Bei der Talkrunde „frank & frei“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sprach Bernhard Pörksen über Grundprinzipien der Kommunikation.
Talkrunde „frank & frei“Die Kunst des Miteinander-Redens in Zeiten des Shitstorms
Gerade in Internetforen scheinen sich die Fronten gerne zu verhärten. Shitstorms und Hasstiraden stehen auf der Tagesordnung. Aber auch in Talkshows wird oft nur gebrüllt, anstatt miteinander ins Gespräch zu kommen. „Es gibt einen Klimawandel in der Art der Diskussion“, stellte Joachim Frank fest: „Daraus folgt nur eins: Wir müssen reden.“
Als Gastgeber der Gesprächsreihe „frank & frei“ tat der Chefkorrespondent des „Kölner Stadt-Anzeiger“ dies jetzt mit Bernhard Pörksen, Buchautor und Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen. Die „Kunst des Miteinander-Redens“, wie der Abend in der Karl-Rahner-Akademie überschrieben war, sei zwar nicht mit einer großen Weltformel zu retten, so der Experte in seinen gleichermaßen akademischen wie anschaulichen Ausführungen.
Die Idee der Filterblase konnte bisher von Studien nicht belegt werden
Wohl aber mit einigen Grundprinzipien. Der wichtigste Punkt: Wertschätzung. „Die pauschale Abwertung des anderen ruiniert die Kommunikation“, so Pörksen. Und Kommunikation sei angesichts zunehmender Krisen nicht nur wichtiger denn je, sondern auch schwieriger.
Das liege vor allem an den Bedingungen des Internets, das jedoch oft ganz anders funktioniere, als allgemein angenommen. Die Idee der Filterblase zum Beispiel, wonach Algorithmen den Nutzer in einen „Tunnel der Selbstbestätigung“ drücken, sei bisher durch keine Studie bestätigt worden. Vielmehr reiche der Klick auf einen Link, um plötzlich in ganz neue Welten abzutauchen.
Gegenseitige Wertschätzung ist grundlegend für die Kommunikation
Das Netz biete also eine große Informationsvielfalt – und überfordere nicht selten damit. „Vernetzung verstört“, so Pörksens Fazit. Sie könne sogar existenzielle Bedrohungsgefühle auslösen. Wer sich extrem äußere, bekomme zwar in bestimmten Milieus Beifall, werde von Andersdenkenden aber auch radikal attackiert. Das führe zu heftigen Abwehrreaktionen: „Wir fühlen uns geneigt, zurückzuschlagen.“
Was also tun also gegen die Eskalationsspirale? „Sagen, was zu sagen ist, ohne pauschale Abwertung“, empfiehlt der Wissenschaftler und Journalist: „Wenn die Eskalation droht, ist nichts so wichtig, wie die Arbeit an einem respektvollen Kommunikationsklima.“ Zuhören und Dialogbereitschaft seien essenziell – der andere könnte schließlich auch recht haben. Angesichts der Hetze im Netz wachse die Sehnsucht nach dialogischem und wertschätzendem Austausch. Doch diese Sehnsucht werde kaum bedient. In Talkshows etwa gelten andere Gesetze.
Kommunikation sollte nie zu früh abgebrochen werden
Wie wichtig auch das Wissen um die Situation ist, in der kommuniziert wird, zeigte ein Video der mittlerweile zurückgetretenen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Darin bedankte sie sich an Neujahr 2023 für die „vielen Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen“ im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Im Hintergrund krachten die Berliner Silvesterböller. Hier ging die Kommunikation also mächtig schief. „Dieses Video hat ihren Abgang beschleunigt“, so Pörksen.
So ganz einfach sei es mit der Wertschätzung jedoch nicht, führte Joachim Frank ins Feld: „Welche Wertschätzung könnte ich Björn Höcke entgegenbringen? Da fällt mir nichts ein.“ Manchmal mache ein Dialog eben keinen Sinn, so der Gastredner: „Wir müssen manchmal intolerant gegen Intoleranz sein.“ Voraussetzung sei trotzdem, sich zuvor mit der Person und seiner Ideologie beschäftigt zu haben. Kommunikation sollte niemals zu früh abgebrochen werden.