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Steuerhinterziehung„Gerüstbau-Mafia“ vor Gericht

Lesezeit 2 Minuten

Vor dem Kölner Amtsgericht ist ein teurer Streit über einen Brillen-Rabatt ohne Urteil ausgegangen. (Symbolbild)

Es ist ein Fall, der die Dimensionen gewöhnlicher Steuerstrafverfahren sprengt: Vor dem Landgericht beginnt am 9. November ein Strafprozess gegen den Ex-Geschäftsführer einer Gerüstbaufirma, Mehmet Y., der laut Anklage mit einem Netzwerk aus Subunternehmen Millionen am Fiskus vorbei in die eigene Tasche gewirtschaftet haben soll.

Mit auf der Anklagebank sitzen zwei weitere Mitarbeiter der Gerüstbaufirma.

Der eigentliche Chef des Unternehmens, ein 50-jähriger Kaufmann, hat sich längst in die türkische Heimat abgesetzt. Er hatte seinen Neffen, der jetzt als Hauptangeklagter gilt, vor anderthalb Jahren vom ungelernten Gerüstbauer zum Geschäftsführer des Unternehmens befördert. Seit gut einem Jahr sitzt der 30-jährige türkische Familienvater in Untersuchungshaft und hat bisher auf Anraten seiner Anwälte geschwiegen.

Nicht kleckern, sondern klotzen

Das Gericht hat zunächst 66 Verhandlungstage und mindestens ein Jahr Prozessdauer veranschlagt. Schon jetzt scheint eins sicher: Die Konten des Unternehmens sind längst leergeräumt und die hinterzogenen Steuern und Sozialabgaben offensichtlich in die Türkei transferiert; die Rede ist von rund 40 Millionen Euro

Nicht kleckern, sondern klotzen – das soll nach Einschätzung der Steuerfahnder das Prinzip des Unternehmers gewesen sein, dessen Firma hinter vorgehaltener Hand als „türkische Gerüstbau-Mafia“ bezeichnet wurde. Zu den Auftraggebern zählten nur die ganz großen Unternehmen wie RWE, Rhein-Braun, Raffinerien und Versicherungskonzerne. Honorare in sechsstelligen Beträgen pro Quartal waren bei solchen Großaufträgen keine Seltenheit.

Vorgehen war so raffiniert wie einfach

Das Prinzip des betrügerischen Vorgehens war so raffiniert wie einfach. Zwar wurden die tatsächlichen Leistungen erbracht, doch abgerechnet wurde doppelt und dreifach. Die Männer auf dem Gerüst wurden schwarz bezahlt, die geleisteten Arbeitsstunden über die zwischengeschalteten Subunternehmen verdoppelt. Auf diese Weise wurden nicht nur Sozialabgaben hinterzogen, sondern auch Einkommen- und Umsatzsteuer.

Laut Anklage ging das mehr als vier Jahre gut. Die Jahre 2007 bis 2011 gelten als Tatzeitraum. Das kriminelle Geschehen flog auf, als Controller bei den Banken genauer hinschauten. Von Konten der Gerüstbaufirma waren stets zum Monatsanfang sechsstellige Beträge in bar abgehoben worden; damit wurden die Schwarzarbeiter bezahlt. Die Geldinstitute informierten die Finanzämter über die auffälligen Barabhebungen. Als die Steuerfahnder ihre Arbeit aufnahmen, hatte sich der Firmenchef aber schon in die Türkei abgesetzt.