Der Kölner Stadtteil Weiß bietet vielfältige Natur und einen großen Erholungsfaktor.
Wälder, Wiesen und Felder teilen sich die Flächen und malen herrliche Bilder.
Im Oktober gibt es sogar einen Almabtrieb für geschmückte Kühe auf saftigen Auen.
Weiß – Die Fähre kennt jeder. „Mer fahr’n nom Königsforst/mit Kind un Kejel/de Bott’ram injepack’/ wie de Wandervöjel“ war früher – heute fährt man mit dem Rädchen in die Natur, am Rhein entlang. Oder mit dem Rollbrett. Oder mit den Inlinern. Oder geht am Nordic-Walking-Stock. Egal. Hauptsache, am Rhein lang. Und dann landet man zwangsläufig irgendwann bei der Fähre. Rheinkilometer 677. Kurz bevor Köln aufhört, wenn man aus der Stadt kommt. Die nächste Brücke kommt erst in Bonn – zu weit.
Und durch die Raffinerien ist eh nicht schön, zumal man da neuerdings wieder feuchte Füße bekommen könnte, wegen der ganzen Benzinseen und so. Also setzt man über, fährt mit Fährmann Heiko Dietrich auf der Krokolino nach Zündorf, wo man an einem „Freizeitinsel Groov“ getauften Altrheinarm landet und rechtschaffen bespaßt wird: Tretboote, Minigolf, Freibad, Ausflugslokale. Alles super. Man könnte aber auch rechts abbiegen: Wanderer, dann kommst du nach Weiß.
Angefangen hat Weiß schon ein ganzes Stück vorher. Direkt hinter den Campingplätzen in Rodenkirchen, wo der Weißer Bogen beginnt. Der ist schuld, dass der Rhein in Weiß und Sürth quasi nach Osten fließt. Außer bei Hochwasser, dann ignoriert der Strom das Land und kürzt ab direkt nach Norden. Das kommt der Natur zugute, die hier reichhaltig, aber nicht unberührt ist. Wälder, Wiesen und Felder teilen sich die Flächen und malen herrliche Bilder: buntes Herbstlaub über mannshohem Unkraut, roter Klatschmohn im noch grünen Weizen, satte Pusteblumenwiesen, die eine Illusion von Schnee im Frühling zaubern, gelbe Rapsfelder unter blauem Himmel, zwei Stuten auf einer verschneiten Pferdekoppel im Winter. Für Städter und ihre Kinder, die den Uferweg landeinwärts verlassen, mutiert der Bogen zum Abenteuerland – wenn man sich drauf einlässt. Dann findet man spielend ins Tal der weißen Schnecken, zum See der fiesen Kröten, zum Tipi der Wanderindianer oder in die Muschelbucht – und der große Kra-Kra am Himmel erzählt dir bestimmt eine Geschichte. „Pirate! Wild und frei – dreimol Kölle Ahoi!“
Kleine und große Jungs können aber auch in die faszinierende Welt der Landmaschinen eintauchen: Traktoren, Mähdrescher, Rübenroder, Ballenpresse, Maishäcksler. Wintergerste, Raps und Weizen sind schon geerntet dieses Jahr, aber der Mais steht noch eine Weile und bis die Zuckerrüben aus dem Boden kommen, ist es Herbst. Auch das Tiroler Grauvieh steht noch auf den saftigen Auen, denn der Almabtrieb ist erst im Oktober. Ja, sowas gibt es in Weiß, auch wenn die Alm quasi ebenerdig liegt: Dann werden die geschmückten Kühe begleitet von Frauen in Dirndln, Pferden, Kutschen und einer großen Parade aus historischen Trekkern und Unimogs nach Hause geholt.
