Der erste Kölner U-Bahn-Tunnel wurde am 11. Oktober 1968 in Betrieb genommen. Das riskante Projekt hatte 92 Millionen D-Mark gekostet.
Doch Arbeitsschutz spielte damals keine große Rolle – in fast jedem Bauabschnitt kamen Arbeiter ums Leben.
Für die Kölner jedoch war die neue U-Bahn eine Sensation: Mehr als 250.000 Fahrgäste probierten sie am ersten Wochenende aus. Ein Rückblick.
Köln – Für Köln ist es eine Sensation. Die erste Fahrt einer U-Bahn, die eigentlich eine abgetauchte Straßenbahn ist, elektrisiert die Massen. „Um 13.38 Uhr rollt die Linie 21 in den Tunnel ein. Es herrscht Jubelstimmung. Der ganze Bahnsteig ist eine winkende, applaudierende, lachende Menschenmenge“, schreibt die Redakteurin des „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wer ein sauberes Taschentuch hat, schwenkt es in der Luft. Wäre es nicht verboten, die Geleise zu betreten – man würde die Wagen umtanzen wie einen Weihnachtsbaum.“
Berlin hat eine, Hamburg, Frankfurt und nun auch Köln. Zumindest eine „Möchtegern-U-Bahn“, wie Kritiker spotten. Der erste Kölner U-Bahn-Tunnel, am 11. Oktober 1968 offiziell in Betrieb genommen, ist gerade einmal 1,4 Kilometer lang und verbindet die Haltestellen Dom/Hauptbahnhof mit dem Friesenplatz. Auf halber Strecke liegt der Haltepunkt „Appellhofplatz/Zeughaus“. Ein weißes U auf blauem Grund weist von nun an den Weg hinab zum Verkehrsmittel der Zukunft, das die vor Autos überquellenden Straßen der Wirtschaftswunderzeit von platzraubenden Schienenfahrzeugen befreien soll.
Zeit der Straßenbahn-Schaffner abgelaufen
Die Kölner lernen, dass sie die Sperren vor den Bahnsteigen nur mit gültigem Ticket passieren können, das sie wiederum an den vielen neuen Automaten kaufen können. Denn die Zeit der Straßenbahn-Schaffner ist 1968 endgültig abgelaufen. Sie staunen über die modernen Rolltreppen, die aus den U-Bahn-Schächten zurück ans Tageslicht führen. Und sie ärgern sich darüber, dass sie ausschließlich aufwärts führen, aber nicht abwärts. Frauen werden gesichtet, die Kinderwagen über die normalen Treppen hinabtragen. „Mütter sind ratlos“, heißt es in fetten Zeitungs-Lettern.
Aber zunächst ist Volksfeststimmung angesagt. Bevor am 11. Oktober 1968 um 13.30 Uhr der reguläre Betrieb einsetzt, testen Oberbürgermeister Theo Burauen, Bundesverkehrsminister Georg Leber und NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn das neue U-Bahn-Gefühl. Sie fahren vom Dom zum Friesenplatz und sind vier Minuten schneller am Ziel, als sie es mit der oberirdischen Straßenbahn gewesen wären. Die vier Linien 5, 15, 21 und 23 tauchen von nun an zeitweilig in den Untergrund ab.
Das typische Mischsystem ist geboren
Das für Köln typische Mischsystem aus Straßenbahnen, die zu U-Bahnen werden und umgekehrt, ist geboren. Vorteil: Neue Bahnen müssen nicht angeschafft werden, da die vorhandenen in die Tunnel passen. Nachteil: Unterirdische Gleise werden später von mehreren Linien genutzt, was eine erhöhte Stauanfälligkeit nach sich zieht.
Der Bau hatte die Kölner viele Nerven gekostet. Denn anders als heute üblich wurde die U-Bahn überwiegend in offener Bauweise in den Boden gegraben. Verkehrsbeeinträchtigungen waren allgegenwärtig. Die Strecke der Ausbaustufe Innenstadt, die den U-Bahnbau einläuten sollte, hatte eine Gesamtlänge von rund 6,5 Kilometern und war in mehrere Bauabschnitte unterteilt, die nacheinander in Betrieb gehen sollten.
