Köln – Auf den ersten Blick wirken die großformatigen Plakate mit der weißen Schrift auf grünem Hintergrund wie Wahlwerbung der Partei Bündnis90/Die Grünen. Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die gezeichnete Sonnenblume verwelkt ist und dass Schlagworte wie „Industriezerstörung“, „Linksterror“ oder „Klimahysterie“ vielmehr ein Schreckensszenario an die Wand malen – nämlich jenes, das den Bürgern in Deutschland angeblich mit einer grünen Bundesregierung blühe.
So formulieren es die Macher der Kampagne „Grüner Mist 2021“, die hinter den Plakaten stecken. Die anti-grüne Werbung hängt zum Beispiel am Appellhofplatz und am Aachener Weiher sowie in vielen anderen deutschen Großstädten.
Organisator der Kampagne ist AfD-naher PR-Berater
Verantwortlich für die Plakat- und Onlinekampagne ist die Conservare Communication GmbH, die auch das AfD-nahe Onlinemagazin „Deutschland-Kurier“ herausgibt. Für diese Publikation sind überwiegend AfD-Politiker als Autorinnen und Autoren tätig. Conservare-Geschäftsführer und Kampagnensprecher ist David Bendels, ein früheres CSU-Mitglied, das sich inzwischen im Umfeld der AfD engagiert.
Auf der Webseite der Kampagne werden grüne Politikerinnen und Politiker sowie Klimaaktivistin Luisa Neubauer diffamiert – als „Hochstaplerin“ (Annalena Baerbock), „Türkei-Schwärmerin und Mullah-Freundin“ (Claudia Roth), „Karriere-Migrant der ersten Stunde“ (Cem Özdemir) oder „Ökostalinist“ (Jürgen Trittin). Die Antifa wird als „Schlägertruppe“ der Grünen bezeichnet, die die Schmutzarbeit für die Partei erledige. Wie teuer die aktuelle Plakat- und Internetoffensive gegen die Grünen war und wer sie finanziert hat, ist unklar. Zu Kosten und Geldgebern äußerte sich Bendels nicht.
Heftige Kritik an Kölner Außenwerber Ströer
Veröffentlicht werden die Großplakate von der Firma Ströer, Deutschlands größtem Außenwerber. Das Kölner Unternehmen mit Sitz in Sürth sieht sich heftigem Gegenwind ausgesetzt. Am Donnerstagnachmittag demonstrierte eine Gruppe des Bündnisses „Köln gegen Rechts“ vor der Firmenzentrale. Die Teilnehmer warfen Ströer „aktive Unterstützung rechter Propaganda“ vor.
Arndt Klocke, NRW-Landtagsabgeordneter der Grünen, beschuldigt Ströer, „mit Hetze und Fake News im Wahlkampf Geld verdienen“ zu wollen. Das Unternehmen hätte seiner Auffassung nach die „Hasskampagne zurückweisen“ und eine Plakatierung ablehnen müssen.
Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Klocke: „Ströer betont regelmäßig, dass sie gern mit ihrer Zentrale in Köln beheimatet sind und sich als Teil der Kölner Stadtgesellschaft sehen. Köln steht für Toleranz, Vielfalt und gegen Hass und Gewalt.“ Der Politiker erinnert an den rechtsterroristischen Bombenanschlag in der Keupstraße 2004 und das Messerattentat eines Rechtsextremen auf Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2015. „Wir alle haben uns in Köln in der Folge vorgenommen, uns künftig wirksam den Anfängen von Hass, Intoleranz und Hetze entgegenzustellen“, sagt Klocke.
„Diese jetzige Plakatkampagne ist ein Schlag ins Gesicht dieser Bemühungen." Seine Teilnahme an einer geplanten Podiumsdiskussion zur Verkehrswende im September – veranstaltet von Ströer – hat Klocke abgesagt.
Seine Parteikollegin und Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz bezeichnet es als „absolutes No-Go“, solchen Kampagnen Flächen zu bieten. Sie seien „Gift für unsere Demokratie“.
Unternehmen verteidigt sich
Inhaltlich steht die aktuelle, AfD-nahe Plakatkampagne in krassem Gegensatz zu den eigenen unternehmerischen Werten, die Ströer auf seiner Internetseite angibt. „Ströer ist Vielfalt. Vielfalt ist bunt“, heißt es da zum Beispiel. Oder: „Wir übernehmen Verantwortung, um Vielfalt, Toleranz und Chancengleichheit in Deutschland sichtbar zu machen und freuen uns, auch die Charta der Vielfalt mit unseren Medien unterstützen zu können.“
Unternehmenssprecher Marc Sausen sagt auf Anfrage, man habe im Vorfeld einige Motive von „Grüner Mist 2021“ abgelehnt, weil sie gegen Gesetze verstießen. Werbeaufträge jedoch, die „rechtlich in Ordnung und nicht sittenwidrig“ seien, müsse Ströer grundsätzlich auch aushängen – „auch wenn der Inhalt im Gegensatz zu unseren eigenen politischen Ansichten steht“. Man sei kein Zensor, Werbung genieße den grundrechtlichen Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung. Die „Grüner Mist“-Plakate sollen wohl noch bis zur Bundestagswahl am 26. September zu sehen sein.