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Jung, weiblich, rarWie es ist, Saxophonistin in einer Karnevalskapelle zu sein

Lesezeit 4 Minuten
Olivia Nosseck, Saxophonistin im Orchester Markus Quodt.

Olivia, Saxophonistin im Orchester Markus Quodt, sagt: „Sitzungskapellen im Kölner Karneval sind noch männerdominiert. Davon sollte man sich aber als junge Musikerin nicht abschrecken lassen.“

Olivia Nosseck hat klassisches Saxophon studiert. Jetzt nutzt die 26-Jährige ihr Talent im Sitzungskarneval Kölns. Wie sie dazu kam.

„Bisher kannte ich nur den Straßenkarneval, der Sitzungskarneval war mir fremd. Ich wohne in der Nähe von Köln, komme aber ursprünglich aus Lörrach, aus dem Dreiländereck. Vergangenes Jahr wurde ich dem Orchester Markus Quodt empfohlen und bin so in den Sitzungskarneval eingestiegen. Musikalischer, junger und insbesondere weiblicher Nachwuchs in Kölner Sitzungskapellen ist rar. Ich gehe gerne mal über meinen Horizont hinaus und habe mich deshalb dazu entschieden, beim Karneval aufzutreten. Jetzt starte ich in meine zweite Karnevalssession als Saxophonistin.

Saxophonistin im Kölner Karneval: Die Spannung und Freude des Tusch-Spielens

Zu Beginn der Session freue ich mich auf die Sitzungen. Man hört die Programme der Redner zum ersten Mal, ist selbst amüsiert, muss lachen und honoriert sie mit dem bekannten Tusch. Die Freude am Tusch-Spielen lässt nicht nach, aber: bei der zehnten Sitzung mit demselben Redner kann man die Pointe natürlich irgendwann vorwegnehmen und muss aufpassen, den Tusch nicht zu früh zu spielen.

Außenstehende denken vielleicht, dass es langweilig ist, die ganze Zeit einen Tusch zu spielen, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich bin während des Einsatzes dauerhaft angespannt, lasse den Leiter keine Sekunde aus dem Blick, um mitzubekommen, wann er was anzeigt. Wir spielen auch nicht immer nur den klassischen Tusch, sondern auch Krätzchen dazwischen, wenn dem Leiter gerade eine witzige Assoziation zu einer Pointe einfällt. Dadurch ist es wirklich abwechslungsreich.

Markus Quodt mit Damen des Orchesters.

Markus Quodt mit Damen des Orchesters.

Auf einer Sitzung habe ich davor noch nie gespielt. Das war für mich komplettes Neuland, das erste Mal war dementsprechend spannend. Im Orchester Markus Quodt spielen viele Profimusiker und obwohl ich Saxophon studiert und flinke Finger habe, ist es die Erfahrung, die im Karneval zählt. Viele der Musiker sind 20 bis 30 Jahre älter als ich. Trotz des Altersunterschieds fühle ich mich dort gut aufgenommen.

Noten, Kommunikation, Sicht: Herausforderungen einer Sitzungskapelle im Kölner Karneval

Ich habe klassisches Saxophon studiert und musste dabei immer viele Noten lesen. Auch neue Stücke fallen mir deshalb nicht besonders schwer. Aber es ist immer eine Herausforderung, wenn Tanzgruppen mit Noten kommen, zu Liedern, die ich gar nicht kenne. Im Gegensatz zu mir können meine Kollegen und Kolleginnen schon sehr vieles aus dem Kopf spielen. Hinzu kommen viele Tempowechsel beim Tanzen – dass dabei musikalisch alles funktioniert, hängt maßgeblich vom Schlagzeuger ab.

Eine weitere Herausforderung ist die schnelle Reaktionsfähigkeit, die häufig gefordert ist. Büttenreden verlangen einem mitunter ab, dass man sehr schnell auf den Witz des Redners mit einem Krätzchen (kurze Liedpassage) oder einem Tusch reagieren muss. Zeigt der Leiter etwa mit seiner Hand ein „O“ an, muss ich wissen, jetzt kommt „Oh wie bist du schön“ und sofort wird losgespielt.

Oftmals werden nur kurze Worte oder Abkürzungen gerufen, und die Tonart wird uns flott per Handzeichen angegeben. Um das zu sehen, brauche ich auch einen guten Platz, denn es ist teilweise doch sehr verschachtelt und eng auf der Bühne. Das ganze Orchester muss schließlich seine Konzentration und Ausdauer über fünf bis sechs Stunden hinweg halten. Und das bei hoher Lautstärke.

Sitzungskapellen im Kölner Karneval sind noch männerdominiert. Davon sollte man sich aber als junge Musikerin nicht abschrecken lassen
Olivia, Saxophonistin

Sitzungskapellen im Kölner Karneval sind noch männerdominiert. Davon sollte man sich aber als junge Musikerin nicht abschrecken lassen. Ich habe eher den Eindruck, das ganze Umfeld freut sich, wenn junge Leute und gerade junge Frauen hinzukommen. Daher einfach machen, man kann nur ausprobieren und lernen. Ich fühle mich in dem Orchester sehr wohl und rechne es Markus Quodt als Orchesterleiter hoch an, dass er sich regelmäßig bei mir erkundigt, ob ich mich wohlfühle oder es Probleme gibt.

Ich spiele hauptsächlich Klassik, das ist ein bisschen ungewöhnlich für das Instrument, da die meisten Leute es mit Jazz verbinden. Trotzdem fühle ich mich auch im Pop zu Hause und höre fast mehr genreübergreifende Musik als Klassik.

Musik bedeutet mir sehr viel, die schönsten Momente meines Lebens habe ich immer in musikalischen Kontexten erlebt. Bisher kann ich mir nicht vorstellen, als Saxophonistin aufzuhören – weder im klassischen Kontext, noch in einer Sitzungskapelle im Karneval.“