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Friedhof Melaten in KölnDas macht Jürgen Domian und Barbara Schock-Werner wütend

Lesezeit 7 Minuten
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Der Friedhof Melaten

  1. Kolumnist Jürgen Domain besucht oft das Grab seines Vaters. Die ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner hingegen ihr eigenes.
  2. Jetzt haben sie sich auf dem Friedhof Melaten getroffen. Aus einem ganz bestimmten Grund.
  3. Denn eine radikale Maßnahme der Stadt macht die beiden wütend.

Köln – Kolumnisten im Doppelpack – das ist für mich eine Premiere. Aber als Jürgen Domian mir sein Leid über die Zustände auf dem Friedhof Melaten klagte, habe ich gesagt: Das schauen wir uns zusammen an, am besten jetzt vor Ostern. Dann nämlich kommen bestimmt wieder besonders viele Besucher her, die Melaten genauso lieben wie Domian und ich. Dieser verwunschene Park ist für uns so viel mehr als ein Friedhof.

Zudem haben wir festgestellt: wir beide sind hier gewissermaßen Nachbarn. Domian besucht sehr oft das Grab seines Vaters, das ganz in der Nähe von meinem eigenen liegt. Manche Leute zucken zusammen, wenn sie das hören. „Wie können Sie nur?“, hat sogar mein früherer Stellvertreter gesagt und den Kopf geschüttelt, „mein Grab“.

Also, ich habe kein Problem mit dem Gedanken, dass ich irgendwann einmal hier liegen werde. Im Gegenteil: Es ist alles geregelt, meine Kinder werden keinen Stress haben – und ich eine schöne Ruhestätte, auf die ich mich jetzt schon freuen kann. Auch wenn ich da noch nicht so schnell rein möchte.

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Hunderte junge und gesunde Bäume abgesägt

Doch seit mein Mann hier liegt, komme ich noch regelmäßiger her als früher. Und da ist mir natürlich auch aufgefallen, worüber Domian sich fürchterlich aufregt: „Es wird geholzt, was das Zeug hält“, sagt er. „Ich gehe seit über 20 Jahren auf Melaten spazieren. Ich kenne dort jede Ecke. In diesen Jahren wurden Hunderte von jungen, gesunden Bäumen abgesägt. Das tut mir in der Seele weh. Es wurden in den letzten Jahren auch ungezählte Sträucher entfernt, darunter viele Holundersträucher. Das ist auch ein großer Verlust für Vögel und Insekten, denen das Strauchwerk Nahrung und Unterschlupf bietet. Zudem weiß man doch, dass Grünpflanzen CO2 binden. In Anbetracht der aktuellen Klimadiskussion finde ich es ungeheuerlich, Bäume, Sträucher und Gewächse einfach zu vernichten. Das vergällt mir die Freude am Spaziergang auf Melaten.“

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Barbara Schock-Werner und Jürgen Domian

Domian hat mir an einer ganzen Reihe von Stellen gezeigt, was er meint. Am sogenannten „Hippodrom“ zum Beispiel, das wegen seiner langgestreckten, ovalen Wegführung so heißt, bietet sich einem wirklich ein barbarischer Anblick: ein Baumstumpf am anderen. Genau wie in der Umgebung des berühmten „Sensenmanns“. Die von dem Bildhauer August Schmiemann für den Kaufmann Johann Müllemeister geschaffene Skulptur ist fester Bestandteil der Führungen auf Melaten. Viele enden sogar hier – mit einem, wie Domian sagt, „besonderen Bild des Schreckens“. Damit meint er aber nicht das steinerne Gerippe mit Sanduhr und Sense, sondern die gekappten, fast noch lebloser wirkenden Baumstämme: „Wohin man auch blickt, nur Kahlschlag. Und das auf Jahre. Hier hat die Stadt eine der prominentesten Stellen des Friedhofs übelst verschandelt.“

