Selbsthilfeprojekt in GefahrGelbe Karte für Kölner Obdachlosen-Projekt
Köln – Müll, Gefahren für den Brandschutz und Ärger mit den Nachbarn: Nur wenige Monate, nachdem die ehemaligen Besetzer eines Hauses an der Marktstraße in Bayenthal in ein Gebäude an der Gummersbacher Straße in Deutz umgezogen sind, zieht die Stadt eine eher negative Bilanz. Die Grundidee, dass sich die wohnungslosen Menschen dort in Eigenregie um das Haus kümmern, sei derzeit gescheitert. „Hausregeln finden keine Anwendung, klare Verantwortlichkeiten fehlen“, schreibt die Stadt in einer Mitteilung an den Sozialausschuss. Nun hat die Stadt den Bewohnern die gelbe Karte gezeigt und mit dem Ende des Projekts gedroht. Die Unterstützer des Projekt schätzen die Lage aber teilweise anders ein.
Die Bewohner hatten im April 2020 ein Haus an der Marktstraße 10 in der Nähe des Großmarkts besetzt und das Projekt „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ) gegründet, was in der Stadtgesellschaft ein großes Echo erzeugt hatte. Die Verwaltung sah schließlich von einer Räumung ab und bot den Besetzern im November das städtische Gebäude an der Gummersbacher Straße 25 an. Anschließend sollen hier Sozialwohnungen entstehen. Die Bewohner können das Haus zwei Jahre lang als Interim nutzen. Ihnen soll anschließend ein Ersatz angeboten werden; unklar ist allerdings, wo.
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Mit dem OMZ ist die Stadt aber offenbar wenig zufrieden. Es komme vermehrt zu Problemen unter den Bewohnern und mit Nachbarn. Zudem sei im Haus und im Außenbereich weder Verkehrssicherheit noch Brandschutz gewährleistet. Es lägen „größere Mengen an Müll, der selbständig durch die Bewohnerschaft nicht entsorgt wird“, herum. Die Feuerwehrzufahrten würden blockiert und Lebensmittel vergammelten auf dem Gelände. „Den Bewohnern und Bewohnerinnen wurde verdeutlicht, dass das Selbsthilfeprojekt OMZ nur dann eine Zukunft haben kann, wenn die Bewohnerschaft Selbstverwaltung und Selbstverantwortung übernehmen und leben. Sofern die Verkehrssicherheit weiterhin durch das Verhalten der Bewohnerschaft gefährdet ist, wird die Verwaltung von ihrem Hausrecht Gebrauch machen müssen.“
Sozialarbeiter wird eingeschaltet
Nach einem Gespräch im April, bei dem auch OMZ-Unterstützer Pfarrer Hans Mörtter dabei war, scheint sich die Lage verbessert zu haben, räumt die Stadt ein. Damit das so bleibt, soll sich künftig ein Sozialarbeiter mit einer halben Stelle um das OMZ kümmern. Momentan sei die Verwaltung auf der Suche nach einem geeigneten Träger. „Es bleibt abzuwarten, ob die Bewohnerschaft sich unter professioneller Anleitung stabilisiert und es gelingt, eigene Zielvorstellungen weiter zu verfolgen.“
„Die Lage war schon heftig“, räumt OMZ-Unterstützer Kalle Gerigk ein. Einer der Bewohner habe sich am Gebäude ein Baumhaus gebaut und in der Stadt Materialien gesammelt, die zum Teil im Haus und auf dem Gelände herumlagen. Mittlerweile sei das Problem aber beseitigt worden. Die Unterstützer hätten den Sperrmüll angerufen, der Kubikmeter an Abfall abtransportiert habe. Auch die Strukturen seien besser als noch vor Wochen: Mittlerweile träfen sich die Bewohner regelmäßig am Freitag zu einem Plenum, am Sonntag werde gemeinschaftlich aufgeräumt. Gerigk wünscht sich von der Stadt mehr Geduld mit den Bewohnern. „Die sind Menschen darunter, die seit neun Jahren auf der Straße gelebt haben. Die müssen auch erst einmal zur Ruhe kommen.“
Auch Mörtter sieht Potential im Projekt: „Es ist ein vielversprechender Prozess.“ Die Zeit nach der Besetzung des Hauses an der Marktstraße in Raderberg und dem Einzug im Januar in Deutz sei von vielen Krisen geprägt gewesen. „Die Leute hatten über Monate Stress, Angst und Bedrohung. Die müssen jetzt durchatmen.“ Nun würden sie sich bemühen, denn das Projekt sei eine Herzensangelegenheit. „Ich kenne keinen Obdachlosen, der nicht von einem eigenen Zimmer träumt.“