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Ex-DombaumeisterinDer Ebertplatz gilt als hässlichster Platz Kölns – zurecht?

Lesezeit 4 Minuten

Denkmalpfleger sehen den Ebertplatz als hervorragendes Beispiel der Architektur der 1970er Jahre.

Köln – So, und das soll nun also der hässlichste Platz Kölns sein? Während ich hier unter Bäumen auf einem Mäuerchen die Sonne genieße, sitzen mir gegenüber junge Frauen beim Imbiss. Andere sehe ich locker plaudern, ständig laufen Leute an mir vorbei. So fürchterlich kommt denen der Ebertplatz auch nicht vor.

Nach der hysterischen Diskussion, ob die Anlage aus den 70er Jahren unter Denkmalschutz gestellt werden sollte, muss ich mir jetzt doch mal Luft machen. Denkmalschutz – erste Feststellung – ist nicht dafür da, Bauten zu bewahren, die gegenwärtig ohnehin alle schön finden, sondern die für ihre Zeit charakteristisch sind. Das ist der Ebertplatz ganz sicher. Denkmalschutz – zweite Feststellung – ist auch keine Käseglocke, unter der sich bis in alle Ewigkeit nichts mehr ändern dürfe.

Einst ein Platz zum Wohlfühlen

Intention der Stadtplaner vor 40 Jahren war es, den Platz mit seiner leichten Senke aus dem Trubel und Lärm des umgebenden Verkehrs herauszunehmen. Die Menschen sollten sich auf diesem Platz wohlfühlen – und wie er ursprünglich angelegt war, konnten sie das auch. Auf alten Fotos sprudelt der hochoriginelle Brunnen von Wolfgang Göddertz. Kinder toben durch die Fontänen. Auf weißen Bänken rundherum sitzen die Mütter, alte Leute, Liebespärchen.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Die oktogonalen Beete waren mit Blumen bepflanzt, die Rolltreppen liefen. Die Behauptung, dieser Platz habe nie funktioniert, ist schlicht eine Lüge. Aber dann setzte der Köln-typische Verfall ein. Der Platz verlor erst seine Attraktivität und dann seine Lebendigkeit. Wenn ein Platz optisch verwahrlost, verwahrlost er auch sozial. Genau das ist hier passiert. Aber das ließe sich rückgängig machen. Statt den Platz verschwinden zu lassen, könnte man ihn der Gesellschaft wiedergeben.

Stadtplaner der 70er Jahre haben Fehler gemacht

Natürlich haben die Stadtplaner der 70er Jahre auch Fehler gemacht. Rolltreppen im Freien gehen kaputt, unterirdische Ladenpassagen sind kein Renner. Da sind Korrekturen wichtig und notwendig. Das heißt aber nicht, dass der Platz als ganzer eine Fehlplanung gewesen wäre. Im Gegenteil: Gut gepflegt, mit dem laufenden Brunnen, mit den Bänken hatte er Charme. Und heute sind auch die damals gepflanzten Bäume hochgewachsen.

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Egal, was an die Stelle des bestehenden Ensembles käme – ohne Pflege wäre die Situation in 30, 40 Jahren die gleiche wie heute. Die frühere Stadtkonservatorin Hiltrud Kier hat diese Woche in einer Diskussion zum heutigen Amtsinhaber Thomas Werner gesagt: „Wenn der Ebertplatz zugeschüttet werden sollte, Herr Werner, dann sorgen Sie dafür, dass das sorgfältig gemacht wird. Denn die nächste oder übernächste Generation wird ihn wieder ausgraben.“ Das finde ich wunderbar.

Der Ebertplatz als Beispiel des „Brutalismus“

Eine Schieflage in der Diskussion ist vielleicht auch durch bloße Begrifflichkeiten entstanden. Der Ebertplatz ist stilgeschichtlich ja ein Beispiel des „Brutalismus“. Das klingt schon mal ziemlich furchtbar. Eine brutale Architektur – wer soll denn so was erhalten wollen? Dabei bedeutet sowohl das englische Wort „brutalism“ als auch das französische „brut“, woraus im Deutschen der „Brutalismus“ wurde, nichts anderes als „roh“. Es ging den Architekten der 60er und 70er Jahre einfach darum, den als Baumaterial verwendeten Beton nicht mehr hinter Verkleidungen zu verstecken, sondern sichtbar zu lassen.

Wir finden das heute vielleicht nicht mehr schön. Aber genau deshalb hat der „Arbeitskreis Nachkriegsmoderne“ im Rheinischen Verein für Denkmalpflege eine Unterschutzstellung des Ebertplatzes angeregt, damit nicht die Generation der Söhne und Töchter nicht für hässlich erklärt und beseitigt, was die Generation der Enkel vielleicht schon wieder für ästhetisch attraktiv hält.

Arbeitskreis will den Platz nicht lassen, wie er ist

Niemand aus der Runde, die aus gutem Grund den Namen „Arbeitskreis Brutalismus“ vermieden hat, will den Ebertplatz so lassen, wie er heute ist. Ihn aber einfach aufzufüllen und zu planieren, dafür sieht der Arbeitskreis keinen Grund. Und ich auch nicht. Aber nie zuvor hat es den Fall gegeben, dass der Denkmalbehörde verboten wurde, über eine Unterschutzstellung auch nur nachzudenken. Daran sieht man, welche Emotionen hier mitspielen und was für ein Druck da zurzeit ausgeübt wird.

Ich rate dringend dazu, über die Zukunft des Ebertplatzes noch einmal in Ruhe und weniger hitzig zu diskutieren. Dabei muss natürlich überlegt werden, wie der Platz architektonisch und sozial neu erschlossen werden kann. Ich würde zum Beispiel vorschlagen, spiegelbildlich zu der flachen Rampe am Übergang zur Neusser Straße auf der anderen Seite des Platzes ein Gegenstück anzulegen, so dass Fußgänger und Radfahrer den Platz leicht und bequem queren können.

Für die Drogenszene kann der Ebertplatz nichts

Mit der Wiederinbetriebnahme des Brunnens, woran ja jetzt gerade gearbeitet wird, und einer Reihe neuer Sitzgelegenheiten bekäme der Platz sofort ein ganz anderes Flair. Und die Drogenszene? Nun, für die kann der Ebertplatz nichts. Da muss die Polizei – wie an jedem anderen Standort auch – ihre Arbeit tun.

Ebertplatz

Schon jetzt findet Barbara Schock-Werner den Ebertplatz nicht so hässlich, wie viele behaupten. Dass er weiter verschönert werden müsste, hält sie für selbstverständlich – zum Beispiel mit der Reparatur des Brunnens. 

Ich finde es klasse, dass der Bund Deutscher Architekten in Köln an diesem Mittwoch seinen Jahresempfang in die Ebertplatz-Passage gelegt hat, um mit den Anwohnern und allen interessierten Bürgern „einen ganz persönlichen Blick auf den Ebertplatz zu wagen“. Vielleicht ist so eine Feier mit Gesprächen bei einem Kölsch die beste Art, einen Raum neu zu entdecken, der meiner Meinung nach das Etikett „hässlichster von allen“ wirklich nicht verdient hat.