Urlaub in der eigenen Stadt ist in diesem Jahr besonders gefragt. Unsere Reporter stellen während der Sommerferien Kölner Veedel vor – solche, die sie besonders gut kennen und solche, die sie schon immer mal besuchen wollten.
Wir schildern, was wir schön finden, wo es besonders lecker ist und verraten unsere Lieblingsplätze, natürlich ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Dieses Mal geht es nach Neuehrenfeld,
Köln-Neuehrenfeld – Die Geschichte Neuehrenfelds beginnt Ende des 19. Jahrhunderts ziemlich genau an der Subbelladderschasegödel. Kennen Sie nicht? Dann sind Sie in den Achtzigern nicht mit der KVB-Linie 5 gefahren.
Damals rumpelten und quietschten die alten Achtachser durch das Viertel, grün-dunkelgelbe oder rot-weiße Waggons ohne Werbeaufschrift, mit hohen Einstiegsstufen und harten Plastikbänken. Die Haltestellenansage kam nicht vom Band, wie heute, sondern über Lautsprecher vom Fahrer persönlich – sofern er es nicht vergaß, was häufig vorkam. Aber wer daran dachte, schnodderte meist so etwas wie „Subbelladderschasegödel“ oder „Sullagüddel“ ins Mikrofon, bevor der Zug stoppte. Es dauerte lange, bis ich als Kind begriff, dass die Kreuzung „Subbelrather Straße/ Gürtel“ heißt.
Exakt dort stand vor mehr als hundert Jahren der Subbelrather Hof von Aloys Anton Schlösser. Eine riesige Plantage mit 15.000 Obstbäumen. Mindestens einer aus diesem alten Bestand – ein Birnbaum – steht bis heute in der nach Schlösser benannten Kleingartenkolonie an der Subbelrather Straße. Den Rest seiner Ländereien verkaufte der Großgrundbesitzer Anfang des 20. Jahrhunderts als Baugrund an Investoren. Aus einer Plantage wurde ein schickes Wohnviertel. Bereits 1908 war der Lenauplatz dicht bebaut.
Und genau dort, im Zentrum Neuehrenfelds, beginnt an diesem warmen, sonnigen Vormittag der Spaziergang durch den 25000-Einwohner-Stadtteil zwischen der Subbelrather Straße im Westen und der Autobahn 57 im Osten, der Äußeren Kanalstraße im Norden und der Inneren Kanalstraße im Süden. Ein Veedel, das häufig ein wenig vergessen wird im Schatten des quirligen und größeren Ehrenfelds. Wenn er jemandem erzähle, dass er in Neuehrenfeld wohne, käme häufig zurück: „Ah, Ehrenfeld, cool“, sagt Jürgen Clemens, der mit seiner Familie seit vielen Jahren in der Nähe des Lenauplatzes wohnt. Aber das sei eben doch ein Unterschied. Er mag die seltsame Mischung in Neuehrenfeld, sagt Clemens, der als Regisseur arbeitet. „An einigen Stellen ein bisschen versnobt, aber nicht so wie Lindenthal. Ein bisschen kölsch, aber nicht nur. Ein bisschen multikulti, aber nicht so wie Kalk. Ein bisschen Familie, aber nicht so wie Sülz. Ein bisschen Hipster, aber nicht so wie das Belgische.“
„Bester Kaffee der Stadt“ im kleinen „Espresso Point“
Und mittendrin der Lenauplatz und die Landmannstraße mit ihren vielen kleinen Geschäften als Dorf in der Stadt. „Fluch und Segen“, findet Clemens. „Jeder kennt hier jeden.“ Und viele, so scheint es zumindest an diesem Vormittag, treffen sich im kleinen „Espresso Point“ am Lenauplatz. „Da gibt es den besten Kaffee der Stadt“, schwärmt Comedian Lutz van der Horst, der häufig hier ist und ganz in der Nähe wohnt.
Die vielleicht schönste Straße von Neuehrenfeld liegt allerdings ein paar hundert Meter die Iltisstraße hinauf Richtung Takuplatz. Hinter einer Tordurchfahrt erstreckt sich ein wenig abgeschieden ein knapp 200 Meter breiter Fußweg, Autos dürfen ab hier nicht mehr fahren. Links und rechts stehen zweigeschossige gelb gestrichene Mehrfamilienhäuser, 1912 angelegt und nach dem Krieg fast originalgetreu wieder aufgebaut, mit grünen Haustüren und grauen hölzernen Fensterläden. Die Lansstraße.
Kontrast zum belebten Lenauplatz
Akkurat gepflegte Beete und wild bewachsene Flächen vor den Häusern wechseln sich ab. Mannshohe Sonnenblumen, dichter Lavendel, rote Stockrosen, Weintrauben an den Fassaden und Tomaten in den Vorgärten prägen das Bild. Durch die Hecken und Büsche auf dem kleinen Plätzchen in der Mitte der Straße rauscht der Wind, von weitem tönt eine Sirene. Ansonsten ist es still. Ein krasser Kontrast zum wuseligen Lenauplatz. Gerne würde man wissen, wer hier wohnt, wie man hier wohnt, aber 20 Minuten lang lässt sich in der ganzen Straße niemand blicken. Kein Mensch. Wo sonst in Köln gibt es das?
Der Weg führt weiter über die Heidemannstraße, die Baadenberger Straße und die Tieckstraße bis zur Nußbaumerstraße. Ein ruhiges, beliebtes Wohngebiet nahe der A57, mitten im „Tinteveedel“, wie Neuehrenfeld wegen seiner früheren Bevölkerungsstruktur bis heute genannt wird. Oder auch „Lackschuhveedel“, wobei das dem Stadtteil nicht ganz gerecht wird. Bürgerlich ja, aber nicht nobel oder aufgetakelt.
Es waren vor allem Kaufleute, Lehrer, Beamte und höhere Angestellte, die ab den späten 20er Jahren die Straßen hier im Osten des Viertels bezogen. Heute reihen sich vor allem Einfamilienhäuser aneinander, viele auffallend schmal, viele von Familien bewohnt und viele mit Garten. Drei Fußgängerbrücken über die Autobahn verbinden die Gegend mit dem Blücherpark, den die Neuehrenfelder gerne für sich reklamieren, der aber schon zu Bilderstöckchen gehört.
Der Spaziergang endet dort, wo er begonnen hat, auf dem Lenauplatz. Jürgen Clemens ist noch etwas eingefallen zu seinem Stadtteil. „Da sind noch diese Stämme“, sagt er. „Männer und Frauen, die sich zu Karneval gelb anmalen und Hunnen, Tataren oder Chinesen spielen.“ Sehr merkwürdig, findet er. „Aber auch das ist Neuehrenfeld.“