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VeedelspaziergangMit Kai Engel auf der Schäl Sick

Lesezeit 6 Minuten

Zu Kai Engels Lieblingsplätzen gehören die Poller Wiesen, die der Brings-Keyboarder insgeheim Deutz-Poller-Wiesen nennt.

Innenstadt – Im Grunde taugt das Sprichwort nicht viel. „Bekannt sein wie ein bunter Hund“, ist für Deutz schon einmal viel zu ungenau. „Bekannt sein wie Kai Engel“ – das trifft viel eher zu. Denn wer mit dem Brings-Keyboarder durch den rechtsrheinischen Teil der Kölner Innenstadt bummelt, der bleibt nicht lange unentdeckt.

An der Deutzer Werft sonnen sich die Spatzen, jagen sich die Tauben, plätschert das Wasser gegen das Hafenbecken. Kurz gesagt: Es ist nichts los an der Drehbrücke, nur ein einziger Passant ist zu sehen, ein Radfahrer. Und der hält prompt an. „Sind Sie nicht der von den Brings?“, fragt er. Kai Engel nickt, nimmt die Sonnenbrille ab: „Ja, bin ich. Hallo.“ Der Fremde entpuppt sich als Fan, der wissen will, warum die Musiker in der Lachenden Arena das Lied „Hallelujah“ langsamer als sonst gespielt hätten.

Deutz ist sehr grün

Engel erklärt ihm, dass die Band einfach auch mal ein bisschen Abwechslung braucht – und in dem Fall ausprobiert hat, wie das Stück in verhaltenem Tempo klingt. Der Radfahrer nickt, lächelt. Gut möglich, dass er später daheim von der Begegnung mit dem netten Kai von Brings schwärmen wird.

Seit 17 Jahren lebt Engel in Deutz. In Porz kam er zur Welt, als er drei Jahre alt war, zog die Familie nach Sülz um. Doch als Vater Tommy Engel mit den Bläck Fööss kölsche Berühmtheit und überregionale Bekanntheit erlangte, da wurde es rasch zu eng für ihn in Sülz. „Wir sind aufs Land nach Overath gezogen“, erinnert sich Kai. „Da war es ein bisschen ruhiger für den Vater. Und ich weiß noch“, sagt er und lacht, „ich war gerade neun und diese ganzen Bäume, die da plötzlich rings um uns waren, die kamen mir komisch vor.“

Inzwischen schwärmt er vom Grün. Immer wieder betont er, wie grün Deutz sei. Vor allem an den Poller Wiesen, dort fahre er mit seiner Tante Paula hin, seinem Elektroroller, wenn er einfach mal seinen Gedanken nachhängen wolle. „Am liebsten sitze ich oben auf den Bänken und schaue auf den Rhein“, beschreibt der 43-Jährige. Beim Anblick der Glasfassaden der Kranhäuser kommen ihm die Erinnerungen an Amsterdam („da haben wir mit den Brings so eine Grachtenrundfahrt gemacht, da gab es genauso wenig Gardinen an den Fenstern, an denen du vorbeigefahren bist“). Und wenn Engel den Turm von Sankt Severin am gegenüberliegenden Ufer sieht, denkt er an seinen Vater Tommy und seinen älteren Bruder Ilja. „Da in der Nähe wohnen die beiden.“

Der Vater habe ihn übrigens vor der Schäl Sick gewarnt. „Ich weiß noch, als ich herziehen wollte“, berichtet der Musiker. „Uh, Schäl Sick – biste sicher?“, habe der Vater geunkt. Aber Sohn Kai musste weg aus Ehrenfeld, dort war er mit seiner ersten Frau hingezogen, und als sich die beiden ihre Wohnung schließlich noch mit Sohn Marvin teilten, „da brauchten wir ein Zimmer mehr“. Etwas Passendes fanden sie in Deutz. Seither hat Kai Engel so erfolgreich Überzeugungsarbeit geleistet, dass sogar der Vater die Schäl Sick gern besucht.

Meist gehört dann ein Abstecher in die Kaffeebar an der Deutzer Freiheit 66 dazu. Ein Lächeln breitet sich aus im Gesicht von Barista Massimo Biasio, als er die Bestellung aufnimmt. „Kai, mein Freund, was darf es sein?“ Zum Cappuccino für 2,30 Euro gibt er gratis preis, dass Engel Biasios Lebenspartnerin Caro Moers das Geschäft gerettet hat . „Wir wollten eine Außenbestuhlung haben“, erläutert Biasio. „Aber wir haben ewig gebraucht, um die Genehmigung der Stadt zu bekommen.“ Erst als Engel sein Anliegen unterstützt habe, hätte es geklappt. „Der Kai“, schwärmt Biasio, „ist ein Jung aus dem Veedel, der ist wie du und ich.“

Die Lobhudelei des Wirts beim Kaffeebohnen mahlen hat Engel nicht einmal gehört. Er sitzt draußen an einem der vier Tische auf dem Bürgersteig und winkt einer Frau zurück, die ihn gegrüßt hatte, tauscht ein kurzes „Hallo“ aus mit einer zweiten, die vorbeimarschiert. Am Tisch sitzt mittlerweile auch Schauspieler Giovanni Luzi (54). Von seinem Balkon auf der anderen Straßenseite aus hatte er den Künstlerkollegen Engel erspäht – und kam schnell auf einen Espresso herüber.

Luzi sei ein alter Freund der Familie, sagt Engel. Bei den „Anrheinern“ hatte Luzi Kais Vater Tommy kennen gelernt, beide spielten in der WDR-Serie mit. „Was machst du denn jetzt eigentlich nochmal genau?“, erkundigt sich Kai Engel. Ans Boulevard-Theater habe es ihn verschlagen, sagt Luzi. Am Bonner Contra-Kreis-Theater tritt er in „Una Notte Speciale“ auf. „Mein erstes Mal am Theater, das ist jeden Abend wieder aufregend“, gesteht Luzi, „aber es macht Spaß ohne Ende.“ Dann muss er los. Und Engel verspürt nach dem Kaffee Appetit auf ein Schoko-Croissant, er will weiter zur Bäckerei Hütten an der Deutzer Freiheit 112. „Die backen auch unsere Hochzeitstorte“, verrät er. Am 12. Juli will er seine zweite Frau heiraten: Afra Sauer. Die er wo kennen gelernt hat? In Deutz natürlich, war eh klar. Sie haben sich zum ersten Mal im Café Kram getroffen. Das Café am Gotenring 42 hatte Engel entdeckt, als er sich vor zehn Jahren von seiner damaligen Frau getrennt hatte. „Wenn du so lange in Familie gelebt hast“, veranschaulicht er, „dann fühlst du dich nach so einer Trennung erstmal schrecklich allein. Du suchst eine neue Zuflucht.“

Viele Freundschaften geschlossen

Die fand er im inzwischen geschlossenen Café, das früher als Blueskneipe bekannt war. Sein ältester Bruder René hatte es ihm empfohlen, er lebt auch in Deutz. „Und der Laden war genau das, was ich damals brauchte“, sagt Kai Engel, „das war eine wichtige Anlaufstelle, in der ich viele Freundschaften geschlossen habe.“ Eben auch die zu seiner zukünftigen Frau.

Mit dem Schwiegervater in spe stößt er dagegen eher mal in der Gaststätte Lommerzheim an der Siegesstraße 18 an. Am liebsten sonntags oder montags („dann sind kaum Touristen da“) und gern auch mit einem Kotelett dabei („lecker 600 Gramm vom Lummer“).

Die Gaststätte, für die Kai Engel das „Lommerzheim-Lied“ komponiert hatte, ist für ihn mindestens so sehr Deutzer Kult wie auch der Düxer Kieslade an der Graf-Geßler-Straße 1. „Da habe ich neulich was zum Geburtstag für meine Mutter gekauft“, verrät er. „Sie liebt Käse, aber der muss richtig stark sein.“ Einen Appenzeller und einen sieben Jahre alten Holländer habe er gekauft. „Der zerbröselt dann so richtig parmesanmäßig, klasse!“

Überhaupt die Küche, dafür begeistert er sich. Vor allem für die italienische. „Ich mag einfach das Lebensgefühl der Italiener“, sagt Engel. „Ich mag Pizza und Pasta, und ich koche das auch leidenschaftlich gern.“

Zum Abschluss will Engel noch „etwas Originelles“ zeigen. Erstmal aber noch muss er einen Nachbarn grüßen. Dann sagt er schließlich: „Guck mal da, das ist der Düxer Bock.“ Der wer? „Der Düxer Bock. Kennste nicht? Ist ein Deutzer Wahrzeichen.“ Es soll erinnern an die alte Fehde zwischen einem Steuerfahnder und einem Schneider und an die Liebe zwischen den Kindern der beiden. Ist in Deutz nur nicht so bekannt wie ein bunter Hund; und schon gar nicht so bekannt wie Kai Engel.