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Serie

Integration
So helfen Case-Manager Zugewanderten im Kreis Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten
Nora Habeth-Baumgarten und Elmaz Arab sitzen sich gegenüber. Papiere und Broschüren liegen zwischen ihnen auf einem Tisch.

Begegnen einander mit großer Wertschätzung: Case-Managerin Nora Habeth-Baumgarten (l.) im Gespräch mit Elmaz Arab, die seit 2015 in Deutschland lebt und auf der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz ist.

Die Bürokratie ist für Geflüchtete oftmals eine harte Nuss. Im Kreis Euskirchen erhalten sie Hilfe bei Fragen zu Beruf, Wohnen und vielem mehr.

Zu verstehen, wie der deutsche Behördendschungel funktioniert und wie schnell Abläufe innerhalb der Verwaltungen ins Stocken geraten können, sobald ein gefordertes Formular nicht ausgefüllt oder ein Termin verbummelt wird, ist für jeden Einwanderer eine harte Nuss. Elmaz Arab, die 2015 aus Afghanistan nach Deutschland flüchtete, tat sich damit auch zunächst schwer.

Eine verpasste Frist zur Verlängerung des Aufenthalts eines ihrer Kinder zog einen wahren Rattenschwanz nach sich, den die 31-Jährige ohne Unterstützung eher nicht hätte bewältigen können. „Das war für mich eine wichtige Erfahrung, jetzt beantrage ich alles lieber einen Monat zu früh“, sagt die junge Frau.

Man muss was machen, ich kann nicht nur rumsitzen und klagen, wie schwer alles ist.
Elmaz Arab, die 2015 aus Afghanistan nach Deutschland kam

An diesem Morgen sitzt sie im Büro von Case-Managerin Nora Habeth-Baumgarten, das im neuen Teil des Kreishauses liegt, inmitten des Jobcenters Eu-Aktiv. Seit rund einem Jahr treffen sich die beiden Frauen regelmäßig, zurzeit geht es hierbei hauptsächlich um die beruflichen Perspektiven der 31-Jährigen. Die alleinerziehende Mutter dreier Kinder im Alter von sieben, zwölf und 17 Jahren würde gerne im Einzelhandel oder in der Hauswirtschaft arbeiten.

„Es läuft in Deutschland anders als in Afghanistan oder dem Iran, wo man Berufe nicht so wie hier erlernt. Man probiert einfach aus, was einem liegt, und dann ist man eben Schneiderin oder Friseurin“, erzählt Elmaz Arab.

Sozialarbeiterin Nora Habeth-Baumgarten, deren Stelle beim Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum (Kobiz) angesiedelt ist, schaut mit ihrer Klientin nach möglichen Arbeitsstellen, hilft beim Zusammenstellen von Bewerbungsunterlagen und ermutigt sie, bei Arbeitgebern persönlich anzurufen.

Kreis Euskirchen: Case-Manager helfen den Menschen, Fuß zu fassen

„Die goldene Regel beim Case-Management ist, dass die Klientinnen und Klienten die Themen mitbringen und dass die Beratung ein freiwilliges Angebot ist“, sagt Habeth-Baumgarten. Eine Tür weiter, beim Jobcenter des Kreises Euskirchen, mit dem die Sozialarbeiterin eng zusammenarbeitet, sieht das anders aus.

Hier wird die Mitwirkung der Klientinnen und Klienten erwartet und im Falle der Nichteinhaltung mit Sanktionen belegt. „Ich bin quasi das Verbindungsstück“, sagt Habeth-Baumgarten. Da, wo die Arbeitsvermittlung aufhöre, steige sie mit ein – mit großer zeitlicher Ressource für die zugewanderten Klientinnen und Klienten, die Unterstützung suchen.

Bei Elmaz Arab stand zu Beginn der Zusammenarbeit die Organisation von Kinderbetreuung im Vordergrund, ohne die die Alleinerziehende nicht auf dem Arbeitsmarkt unterkommen kann. „Ich bekomme auch viel Unterstützung von einer Familienhelferin der Caritas“, so Arab, die durch Sprachkursbesuche bereits gute Deutschkenntnisse erworben hat und hochmotiviert ist, irgendwann auf eigenen Beinen zu stehen.

Zugewanderte erhalten Einblicke in die Abläufe der Behörden

„Man muss was machen, ich kann nicht nur rumsitzen und klagen, wie schwer alles ist“, sagt sie. Und: „Alle Menschen haben Probleme, alle müssen kämpfen. Ich bin sehr dankbar, dass ich dabei soviel Hilfe erhalte.“

Gemeinsam mit Nora Habeth-Baumgarten habe sie mittlerweile mehr Verständnis für die Abläufe in Behörden und Einrichtungen entwickelt, ihr Leben habe jetzt mehr Stabilität. Und sie traue sich, Dinge selber anzugehen: „Wenn ich etwas nicht verstehe oder Fragen habe, rufe ich bei den Stellen an. Und auch bei Anträgen versuche ich zuerst einmal allein, die Formulare auszufüllen.“

Für die Sozialarbeiterin liegt ein gewichtiger Vorteil ihres Arbeitsplatzes in der Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen des Jobcenters, der Ausländerbehörde oder des Kobiz. „Man kann einfach mal anklopfen und persönlich nachfragen, wenn etwas unklar ist.“

Case-Manager stehen immer wieder vor neuen Herausforderungen

Bei den eng betreuten Integrationsprozessen erkenne man zudem die Lücken und Schwächen im System: „Viermal jährlich treffen wir Case-Manager uns, um abgeschlossene oder weit fortgeschrittene Fälle zu besprechen. Hier werden Knackpunkte deutlich.“ Es zeige sich auch, wo Abläufe verbessert werden können.

Für Nora Habeth-Baumgarten sind die Menschen, die zu ihr kommen, regelrechte Überraschungspakete. „Es sind immer wieder neue Problemstellungen und Herausforderungen, bei denen ich auch jedes Mal dazulerne, zumal ich hier rechtskreisübergreifend arbeite.“

Die generelle Entwicklung einer Perspektive in Deutschland, die Anerkennung von Zeugnissen und Dokumenten, die Suche nach bezahlbarem Wohnraum, Beantragung von Unterhaltsvorschussleistungen und vieles mehr bestimmen die Inhalte ihrer Arbeit, die zeitlich nicht gedeckelt ist. „Ich begleite die zugewanderten Klientinnen und Klienten so lange, bis sie das Gefühl haben, weitestgehend alleine parat zu kommen.“

Genau das ist es, was Elmaz Arab für sich und ihre Kinder erreichen will: „Irgendwann alles alleine zu schaffen, das ist mein Ziel.“ Bis dahin vertraut sie auf die Unterstützung ihrer Case-Managerin.


„Von der Einreise bis zur Einbürgerung“

Seit Mai 2021 wird das Kommunale Integrationsmanagement, kurz Kim, im Kreis Euskirchen umgesetzt. