Ein Kölner Ehepaar musste zwischenzeitlich mit einer Haftstrafe rechnen, sobald es die Straße betrat.
WegerechtsposseStadt Köln trifft Entscheidung für Privatstraße nach bizarrem Nachbarschaftsstreit
Zwischenzeitlich mussten Perwin Sakar und Latif Bekiri damit rechnen, festgenommen zu werden, sobald sie ihr Haus verlassen. Weil das Ehepaar sich weigerte, für die Nutzung ihrer Stichstraße am Stüttgerhofweg in Junkersdorf zu zahlen, entschied das Kölner Amtsgericht am 3. Januar 2024: Sakar und Bekiri machen sich strafbar, sobald sie die Straße zu ihrem Haus betreten. Ihr Haus liege in einer Privatstraße, der Eigentümer habe ein Recht auf Nutzungsgebühren. Bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld oder sechs Wochen Haft hielt das Gericht für angemessen.
Das Ehepaar hatte argumentiert, die Stichstraße hätte schon nach ihrer Erschließung im Jahr 1973 von der Gemeinde Lövenich öffentlich gewidmet werden müssen. Es gibt einen notariellen Vertrag aus der Zeit, der bestätigt, die Straße werde nach dem Bau der Häuser „unentgeltlich und zu Eigentum und Besitz“ an die Gemeinde übertragen. Das geschah aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen seinerzeit jedoch nicht.
Kölner Amtsgericht bezeichnet Verhalten der Straßeneigentümerin als „objektiv ungerecht“
Jetzt, nach vier Jahren eines grotesken wie für das Ehepaar zermürbenden Nachbarschaftsstreits, hat die Stadt Köln die Straße öffentlich gewidmet. So steht es in einer öffentlichen Bekanntmachung der Stadt Köln. Sakar und Bekiri selbst sind von der Stadt nicht darüber informiert worden. Bis zum 6. September hat die bisherige Eigentümerin der Sackgasse, eine Immobiliengesellschaft, noch Gelegenheit, Klage gegen die Umwidmung einzureichen. Der Anwalt der bisherigen Eigentümerin der Straße ließ Fragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Montag (26. August) unbeantwortet.
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Am 5. September feiern Perwin Sakar und Latif Bekiri ihren fünften Hochzeitstag. „Hoffentlich“, sagt Perwin Sakar, „hat unser Albtraum dann endlich ein Ende und wir können feiern.“
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte mehrfach über den absurden Fall berichtet, viele Berichte anderer Medien, etwa vom „Spiegel“ folgten. „Ohne öffentlichen Druck wäre die Straße ganz sicher nicht umgewidmet worden“, glaubt Sakar.
Die Androhung einer Haftstrafe für den Fall, die eigene Haustür zu verlassen, hatte das Kölner Amtsgericht selbst für absurd gehalten. In der Begründung des Urteils hieß es, das Gericht verkenne nicht, „dass sich das Verhalten der Klägerin (…) als objektiv ungerecht darstellt. (…) Es erscheint in tatsächlicher Hinsicht vollkommen unsinnig, dass die Beklagten ihr Grundstück nicht betreten dürfen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich das Straßengrundstück in Privatbesitz bzw. Privateigentum der Klägerin befindet“.
Formeller Anlass für das kafkaeske Urteil war die Weigerung des Anwalts von Perwin Sakar und Latif Bekiri, ein Notwegerecht zu beantragen – mit solch einem Antrag, so hatte der Jurist argumentiert, verlasse das Ehepaar seine Rechtsposition, die Chancen für eine öffentliche Widmung der Straße könnten sinken. Das Ehepaar wechselte schließlich den Anwalt – die neue Juristin beantragte das Notwegerecht und stellte der Stadt Köln eine Frist für die Umwidmung. Sollte sie diese verstreichen lassen, stellte sie eine Schadensersatzklage in den Raum, die sich am Wert des sehr teuren Hauses samt Grundstück orientierte.
Nach diesem Anwaltsschreiben ging es schnell mit der öffentlichen Widmung. Zur Vorgeschichte gehört nicht nur, dass Perwin Sakar und Latif Bekiri von der Stadt Köln jahrelang vertröstet wurden. In der Straße schwelte ein Streit, der begann, als das Ehepaar einen Gasanschluss legen lassen und die Eigentümerin der Straße das nicht zulassen wollte. Als die Bekiris einen neuen Zaun bauen lassen wollten, habe sich ein Mitarbeiter des Eigentümers die Straße mit seinem Auto blockiert. Als das Ehepaar ihr Auto neben dem Zaun parken wollte, ließen die Straßeneigentümer dort Poller anbringen, die nur mit einem Schlüssel zu öffnen sind. Viele Anwohner sollen einen Schlüssel erhalten haben – nicht aber Sakar und Bekiri.
Stadt Köln vertröstete Kölner Paar jahrelang
Jährlich 18.300 Euro Nutzungsgebühren für die Straße verlangte die Eigentümerin von dem Ehepaar – das Gericht hielt 300 Euro für angemessen. Zu einer Einigung über das Notwegerecht war es auch deswegen nicht gekommen, weil die Straßeneigentümerin darin geschrieben hatte, dass Freunde und Bekannte die Sackgasse nicht nutzen dürften – ebenso wenig Journalisten.
Wenn gegen die öffentliche Widmung der Straße keine Klage eingereicht wird, „werden wir als Erstes die Poller entfernen lassen“, kündigt Perwin Sakar an. „Die Eigentümer müssen dann auch die auf die Straße und unser Haus gerichteten Kameras entfernen.“ Ob das Ehepaar selbst langfristig in der Stichstraße wohnen bleibt, ist ungewiss. „Wir wollen zuerst unser Recht durchsetzen. Aber natürlich machen wir uns Gedanken, ob wir nach dieser Horrorgeschichte dauerhaft hier leben können.“