50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
Im zweiten Teil des Interviews spricht Tommy Engel über politische Songs und seinen Ausstieg.
Köln – Stowaways und Bläck Fööss liefen fünf Jahre lang parallel.
Mit den Stowaways hatten wir Auftritte bei den Bällen. Da stehst du im Keller vom Gürzenich, unter der Treppe, und neben dir spielt Can. Der Holger Czukay, der Jacky Liebezeit, wir wechselten uns ab mit denen unter der Treppe.
Sagen wir mal so: Sie haben sich bewegt (lacht). Ich stand ja auf die Musik, und der Beat vom Jacky war schon super. Das experimentelle hat mir immer schon gut gefallen. Das hat später im Studio bei Conny Plank gut funktioniert, mit dem konnte man viel ausprobieren. Wir haben uns sehr gemocht. Sonst wären wir da wohl nie gelandet. Der hat nur Leute genommen, mit denen er konnte. Angeblich hat er sogar David Bowie abgelehnt.
Conny war eine tolle Erfahrung für mich. Er hat ja auch die erste Live-LP aufgenommen im Tanzbrunnen. Ich gebe zu, dass ich da etwas flott war, denn ich habe ihm heimlich gesagt,er soll seine Mischpulte aufbauen und das Konzert einfach mal mitschneiden. Und wir kamen gerade alle aus dem Urlaub. Bei den Fööss war das nicht geplant, bei mir schon. Und siehe da: eines der am besten verkauften Live-Alben überhaupt. Selbst der Erry hatte Bedenken, so ganz ohne Proben. Aber was müssen wir denn proben? Weiß doch jeder, was er zu tun hat. Und ich finde, die LP ist sehr schön geworden.
Die Haltung haben sie sich bis heute erhalten.
Nein, ich probe schon gerne bei neuen Sachen. Fragt Jürgen Fritz, ich bin immer pünktlich und kann mich durchaus unterordnen. Aber überlegt mal, wie viele Gigs wir bei den Fööss gespielt haben. Wir hatten im Karneval mal 230 Auftritte. Da musst du nicht mehr üben, das geht im Schlaf.
Ich erinnere mich an Plattenpräsentationen der Fööss, da wurden alle Songs live gespielt. Das macht doch heute keiner mehr.
Wir wollten das, das war Teil der Pflicht. Und wenn dann ein Song kam wie „Edelweißpiraten“ sorgte das schon auch für Aufruhr. Das Thema war jahrelang in Köln unter den Teppich gekehrt worden. Der Text war von Rolli Brings. 124 Strophen (lacht). Der Reiner Hömig und ich haben das dann im Urlaub komprimiert. Ist ein toller Song geworden. Macht ja Sinn, dass man mit solchen Sachen aufräumt in der Stadt. Der Laie macht sich oft ein total falsches Bild. Man muss die Leute auch mal drauf stoßen, wie es wirklich war. Da sind Jungs erhängt worden, die waren 16. Wir haben es zu unserer Aufgabe gemacht, dass das nicht vergessen wird. Auf ihre Art waren die Fööss immer politisch engagiert.
„Mer losse d’r Dom in Kölle“ war auch durchaus ein politischer Song.
Stimmt. Es ging letztendlich darum, dass durch diese ganzen Sanierungen, die ohne Kopf und ohne Seele gemacht worden sind, so viel in dieser Stadt kaputtgemacht worden ist. Der Abriss vom Stollwerck, wo ja erst keine Wohnungen geplant waren, die Baumfällungen an den Ringen, da haben wir überall eingesetzt. Und zumindest beim Stollwerck ist ja das schlimmste verhindert worden.
Sakir Bilgin, der Lehrer, der in der Türkei im Knast saß – wir haben es geschafft, den freizukriegen. Wir waren in politischen Sendungen, der Klaus Bednarz (moderierte das Nachrichtenmagazin „Monitor“, Anm. d. Red.) hat viel mit uns gemacht. Da waren wir schon präsent. Es ist also nicht so, dass das immer nur Karneval gewesen wäre. Deswegen waren wir auch immer stinkesauer, wenn man uns als Karnevalsband bezeichnet hat. Für mich war das manchmal anstrengend, weil ich als Frontmann dann auch reden musste. Selbst wenn der Hartmut vielleicht viel besser im Thema gewesen wäre.
War Hartmut Priess so ein bisschen der Preuße, der Struktur in die Band gebracht hat?
Hartmut war ein guter Denker. Wir waren ein gutes Kollektiv. Erry, Hartmut und ich waren immer ein ganz guter Verbund. Der Hartmut hatte eine Idee, die der Erry dann sehr gut in Texte umsetzen konnte. Inspirierte Texte, an denen wir dann gebaut haben. Musikalisch wie textlich – da ist viel Gutes entstanden.
Anfangs wurden die Platten mit Studiomusikern aufgenommen, sie haben nur gesungen und einige Overdubs drübergelegt.
