch hat die Stadt zusätzliche Stellplätze eingerichtet. Aber es gibt immer noch Radler, die sich nicht scheuen, selbst die Domportale als Abstellplatz zum missbrauchen. Und inzwischen machen die neuen E-Scooter die Stadt für Menschen mit Kinderwagen oder Rollatoren zusätzlich zu einem Hindernisparcours.
Das Buch zur Serie
Barbara Schock-Werners Kolumnen, soeben mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz ausgezeichnet, gesammelt in:Köln auf den Punkt II. Mit der Dombaumeisterin a.D. durch die Stadt, DuMont Buchverlag, 176 Seiten, 18 Euro.
Erhältlich auch im DuMont-Shop, Breite Straße 80-90