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„Hände voller Blut“Wie ein Augenzeuge den tödlichen Ebertplatz-Angriff erlebte

Lesezeit 5 Minuten
Ebertplatz 250819 WORRING

Die Spurensicherung arbeitet nach der Gewalttat am Ebertplatz.

  1. Seit dem tödlichen Angriff auf einen 25 Jahre alten Somalier in der Nacht auf Sonntag steht der Ebertplatz wieder als krimineller Brennpunkt im Fokus.
  2. Daniel L., der lieber anonym bleiben möchte, kennt den Platz auch abends und nachts gut, weil er dort oft kulturelle Veranstaltungen auf der Zwischenebene besucht hat und mit den Kultur-Veranstaltern vernetzt ist.
  3. Er setzte nach dem tödlichen Streit den Notruf an die Polizei ab, sein Freund leistete vergeblich Erste Hilfe. Dass die Gewalt am Ebertplatz erneut eskaliert ist, wundert ihn nicht. Ein Gespräch.

Sie haben den nächtlichen Angriff auf dem Ebertplatz als Augenzeuge erlebt. Ab wann haben Sie sich auf dem Platz aufgehalten?

Daniel L.: Ich bin gegen 3.30 Uhr mit einem Freund in das Restaurant „African Drum“ gegangen. Dort wurde getanzt, es herrschte eine sehr friedliche und ausgelassene Stimmung. Irgendwann nahm ich wahr, dass es vor der Tür zu einem kleineren Streit kam. Die Aggression ging von Männern aus, die vielleicht reinwollten, ich weiß es nicht, aber sie wurden vom Türsteher abgewiesen.

Im Vergleich zu Schlägereien, die ich auf dem Platz beobachtet hatte, sah das zunächst aber nicht wirklich fies aus. Ich habe beobachtet, wie sich die Auseinandersetzung weiter hoch auf den Platz verlagert hat. Immer wieder habe ich gesehen, dass es in Konstellationen von zwei bis drei Männern zu Schlägen und Tritten kam. Das „African Drum“ hat sich dann relativ schnell geleert, wie das so passiert, wenn die Stimmung derart kippt.

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Sie sind auch gegangen?

Ja, ich bin mit dem Freund erst Richtung Sudermanplatz hoch und dann oberirdisch am Ebertplatz vorbeigelaufen. In dem Moment habe ich einen Polizeiwagen wahrgenommen, der langsam am Platz vorbeifuhr. Etwa zwei Minuten später haben wir dann zehn bis 15 Männer auf dem Platz gesehen, die sich in unterschiedlichen Konstellationen unglaublich schnell bewegt haben. Es wurde getreten, gerufen, jemand fiel auf den Boden, stand wieder auf, eine Person wurde von mehreren Männern umzingelt.

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Dann war auf einmal nur noch ein Mann übrig, der zusammensackte. Ich habe sofort das Handy gezückt, aus Versehen aber nicht gleich die Feuerwehr angerufen, sondern die Polizei unter 110. Am anderen Ende des Apparats war eine Frau, der ich gesagt habe: Bitte kommen Sie sofort zum Ebertplatz Köln, hier verblutet jemand. Ich habe das dreimal wiederholt, weil die Frau mir immer weitere Fragen zum Geschehen gestellt hat, während ich nur dachte: Schickt doch erst jemanden. Der verblutet.

Die Polizei gibt an, zwei Minuten nach dem ersten Notruf vor Ort gewesen zu sein.

Mir kam das definitiv viel länger vor, auch wenn ich weiß, dass die Zeitwahrnehmung oft anders ist, wenn man geschockt ist. Ich habe mich ja noch gewundert, weil ich dachte: Hier ist doch eben noch eine Streife entlanggefahren. Wo sind die denn? Wir waren auf jeden Fall mit dem Opfer eine ganze Zeit lang alleine. Mein Freund hat versucht, den Mann wiederzubeleben, eine Frau war ebenfalls dabei, beide hatten später die Hände voller Blut. Er war definitiv bewusstlos. Die Angreifer waren nicht mehr da.

Hat die Polizei Ihnen psychologische Betreuung angeboten?

Ja, aber das war ein eher schockierender Moment für mich: Denn als in der Nacht klar wurde, dass der Verletzte gestorben ist, hat eine schwarze Frau, die in der Nähe stand, angefangen, erst laut zu atmen und dann zu schreien und zu weinen. Ein Polizist sagte daraufhin laut: „Die soll doch mal das Maul halten, die dumme Kuh.“ Vielleicht hat er auch „Sau“ gesagt.

Ich bin jedenfalls total erschrocken: Da ist ein Mensch gerade gestorben und dann so was? Ich habe den Polizisten lautstark zur Rede gestellt, natürlich hat er mir nicht geantwortet. Aber ich habe ein Foto von ihm und überlege, ihn anzuzeigen. Kurz darauf wurde mir eine Betreuung angeboten, der Frau nicht, obwohl sie emotional ja deutlich involvierter war als ich. (Auf eine Bitte um kurzfristige Stellungnahme hat die Polizei bis Redaktionsschluss nicht reagiert, Anm. d. Red.)

Haben Sie mit einem derartigen Ausbruch von Gewalt am Ebertplatz früher oder später gerechnet?

Nachts und vor allem am Wochenende kommt es schon öfters zu einer aggressiven Stimmung ab einer späteren Uhrzeit. Ich war in den letzten Wochen des Öfteren vor Ort und konnte das beobachten. Man entwickelt ein dickeres Fell, aber fliegende Flaschen, pöbelnde Leute, das nimmt einen schon etwas mit.

Waren Ihnen die in die Schlägerei verwickelten Männer vom Sehen bekannt?

Das waren alles Männer, die ich vorher noch nicht auf dem Platz gesehen hatte. Ich habe keine Ahnung, wo die herkamen. Definitiv nicht aus dem „African Drum“, in dem ich vorher zu Gast war.

Von wem geht die Aggressivität auf dem Ebertplatz aus – von der Drogendealer-Szene oder anderer Problem-Klientel?

Es gibt viele Obdachlose, die aber stets harmlos sind. Aber es gibt auch Aggression, die vielleicht durch Drogen verstärkt werden, wo es immer wieder zu Gewalt kommt. Dass die Dealer aggressiv werden, ist eher ein Rand-Aspekt. Ich denke, dass es auch andere Orte in Köln gibt, an denen ähnliches Aggressionspotenzial herrscht, von denen wir aber gerade nicht sprechen.

Wie ist die Atmosphäre auf dem Platz?

Trotz der sehr erfolgreichen Wiederbelebung des Platzes, die ja vor allem auch durch kulturelle Arbeit entsteht, wird die Problematik auf sozialer Ebene nicht gelöst. Tagsüber herrscht da eine überaus positive Stimmung, aber nachts, wenn es sich langsam leert, kippt es eben oft auch. Die Kulturschaffenden erledigen eine sehr gute Arbeit. Aber ich sehe hier keine Sozialarbeiter – nirgends. Ich finde, es fehlen Maßnahmen, die sich auch mit den Problemen der Menschen dort auseinandersetzen.

Was werfen Sie der Polizei vor?

Ein paar Runden über den Platz zu drehen und nur auszusteigen, wenn es schon in irgendeiner Art und Weise eskaliert, ist keine Problemlösung, sondern rein symbolisch, hilflos, eine ungenutzte Chance.