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Shantychor im Kölner City-TunnelFußgänger erobern die gesperrte Nord-Süd-Fahrt

Lesezeit 3 Minuten
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Der 1. Kölner Shantychor sang im Tunnel der Nord-Süd-Fahrt.

  1. Die Nord-Südfahrt war am Sonntag für das Strassenland-Festival gesperrt.
  2. Wo sonst der Autoverkehr die Stadt durchschneidet, präsentierten sich Initiativen zu den Themen Nachhaltigkeit, Verkehrswende, Ökologie und Stadtentwicklung.
  3. Und es gab völlig neue Ansichten auf die eigene Stadt.

Köln – Einen kurioseren Platz, um dieses Lied zu singen, könnte es wohl kaum geben. „Wir lagen vor Madagaskar“ schmettert der „1. Kölner Shanty-Chor“ im Tunnel der Nord-Süd-Fahrt. Mit voller Inbrunst und zur Begeisterung des Publikums. „Hier im Tunnel könnte man mal durchkärchern, aber die Akustik ist toll“, meint ein Zuhörer.

Kölner Nord-Süd-Fahrt von Breite Straße bis Blaubach gesperrt

Der Chor kann hier auftreten, weil die Nord-Süd-Fahrt zum Festival „Strassenland – Lebe dein Stadt“ am Sonntag auf einer Strecke von 1,5 Kilometern zwischen dem Fußgängerübergang an der Breite Straße bis zum Blaubach gesperrt ist. Die sonst stark befahrende Schneise wurde zur Fußgängerzone und den Besuchern eröffneten sich ganz neue Ansichten auf ihre Stadt. So war die traurige Dauer-Baustelle an der Oper durch einen Kletterwand und Tomatenpflanzen verdeckt.

Festival Übersicht

Fußgänger und Radfahrer statt Autos

Zahlreiche Organisationen, Vereine und Initiativen aber auch kommerzielle Anbieter, informieren zu den Themen Nachhaltigkeit, Ökologie, gesundes Essen und Stadtentwicklung. Es gibt Tandem- und Lastenräder-Probefahrten, Hafer-Eis und Bio-Teesirup. Das Grünflächenamt verteilt Samenkugeln, die man in der Stadt verteilen sollte, damit überall Wildblumenbeete entstehen.

Vor dem Literaturhaus werden Opern gesungen und gleich nebenan auf Dosen mit den Konterfeis von Putin und Kim Jong-un geworfen. Veedelshelfer und Verkehrskadetten stellen sich vor, es gibt Klimaspiele und Mitmachaktionen.

Fußgängerin: „Das konnte jeden Sonntag so sein“

Doch vor allem gibt es Platz für Fußgänger. Und die genießen es. „Das konnte jeden Sonntag so sein oder noch öfter. Man fragt sich: Wo sind heute eigentlich die ganzen Autos hin? Vielleicht braucht man diese große Straße gar nicht“, sagt Liesel Wiercks, die mit ihrem Mann Hans aus Weidenpesch gekommen ist.

„Wir haben sowieso kein Auto. Wenn wir eins brauchen, leihen wir es uns von unserem Sohn.“ Nötig sei das aber nur für Großeinkäufe und die Fahrt zur Müllkippe. Die autofreien Sonntag in der 1970er Jahren hätten sie noch sehr gut und positiv in Erinnerung.

Festival Tomaten

Frisches Grün vor der Oper

Ein junges Elternpaar aus der Südstadt sieht das etwas kritischer. Es sei natürlich super, dass man hier nun gemeinsam mit den zwei und fünf Jahre alten Söhnen ohne Gefahr mit dem Fahrrad langfahren könne. Aber ehe man an der großen Nord-Süd-Fahrt etwas ändere, solle man erstmal bei der Severinstraße nachbessern. „Wir schauen da neidisch auf den Eigelstein, wo die Autos nun wirklich raus sind.“

Star-Architekt erklärt seine Vorstellungen für das zukünftige Köln

Der Kölner Star-Architekt Paul Böhm erklärt an seinem Stand persönlich an einem Stadtmodell seine Vorstellungen von der „Neuen Mitte Köln“. Das Festival lobt er. Er habe das Glück, bekannt zu sein.

Festival Böhm

Architekt Paul Böhm erklärt seine Vorstellung von Köln Zukunft.

Aber für kleinere, neue Initiativen sei diese Veranstaltung eine schöne Gelegenheit, sich zu präsentieren. Seine Meinung zur Nord-Süd-Fahrt: „Sie wird wohl bleiben, wenn auch etwas kleiner und vielleicht mit einem Radstreifen.“ Zumindest der Teil vor der Oper sollte aber untertunnelt werden.

Kein Verkehrschaos nach zweiter Sperrung in diesem Monat

Das Straßenland-Festival findet nach der Premiere 2019 zum zweiten Mal statt. Viele Themen sind durch die Pandemie – und den Krieg – noch einmal verstärkt ins Bewusstsein geraten. Lastenräder und E-Bikes sind zum Renner geworden, Umweltschutzthemen boomen. Insofern trifft das Festival den Zeitgeist. Eventveranstalter sind Christoph Kuckelkorn (Festkomiteepräsident und Bestatter) und seine Geschäftspartner Klaus Eschmann. Der schätzt die Besucherzahl auf 150.000. Ein großer Erfolg: Bei der ersten Ausgabe kamen 100.000 Menschen.

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Die Nord-Süd-Fahrt war in diesem Monat schon zum zweiten Mal komplett gesperrt. Wegen Sanierungsarbeiten an einem Geschäftshaus, das direkt über dem Tunnel steht, war die Straße sogar am gesamten Wochenende 4./5 Juni gesperrt – wie an einigen Wochenenden zuvor. Zu dem befürchteten Verkehrschaos war es an keinem der Termine gekommen.