Ich wollte immer Musik machen, viel selber spielen. Das war ja anfangs nicht so. Man kann einem Studiomusiker nicht immer erklären, wie er was zu spielen hat. Einem weltbekannten Schlagzeuger wie Charly Antolini zu sagen, er spiele das Ende von „Veedel“ zu hart, ist nicht einfach. Deswegen sind wir auch bei Conny Plank gelandet, da war mehr Zeit. Und wir konnten irgendwann alles selbst spielen. Ich mochte Insterburg und Co, die Art, wie die musizierten, improvisierten mit irgendwelchen Instrumenten. Und ich dachte, so stelle ich mir die „Kaffebud“ vor.
Das Buch
Parallel zu einer Ausstellung im Kölner Stadtmuseum ist die Geschichte der Bläck Fööss auch in einem großen Bildband erschienen, das in enger Abstimmung mit dem Museum entstanden ist. Neben zahlreichen Bildern erzählen darin mehr oder weniger Prominente ihre besonderen Erlebnisse mit den Fööss. „50 Johr Bläck Fööss – Kölle es un bliev uns Heimat“, hrsg. von Peter Feierabend, kostet 29,95 Euro und ist im KStA-Shop erhältlich.
Was wurde draus? Gestochenes Blässerarrangement, knallhart. Dang-dang-dang-dang-dang-dang-dang-dang-dang! Hua! Edelhagen-Cha-Cha-Cha. Für mich war das ein Faux-pas. Du bruchst nit fünf Sterne, du bruchst en Kaffeebud’! Tür op, Bing-Bong! Dat reich’. Ich habe immer gedacht, die Geschichte transportiert das Lied. Da ist es fast scheißegal, was du dazu spielst, du kannst auch Blockflöte und Mandoline nehmen – den Hit kannst du nicht verhindern.
Also warum nicht einfach selber spielen?
Genau. Wir sind sechs Leute. Wir sind dann raus bei der EMI und bei der BASF. Conny Plank hat gesagt, ich mach das mit euch. Wir haben uns die Nächte um die Ohren geschlagen und selbst gespielt – der Conny war immer da. Und ich hatte das Gefühl, der ist bei mir. Mit Jürgen Fritz ist das heute auch manchmal so. Die Playbacks waren fertig, die anderen waren weg. Und wenn ich dann keine rechte Haltung hatte zu dem Lied oder mich schwer tat, dann hat der Conny mir irgendwas erzählt, das war sehr symbiotisch.
Hat sich durch das selberspielen die musikalische Bandbreite verändert?
Die hatten wir vorher auch schon. Aber das hörte sich teilweise an, als wären das nicht wir. Wir wurden das, wenn ich drauf gesungen hatte, wenn unser Chor mit Peter und Erry noch ein paar witzige Sachen einbaute. Durch das mehrstimmige wurde es dann ein Bläck-Fööss-Lied. Wir haben angefangen, Signale zu senden. Das ist wichtig für die Menschen, dass sie so einen Wiedererkennungswert bekommen. Hier ein Mundharmonika-Intro, da ein Zwischengesang. Die Beatles haben das auch ganz oft gemacht. Selbst die Soli von George Harrison konnte man nachsingen. Wenn die Ideen aus der Band kommen, wird das authentischer.
Eigentlich waren die Fööss eine Beatband.
Klar. Aber wir konnten auch anders. Nimm „Rocknaach in Schloderoth“ – das ist Heavy Metal. Aber sowas war als Persiflage gedacht. Das haben wir damals für RTL in Luxemburg als Video aufgenommen. Die Performance war super. Den Kaczmarek haben wir da auch gemacht. Wir haben dann einen Drehort gesucht, der Regisseur und ich. Auf einmal standen wir in einer Besenkammer. Das war’s (lacht). Ich bin manchmal bekloppt, aber ich wusste immer, wie so eine Nummer zu transportieren ist. Heute würde man das vielleicht anders drehen, aber dem Beat würde man auch mehr Tempo geben.
Ihr habt euch beim Schreiben der Songs innerhalb der Band immer ausgetauscht?
Ein Beispiel: Erry und ich hatten „Veedel“ fertig, hatten aber eine ganz andere Melodie. Ich bin dann mit dem Band zu Peter und Hartmut gegangen, und die haben – Ich muss sagen: Gott sei dank! – eine andere Art, eine andere Melodie gefunden, um das Lied zu transportieren. Das war die Stärke des Kollektivs – wenn man nicht weiterkam, hat man die anderen mit einbezogen. Das war für mich nach dem Ausstieg schwierig. Ich habe dann eine ganze LP geschrieben, das geht schon, aber leicht ist es nicht. Dafür 100 Prozent Engel.
Wie war der Abschied?
Das letzte Konzert mit den Fööss war in Wuppertal. Klanglos. Also es waren Leute da, das Konzert war gut. Nur von der Band gab es keine Verabschiedung. Erry und Willi haben mir noch die Hand gegeben, ansonsten war Leere. Aber da habe ich nichts mehr drum gegeben. Vielleicht war ich etwas traurig, aber Groll habe ich nicht gehegt, nie. Es hat gedauert, aber es ist schön, beim Jubiläum dabei zu sein. Es hat gedauert. Da mussten Wunden verheilen. Bei allen. Aber die 24 Jahre waren eine schöne Sache. Es sind ein paar richtig gute Dinge entstanden. Und das zählt. Für die Minsche is et Orijinal.