Köln – Wer am Rhein zwischen Philharmonie und Deutzer Brücke entlang schlendert, wer über den Eigelstein flaniert oder im Ehrenfelder Kneipenviertel ein Bier trinkt, der muss sich gar nicht besonders auffällig verhalten, um sich verdächtig zu machen – er darf auch so von der Polizei kontrolliert werden. Und zwar ohne jeden Anlass. Denn nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zählt die Behörde das Rheinufer, den Eigelstein und die Gegend um die Lichtstraße neben acht weiteren Gebieten in einem internen Papier zu den „gefährlichen Orten“ in Köln – ein Begriff aus dem Polizeigesetz NRW.
Personenkontrollen ohne Anlass
Nach Paragraf 12 darf die Polizei einzelne Plätze, Straßen und Gebäude wegen einer hohen Kriminalitätsbelastung als „verrufen“ definieren. An diesen Orten haben die Beamten besonders weitreichende Befugnisse: Nach eigenem Ermessen dürfen sie Ausweise kontrollieren, Taschen durchsuchen und Platzverweise erteilen – zum Beispiel weil ihnen das Äußere oder das Verhalten einer Person in irgendeiner Form merkwürdig erscheint. Hingegen gilt für den Rest der Stadt: Eine gezielte Personenkontrolle ist nur dann zulässig, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt, zumindest aber einigermaßen sichere Anhaltspunkte für kriminelles Verhalten.
Welche elf Orte die Polizei in Köln allerdings „gefährlich“ findet und warum, das soll nach dem Willen der Behörde streng geheim bleiben. Die zuständige Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz hält die Liste unter Verschluss. „Wir möchten keine einzelnen Gegenden stigmatisieren und unsere taktische Ausrichtung nicht verraten“, erklärt Polizeisprecher Lutz Flaßnöcker auf Anfrage.
Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegt die Liste auszugsweise vor. Als „gefährlichen Ort“ definiert die Polizei demnach neben den drei genannten auch den Hohenzollernring samt Seitenstraßen zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz, den Neumarkt, den Wiener Platz, Teile von Chorweiler, das Gebiet um die KVB-Haltestelle Kalk-Post sowie Teile von Höhenberg südlich der Olpener Straße. Dem Vernehmen nach sollen in dem geheimen Verzeichnis auch Kölnberg, der Neumarkt, die Hornstraße und Teile von Finkenberg stehen oder gestanden haben. „Die Orte ändern sich häufig, die Liste ist dynamisch“, sagt Flaßnöcker. Die meisten Risikozonen stehen seit 2011 darauf, die Ringe seit 2007. Doch welche Kriterien setzt die Polizei an? Wann stuft sie eine Gegend als verrufen oder gefährlich ein? „Wenn sich dort gewisse Straftaten häufen“, berichtet ein Fahnder. Genauer: Wenn sich in einem bestimmten Bereich immer wieder Menschen aufhalten, die Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben. So steht es im Gesetz. Für die Festlegung der Orte ist dabei nicht zwingend ein Blick in die Kriminalstatistik erforderlich, die Polizei darf sich auf eigene Erfahrungswerte berufen.
Rückzugsort für Kriminelle
Warum Paragraf Zwölf den Beamten die Arbeit erleichtert, verdeutlicht ein Beispiel: Zwei Polizisten sehen vor einem Kaufhaus einen Mann, der Frauen hinterher schaut. Verboten ist das nicht, eine Kontrolle wäre nicht rechtens. Weil aber in der Gegend zuletzt viele Handtaschenraube verübt wurden, wurde das Gebiet zum „gefährlichen Ort“ erklärt – somit darf nun jeder kontrolliert werden.
Als „gefährlich“ gilt ein Gebiet aber auch dann, wenn es Kriminellen nach Erkenntnissen der Ermittler als Rückzugsort dient – etwa der Kölnberg in Meschenich. Der Weltjugendtagsweg am Rheinufer nahe der Philharmonie sei als „gefährlich“ eingestuft worden, weil dort mit Drogen gedealt werde, ebenso am Neumarkt und auf dem Wiener Platz, berichtet der Fahnder. Am Eigelstein verkehren trotz Sperrbezirks nach wie vor Prostituierte, Zuhälter und Freier. Und im Ehrenfelder Kneipenviertel sind seit Monaten vermehrt „Antänzer“ unterwegs – brutale Trickdiebe, die Clubgäste ausrauben.
Lesen Sie hier den Kommentar von Tim Stinauer zu den gefährlichen Orten in Köln.