Köln – Mit hohem Aufwand haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Wissenschaftler versucht herauszufinden, warum der Polizeibeamte Veit Rathenow an Karnevalsfreitag an der KVB-Haltestelle Chlodwigplatz auf die Gleise zwischen zwei Bahnwaggons gestürzt war. Der 32-Jährige wurde von dem Zug überrollt und getötet. Die Kripo befragte Zeugen, Rechtsmediziner werteten DNA- und Faserspuren aus und versuchten zuletzt sogar, mit einer selten angewandten Methode („biodynamisches Gutachten“) zu klären, ob und mit welcher Intensität auf den Polizisten „eingewirkt“ wurde, sprich: ob er auf die Gleise gestoßen wurde.
Jetzt teilt die Staatsanwaltschaft mit: Trotz „sehr intensiver Ermittlungen“ hätten sich die genauen Umstände des Sturzes nicht aufklären lassen. Das Verfahren gegen einen Rechtsanwalt wurde mangels Tatverdachts eingestellt. Der Jurist stand lange im Verdacht, den Polizeibeamten geschubst zu haben. Doch dafür gibt es keine Beweise. Der Anwalt darf nun als vollständig rehabilitiert gelten.
Familie akzeptiert Entscheidung der Staatsanwaltschaft
Die Eltern von Veit Rathenow sagten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag, es falle ihnen „sehr schwer“, mit der Tatsache leben zu müssen, „dass wir wahrscheinlich nie erfahren, was den Sturz wirklich ausgelöst hat“. Als Kritik an der Polizei wollen die Eltern dies aber nicht verstanden wissen, im Gegenteil: „Die Polizei hat sich sehr große Mühe gegeben, den Fall zu klären. Dafür möchten wir uns ausdrücklich bedanken.“ Die Kölner Anwältin der Familie, Monika Müller-Laschet, teilte auf Anfrage mit, sie werde keine Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung einlegen. Die Familie Rathenow akzeptiere die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, das Verfahren zu beenden.
Veit Rathenow und der nun entlastete Rechtsanwalt kannten sich vorher nicht. Sie waren sich zufällig begegnet an jenem Abend. In seinen Vernehmungen bei der Polizei hatte der Anwalt ausgesagt, Veit Rathenow habe auf dem Bahnsteig einen plötzlichen Ausfallschritt in seine Richtung vollzogen. Es habe eine „unbeabsichtigte Berührung“ gegeben, in deren Folge der Polizist rückwärts gegen die Bahn gestürzt sei.
Ursache des Sturzes nicht zu erkennen
Ein Überwachungsvideo der KVB zeigt das Geschehen zwar, allerdings in sehr schlechter Qualität. Videoexperten vom Bundeskriminalamt versuchten noch, die Auflösung nachträglich zu verbessern – ohne Erfolg. Warum Veit Rathenow stürzte, ist auf den Bildern nicht zu erkennen, zumal Passanten im entscheidenden Moment die Sicht versperren. Das Fazit der Staatsanwaltschaft: „Der von dem Beschuldigten geschilderte Geschehensablauf könnte sich so zugetragen haben“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.
Und mehr noch: Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, halten es die Ermittler sogar für denkbar, dass der Rechtsanwalt noch versucht haben könnte, den 32-Jährigen aufzufangen. Auf den Videobildern erkannten die Rechtsmediziner, dass sich der Anwalt und der Polizist zum selben Zeitpunkt in etwa gleicher Geschwindigkeit in Richtung Straßenbahn bewegten. Unklar sei aber, ob diese Bewegung zum Beispiel durch einen Stoß verursacht wurde oder ob der Beschuldigte eher sogar noch versucht haben könnte, Veit Rathenow festzuhalten. Auch von den zahlreichen Zeugen, die die Polizei zum Unfall befragte, hat offenbar kein einziger den Beginn des Sturzes gesehen – jedenfalls konnte niemand konkrete Angaben dazu machen.
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Nun werden die Akten in dem Fall geschlossen. Die Familie von Veit Rathenow muss mit der Ungewissheit weiterleben, nicht zu wissen, warum genau der 32-Jährige zu Tode kam. Der Vater hatte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor einiger Zeit verraten, er halte sich an einem Satz seines ältestens Sohnes fest, Veits Bruder. Dieser Satz stimme ihn versöhnlich, trotz des unsagbaren Verlusts: „Manche“, sagte der Sohn nach Veits Tod , „werden 100 Jahre, manche 32. Wichtig ist, wie man seine Zeit genutzt hat.“ Veit, findet sein Vater, habe mindestens drei Leben gelebt – so dynamisch, neugierig und vielseitig sei er gewesen.
Auch bei der Kölner Polizei hatte der Tod des gebürtigen Bedburgers tiefe Bestürzung ausgelöst. Mit ihm habe jeder Einsatz Spaß gemacht, erinnert sich zum Beispiel ein Polizeikommissar von der Wache Weiden, wo Veit Rathenow von 2014 bis 2016 Streife fuhr. „Sogar Verkehr regeln im Regen.“
Zuletzt arbeitete der 32-Jährige als Ermittler im Landeskriminalamt in Düsseldorf. Am verhängnisvollen Freitagabend war er mit Freunden unterwegs. Am Chlodwigplatz wollten sie weitere Bekannte treffen. Kurz nachdem Veit Rathenow aus der Bahn gestiegen war, stürzte er zwischen die beiden Waggons.