Rat gibt grünes Licht für größeres U-Bahn-Netz
1962 hatte der Rat grünes Licht für ein rund 20 Kilometer langes U-Bahn-Netz gegeben, das nicht nur die Innenstadt, sondern auch den Kölner Norden und das Rechtsrheinische bedienen sollte. Damals wurde auch über einen Rhein-Tunnel als Verbindung des Hauptbahnhofs mit der Deutzer Messe nachgedacht, wovon sich die Planer eine Entlastung der Deutzer Brücke versprachen. Daraus wurde bekanntlich nichts, dennoch machte das U-Bahn-Projekt schnelle Fortschritte.
1974 hatte das Netz schon eine Länge von 20 Kilometern erreicht. Nach der fulminanten Premiere vom 11. Oktober 1968 folgte am 6. Oktober 1969 bereits die Eröffnung des zweiten Abschnitts, vom Dom/Hauptbahnhof über den Neumarkt bis zum Barbarossaplatz. Heute umfasst das Kölner U-Bahn-Netz rund 36 Kilometer.
Riskantes 92 Millionen D-Mark teures Projekt
Die Bauarbeiten für die erste Strecke vom Dom zum Friesenplatz starten am 19. September 1963 in der Nähe des Zeughauses. Das 92 Millionen D-Mark teure Projekt ist riskant: Nicht nur Reste der römischen Stadtmauer werden unterfahren, sondern auch das Gerichtsgebäude am Appellhofplatz, Häuserblocks und die Nord-Süd-Fahrt. Spezielle Sicherheitsvorkehrungen sind nötig, in mehrerer Hinsicht: Am Appellhofplatz verlegt die Stadt die Zellen für die Untersuchungshäftlinge während der Bauarbeiten in einen anderen Teil des Justizgebäudes.
Die Komödienstraße gleicht zeitweilig einem Schweizer Käse mit besonders großen Löchern. Der Dom wird auf sein Gewicht geschätzt, weil der U-Bahn-Tunnel eng an seinem Fundament vorbeigeführt werden muss. Immer wieder werden Reste aus römischer Vergangenheit gefunden. Als die Baugrube 1966 den Hauptbahnhof erreicht, müssen Bahnhofsvorplatz und Dom mit einer großen Fußgängerbrücke verbunden werden.
Abenteuerliche Brückenkonstruktionen
Auch am Neumarkt, wo im Frühjahr 1967 mit den U-Bahn-Arbeiten begonnen wird, halten abenteuerliche Brückenkonstruktionen den Verkehr am Laufen. Da der Arbeitsschutz noch keine große Rolle spielt, kommen in fast jedem Bauabschnitt Arbeiter ums Leben.
Im Gegenzug gibt es einen öffentlichen Personen-Nahverkehr, der allmählich wieder wettbewerbsfähig wird. Denn die Verdichtung des Kfz-Verkehrs bremste die Straßenbahnen mehr und mehr aus und machte den ÖPNV unattraktiver. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) verbuchten 1960 nach Jahren des Anstiegs erstmals einen Rückgang im Fahrgastaufkommen. „In Scharen wanderten sie auf die Alternative Privatwagen ab“, heißt es in einer Chronik der KVB: „Letztlich rächte sich mit dieser Entwicklung die Verkehrspolitik der vergangenen Jahre, die dem individuellen Kraftverkehr den Vorrang gegenüber dem öffentlichen Personennahverkehr einräumte.“
Mehr als 250.000 Fahrgäste fahren Probe
Am ersten Wochenende nach der offiziellen Freigabe probieren mehr als 250.000 Fahrgäste die neue U-Bahn aus. Das Vergnügen währt nur wenige Minuten, am Friesenplatz verlassen die neuen achtachsigen Züge wieder ihre Röhre. „Am Friesenplatz müssen wir raus“, schreibt die Journalistin des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über ihre Premierenfahrt: „Denn wer will schon oberirdisch weiter nach Klettenberg fahren?“
Sie rennt über den Hohenzollern-Ring, erreicht mit hängender Zunge die Linie 15, die aus Sülz kommt und fährt zurück Richtung Dom. Die Stimmung in der Kölner U-Bahn ist an diesem Oktobertag so gut wie danach wohl nie mehr wieder: „Jeder spricht mit jedem, macht den Nachbarn auf die Vorzüge dieser neuen Errungenschaft aufmerksam, so als hätte er sie selbst gebaut.“