Masterplan für Melaten

So sieht es in der Tat aus. Aber warum nur? Um das zu herauszufinden, haben wir uns mit Manfred Kaune, dem Leiter des Grünflächenamts, und mit Jürgen Zach getroffen, dem für Melaten verantwortlichen Gärtnermeister der Stadt. Mit von der Partie war auch Josef F. Terfrüchte. Er war bis 2014 Geschäftsführer der Genossenschaft Kölner Friedhofsgärtner. Zachs Erklärung für die „brutalen Schnitte“ (Domian) hat einen Namen: das „Parkpflegewerk“. 2015 wurde dieser Masterplan für Melaten nach dreijähriger Vorarbeit des Landschaftsarchitekten Gerd Bermbach vom Fachausschuss Umwelt und Grün des Rats beschlossen und von den Denkmalschutz-Behörden abgenommen.

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Hunderte junge und gesunde Bäume wurden im Friedhof Melaten abgesägt.

Das Parkpflegewerk enthält eine exakte Bestandsaufnahme aller vorhandenen Gewächse auf Melaten und formuliert eine Zielvorgabe für Pflege und Neupflanzungen, die sich an der Historie der Friedhofsanlage orientiert. Flurstück für Flurstück ist beschrieben, wie es einmal werden soll. Ich wusste vorher nicht, dass es so etwas überhaupt, und ich finde es durchaus eindrucksvoll.

Baum-Alleen wie Säulengänge geplant

In ihren Ursprüngen, so erklärt man uns, waren die großen Baum-Alleen wie Säulengänge geplant. Das war aber wegen der dazwischen hochgeschossenen Eiben gar nicht mehr sichtbar. Über Jahre und Jahrzehnte hatte die Stadt Melaten ziemlich verkommen lassen. Das geben die heute Verantwortlichen selbst zu, auch wenn sie es mit dem Geist der 80er und der Ökobewegung erklären: Wachsen lassen, alles wachsen lassen, das sei damals die Devise gewesen. Josef F. Terfrüchte seinerseits erinnert sich an nervenaufreibende Diskussionen mit dem Grünflächenamt, das den Friedhofsgärtnern noch nicht einmal den Heckenschnitt rund um die von ihnen betreuten Gräber erlauben wollte. „Manchmal haben wir es trotzdem gemacht, und unsere Auftraggeber waren uns dankbar dafür.“

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Kein Wunder! Wenn man Taxus kleinhalten will, muss man ihn konsequent schneiden. Dort, wo weder Terfrüchte und seine Kollegen noch die Stadt tätig wurden, wucherten die tendenziell düsteren Taxus-Hecken also Meter um Meter in die Höhe und nahmen anderen Pflanzen das Licht. Die starke Beschattung führte zu verstärktem Moos-Bewuchs an den Grabmalen und zu Feuchtigkeitsschäden. Irgendwie kein Zustand.Zach und Terfrüchte haben uns im Gegensatz dazu einige vorbildlich gepflegte Stellen im Park gezeigt: Wo die Eiben regelmäßig beschnitten wurden, ist der gewünschte Kontrast zwischen niedrigen Hecken und hohen Bäumen schon deutlich ablesbar. Vor dem dunklen Grün der Hecken kommen die Grabmale optimal zur Geltung. Das ist schon ein toller Anblick, muss ich zugeben.Das Problem: Es wurde eben nicht überall so gemacht.

Abgesägte Bäume sollen wieder wachsen

So erklärt man auch den radikalen Einschnitt: Was so lange versäumt wurde, habe jetzt radikal vonstatten gehen müssen. Aber alles nur vorübergehend, beteuert Grünflächenamtschef Kaune. In nur wenigen Jahren würden die auf etwa 1,50 Meter abgesägten Eibenstämme neu austreiben und bald wieder zu Hecken zusammenwachsen. Domian bleibt skeptisch: „Mir tut es um jeden Baum leid, der gefällt wird, nur weil er nicht in irgendein Konzept in hinein passt. Und glaube den Versicherungen nicht, dass die Stümpfe schon in Kürze wieder begrünt sein werden. Wenn sie überhaupt ausschlagen, dann dauert das nach meinen Beobachtungen sehr viele Jahre.“ Er fürchtet, „dass Melaten bald nicht mehr unser Vorzeige-Friedhof ist, sondern ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man einem wunderbaren Ort die Seele raubt“.

„Köln Auf den Punkt II“ erschienen

Eine zweite Sammlung mit Barbara Schock-Werners besten Kolumnen als Buch ist soeben erschienen. „Köln auf den Punkt II“ enthält auch bisher unveröffentlichte Beiträge.

Barbara Schock-Werner und Joachim Frank, Köln auf den Punkt II. Mit der Dombaumeisterin a.D. durch die Stadt, Vorwort von Alice Schwarzer und Fotos von Csaba Peter Rakoczy, DuMont Buchverlag, 176 Seiten, 18 Euro. Erhältlich auch im DuMont-Shop, Breite Straße 80-90, und online: www.ksta.de/shop

Die Buchpremiere mit Barbara Schock-Werner und Joachim Frank findet am Mittwoch, 22. Mai, um 19 Uhr in der Kölner Zentralbibliothek, Josef-Haubrich-Hof 1, am Neumarkt statt. Eintritt: 8 Euro (ermäßigt 6 Euro). (jf)

Eines hat die Kritik schon mal bewirkt: Mit Hinweistafeln erklärt die Stadt ihr Vorgehen. Und bis zum nächsten Eibenschnitt will sie sich „ein bisschen Zeit lassen“. Der momentane Zustand sei „nicht schön, da sind wir uns einig“, sagt Manfred Kaune. Aber „das Bild wird sich bald wieder positiv verändern“, heißt es in dem laminierten Informationsblatt für die Besucherinnen und Besucher, das schon in diesen Tagen an den vom Rückschnitt betroffenen Stellen zu lesen sein wird.

Friedhof als Gartendenkmal

„Unser Ziel ist es, diesen Friedhof gemäß seiner Bedeutung als Gartendenkmal zu erhalten, schöner zu gestalten und Ihnen eine gepflegte Parkanlage zu bieten.Hierzu gehört unter anderem, eine Heckenstruktur wiederherzustellen, die diesen Friedhof in früheren Zeiten einmal geprägt hat.“ In den nächsten zwei bis drei Jahren würden sich „die dergestalt stark zurück geschnittenen Bereiche dank zahlreicher neuer Triebe zu kräftigen grünen Pflanzen entwickeln“. Ich schlage vor: 2021 oder 2022 treffen wir uns wieder und schauen, wer Recht gehabt hat.

Für ein anderes Manko hat auch Kaune keine wirkliche Erklärung: das weitgehende Fehlen von blühenden Sträuchern wie Forsythien oder Schneeball. Die sind übrigens im Parkpflegewerk – das Wort kann ich inzwischen unfallfrei aussprechen – sogar ausdrücklich vorgesehen. Der vorhandene Strauchbestand ist in der Artenvielfalt nämlich sehr stark reduziert. Das war im 19. Jahrhundert anders, haben wir uns erklären lassen: Friedhöfe waren nicht einfach triste Trauerorte. Es gab Blütensträucher und sogar Rosen, nicht bloß düsteren Taxus.

Wer weiß das schon in Köln

„Ich habe aber auf Melaten noch keine Neupflanzungen gesehen“, sagt Domian. Bis auf die Bäume in den Bestattungsgärten, die für mich die Perlen im Park sind.“ Das hat Herr Terfrüchte sichtlich gern gehört, der sich auf Melaten für die neue Art der Bestattung unter Bäumen sehr ins Zeug gelegt hat. Und auch er drängt darauf, dass anstelle der Taxus-Einöde zumindest hier und da Ziersträucher gepflanzt werden.

Ob das passiert – und wann? Wer weiß das schon in Köln. Aber Domian und ich halten die Augen offen, ganz bestimmt. Und wenn Sie beim Spazierengehen auf Melaten etwas Neues blühen sehen, dann, bitte, sagen Sie es uns!