Köln – Die meterhohen Mauern sind immer noch stacheldrahtbewehrt, das schwere, rote Eisentor mit einem Vorhängeschloss gesichert. Ansonsten erinnert am einstigen Hauptquartier der Kölner Hells Angels in Frechen nichts mehr an die wilden Zeiten vor dem Vereinsverbot im Mai 2012, als auf dem Gelände direkt an der A 4 nicht nur wilde Partys gefeiert, sondern auch kriminelle Machenschaften vorbereitet worden sein sollen. Das Haus ist mittlerweile verkauft, wirkt von außen aber verlassen.
Das Kapitel Hells Angels in Köln sollte durch das Verbot beendet werden. Die Realität zeigt, dass dies wohl nur auf dem Papier funktioniert hat. Am Donnerstag hat ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in Essen ein Mitglied der Hells Angels festgenommen. Der Verdächtige soll in der Nacht zum Rosenmontag in der Kölner Discothek „Nachtflug“ am Hohenzollernring zweimal in die Decke geschossen haben.
Der 33-jährige türkischstämmige Mann soll dem Angels-Ableger MC Nomads Turkey angehören. Mit anderen Höllenengeln hat er sich in der Disco um eine Frau gestritten – und wie selbstverständlich mit einer scharfen Pistole in die Luft geschossen. Der Vorfall zeigt, wie gefährlich die Hells Angels nach wie vor sind. Ihre Kutten dürfen sie zwar nicht mehr tragen, und sie posieren auch nicht mehr mit 120 Kumpels zum Gruppenfoto vor der Kölner Oper wie vor zwei Jahren. „Aber sie betrachten die Stadt auch weiterhin als ihr Revier“, räumt Norbert Wagner, Chef der Kriminalpolizei, ein. Zwar sind sie nicht mehr durch ihre Kluft und martialisches Auftreten erkennbar, aber weiterhin in alten Geschäftsfeldern aktiv, berichtet ein Insider: Prostitution, Waffen- und Drogenhandel sowie die Türsteher-Szene etwa an den Ringen – die kriminellen Machenschaften laufen in Köln weiter.
Trotz des Verbots der Kölner Höllenengel 2012 sind in der Region noch zahlreiche Rockergruppen und deren Unterstützer aktiv. Einige werden von der Polizei als kriminell eingestuft, andere gelten als unauffällig.
Köln (1): Der Motorradclub Gremium MC gilt als polizeilich unauffällig. Die Mitglieder von Median Empire sind hauptsächlich kurdischstämmig. Ihr Präsident war der Besitzer der Bar Bubble Lounge im Friesenviertel, auf die 2012 geschossen worden war. Die Gruppe ist laut Polizei vollkommen aus dem Stadtbild verschwunden. Die Iron Bulls gelten als „Streetgang“, unterstützen die Hells Angels.
Düren (2) und Bergheim (3): „Black Jackets“, „Streetgang“. Derzeit nicht in Köln aktiv.
Leverkusen (4): Die örtlichen Hells Angels und Bandidos sind aufgelöst. Die Red Devils gelten als Unterstützer der Hells Angels.
Gummersbach (5): Die Hells Angels gelten als unauffällig.
Rösrath (6): Die Bad Boys unterstützen die Hells Angels.
Allerdings in geringerem Maße, sagt ein Insider. Und genau dies könnte künftig noch zum Problem werden. Das weiß auch Wagner: „Im Moment herrscht relative Ruhe. Aber das wird nicht dauerhaft so bleiben, die Szene ist in Bewegung.“ Die Gefahr nämlich, dass andere Gruppen in das Machtvakuum vorstoßen könnten, ist nach Sicht zahlreicher Ermittler groß. Tatsächlich haben nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zuletzt verschiedene Gruppen versucht, in Köln Fuß zu fassen. Aber genervt von Razzien und Kontrollen, haben sich beispielsweise vor einigen Monaten die aus Norddeutschland stammenden Mongols schon wieder aus der Stadt zurückgezogen. Sie waren erst etwa ein Jahr zuvor nach Köln gekommen, um ihr Revier abzustecken. Auch die Black Jackets, eine besonders gewaltbereite Gang aus Süddeutschland, hat es in der Stadt schon versucht, aber vorerst wieder aufgegeben.
Als ärgste Konkurrenten der Hells Angels im Kampf um die Vorherrschaft in den Großstädten gelten nach wie vor die Bandidos. Ihre Stammregion in NRW ist das Ruhrgebiet, doch auch nach Köln streckten die Männer mit dem gelben Sombrero auf den Kutten ihre Fühler aus. Bis an die Zähne bewaffnet, fuhren sie mit ihren Motorrädern durch die Innenstadt.
Während eines Boxkampfes im Maritim-Hotel verhinderte eine Hundertschaft der Polizei eine Straßenschlacht mit eilig herbeigeeilten Hells Angels, die ihr Revier verteidigen wollten.
Doch nach allem, was man hört, sind sich auch die Höllenengel untereinander längst nicht mehr so grün wie noch vor Jahren. Der starke Zulauf von Migranten, häufig mit türkischem Hintergrund, scheint die Gruppe zu spalten. Von einem Richtungsstreit ist die Rede: Mit den neuen Mitgliedern und Unterstützergruppen scheinen teilweise traditionelle Regeln und Verhaltenskodizes aufzuweichen.
Vor allem die Gruppe MC Nomads Turkey sorgt für Diskussionen. Es ist der Club der berüchtigten ehemaligen Rotlicht-Größe Neco A., genannt „Der Pate von Köln“. Zuletzt hatten zwei mutmaßliche Nomads-Mitglieder in einem Bordell in der Hornstraße gewaltsam versucht, eine Prostituierte trotz Hausverbots wieder unterzubringen. Ein Ermittler sagte damals: „Diese Aktion war nicht mit dem Rest der Gruppe abgesprochen, die haben ihr eigenes Süppchen innerhalb der Angels gekocht. Vor ein paar Jahren hätte es so was nicht gegeben.“
Nach einer Verurteilung 2007 war Neco A. in die Türkei abgeschoben worden und darf nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Sollte er dies doch tun, müsste er wieder in Haft. Der Verdacht der Ermittler: Von Izmir aus könnte der 42-Jährige versuchen, seine Macht in Köln neu zu etablieren. Kripochef Wagner sagt: „Neco A. hat Köln-Verbot. Aber er hat weiterhin Kontakte hierhin. Wir unterschätzen ihn nicht.“ Und sollte er hier wieder auftauchen, gibt sich die Polizei bestens vorbereitet: „Wir sind erpicht darauf, den Haftbefehl gegen ihn zu vollstrecken.“