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„Wir dürfen nicht wegschauen“Künstler stellt Schaufensterpuppen gegen Missbrauch vor dem Kölner Dom auf

Lesezeit 3 Minuten
Dennis Josef Meseg
kniet zwischen weiß-purpur-farbigen Schaufensterpuppen.

Dennis Josef Meseg hat 333 weiß-purpur-farbige Schaufensterpuppen vor dem Kölner Dom aufgestellt.

Am Dienstag hat Dennis Josef Meseg vor dem Kölner Dom eine Installation aufgestellt, die die katholische Kirche kritisiert.

Wie eine Armee stehen sie auf dem Kardinal-Höffner-Platz und zeigen mit dem Finger auf den Kölner Dom: 333 kleine Schaufensterpuppen sollen an den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche erinnern. Sie sind eingewickelt, eingeengt in weiß-purpur-farbigem Flatterband – weiß für die Unschuld, die Kindern genommen wird und purpur als Farbe der Reue und Beichte in der katholischen Kirche.

Künstler Dennis Josef Meseg hat das stille Mahnmal „Shattered Souls … in a Sea of Silence“ am Dienstagmorgen mit zehn Helferinnen und Helfern aufgebaut. Er möchte Sichtbarkeit schaffen. Für Opfer, die sich alleine gelassen fühlen, aber auch für die Täter. „Wir dürfen nicht wegschauen“, sagt Meseg. Der Skandal dürfe nicht aus der Öffentlichkeit und Diskussion geraten.

333 kleine Schaufensterpuppen zeigen mit dem Finger auf den Kölner Dom

Schon länger sei das Projekt geplant gewesen, erzählt Meseg: „Ich habe nur auf den richtigen Moment gewartet.“ Am liebsten mache er zeitgenössische Kunst, die wirklich aktuell sei. Der Vertuschungsskandal um Kardinal Woelki und der neueste Entschluss, dass das Erzbistum Köln einem Missbrauchsopfer 300 000 Euro zahlen muss, haben ihn dazu bewegt, die Installation im August aufzustellen. „Da jetzt Weltjugendtag ist, hat es sich noch mehr angeboten, es in dieser Woche zu machen.“ Der Weltjugendtag ist eine Veranstaltung der römisch-katholischen Kirche, die sechs Tage dauert. Dieses Jahr ist sie vom Dienstag, 1. August bis Sonntag, 6. August in Lissabon. Das Mahnmal wird diese gesamte Zeit über vor dem Kölner Dom sein.

333 Kinderfiguren stehen als Mahnwache vor dem Kölner Dom. Die mit purpur-weiß farbigem Flatterband umhüllten Figuren zeigen mit dem Finger auf den Dom.

333 Kinderfiguren stehen als Mahnwache vor dem Kölner Dom.

Täglich wird Meseg die 333 Kinder-Figuren mit seinem Team auf- und abbauen. Er wolle damit sicherstellen, dass sie heil bleiben und niemand über Nacht Wache stehen muss. Von neun bis 18 Uhr werden sie jeweils zu betrachten sein. Am Samstag wird die Installation einmalig auf dem Roncalliplatz und am Sonntag wieder auf dem Kardinal-Höffner-Platz stehen, dann aber nur von zwölf bis 18 Uhr.

Köln: Stilles Mahnmal zum Weltjugendtag

Die Kunstinstallation ist von Dennis Josef Meseg allein geplant und finanziert worden. Zehn Tage hat er mit 20 Helferinnen und Helfern die Figuren in seinem Atelier in Wesseling präpariert. Das Konzept ist inspiriert von vorangegangenen Projekten, bei denen er einmal 111 Figuren und vergangenes Jahr 222 in Flatterband gewickelte Schaufensterpuppen aufgestellt hat. Das Flatterband repräsentiere für ihn Einengung, die er zunächst mit Corona in Verbindung brachte. Nun fand er sie auch passend für die Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Bloß die Farbe habe er angepasst und das Band selbst bedruckt.

Die Zahl 333 sei vor allem auf seine Vorgänger zurückzuführen. „Die Schnapszahl ist eine ungewollte Tradition aus persönlicher Marotte geworden“, erzählt Meseg lachend, „aber die drei hat natürlich auch eine besondere Bedeutung im Christentum. Das können die Leute dann ja selbst recherchieren.“ Klar ist schon jetzt: die Menschen werden auf das zentral platzierte Mahnmal aufmerksam.

Immer wieder bleiben Vorbeilaufende stehen, machen Bilder, diskutieren. Kinder spielen zwischen den Figuren. Rückmeldungen habe der Künstler, der die gesamte Zeit bei der Installation steht, schon etliche bekommen. „Wirklich viele kommen auf mich zu, um einfach Danke zu sagen“, erzählt er. Einige seien auch negativ gestimmt. So habe sich eine Frau pikiert, die vor der Messe das Mahnmal entdeckt habe. Ob denn immer die Kirche angegriffen werden müsste, habe sie gefragt. Auch das ist okay für Meseg: „Kunst soll eben bewegen.“