Wenn die Menschen dann zwei Tage ein Fest feiern in der Reithalle vom Lorbachhof, bei zünftiger Musi und ganz viel Bier, werden die Kühe wieder hintenrum auf die Wiese gebracht. Letztes Jahr hat es dann nachts eine ordentliche Keilerei gegeben. Das soll fast wie früher gewesen sein, erzählen die, die hier vor 40 Jahren aufgewachsen sind und reiben sich verstohlen die Handknöchel, als Weiß noch klein war und keine Schlafgemeinde, und die Rivalität zu den Sürthern groß, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Zur Serie
Urlaub in der eigenen Stadt ist in diesem Jahr besonders gefragt. Unsere Reporter stellen während der Sommerferien Kölner Veedel vor – solche, die sie besonders gut kennen, und solche, die sie schon immer mal besuchen wollten. Wir schildern, was wir schön finden, wo es besonders lecker ist und verraten unsere Lieblingsplätze, ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. (red)
In diesem sonst extrem friedlichen Stadtteil finden Mädels ihr Glück auf den beiden Reiterhöfen, die gleich oberhalb des Fähranlegers zu finden sind. Am Pflasterhof, einst ritterlicher Lehnsitz des Erzbischofs von Köln, bietet der Verein Reit-Therapie-Zentrum Weißer Bogen therapeutisches Reiten – damit kann man zwar keine Krankheiten heilen, aber körperliche und seelische Wunder bewirken. Landwirt Georg Rottscheid bietet zudem Blühpatenschaften für Wildblumenwiesen.
Weiß wird bunter
Jetzt sind wir schon fast mittendrin im Stadtteil Weiß, über den es bei Wikipedia heißt: „Die erste verlässliche historische Erwähnung des Ortes erfolgte im Jahre 1130. 1238 vermachte Bertolfus seinem Stift eine bestimmte Menge Wein zu Wise bei Soride (Weiß bei Sürth). Der Name ist althochdeutschen Ursprungs und bedeutet so viel wie „Wiese“.“ Dä, wer hätte das gedacht! Die Wiesen werden im Ort immer weniger. Hans und Sophie Altenhoven, die die letzten Milchbauern im Kölner Süden waren, haben schon 2004 ihren Betrieb eingestellt, die Weiden sind längst mit Reihenhäusern bebaut: Weiß wird bunter.
Und größer – über 6000 Einwohner hat der Stadtteil mittlerweile. Neue Menschen, vor allem Familien kommen, viele Geschäfte gehen. Den größten Laden hat der Bestatter, in der Sparkasse ist ein Yoga-Studio und der Metzger hat sich nach Rodenkirchen vergrößert. Dafür gibt es einen Gitarrenbauer, einen Bioladen und einen für Hundefutter. Torwartlegende Toni Schumacher schwärmt von Elio Spatolas Pizza im „Dall’italia“ und Rechtsaußen Karl-Heinz Thielen, erster Bundesliga-Meister 1964 mit dem FC, trinkt seinen Espresso im Eiscafé „Marano“ von Nino Amore. Immer für ein Weißer Anekdötchen gut ist Hannelore Bussard in ihrem Obst- und Gemüselädchen.
Tipps
Bäckerei N. Lippe, Weißer Hauptstr. 46, wochentags 6.30-13 Uhr, Sa 7-12.30 Uhr, So 7.30-11.30 Uhr: kleine, aber feine Auswahl an Backwaren mit hervorragenden Croissants.
Obst- und Gemüseparadies, Auf der Ruhr 95, Mo-Sa 8.30-13 Uhr, Tel. 02236-929 260, Plausch inklusive.
Veedelszug Karnevalssamstag – der Schönste im Süden
Und Bäcker Rainer Lippe backt die besten Croissants im Süden. Angeblich schickt eine betuchte Hahnwalderin jeden morgen ein Taxi, um sich eines bringen zu lassen. Noch so eine Geschichte…
Sehenswert ist auf jeden Fall die St.-Georgs-Kapelle, die urkundlich erstmals 1433 erwähnt wurde. Allein für die Wandmalereien von Elmar Hillebrand und Theo Heiermann lohnt sich der Besuch. Vor der Tür lädt ein Platz mit bronzener Schildkröte zum Boule spielen unter Bäumen. Ein Stückchen weiter steht das frühere Wohnhaus des berühmten Architekten Gottfried Böhm – aber weil es sich hinter der Kirche und viel Grün versteckt, kann man kaum etwas davon sehen. Schade.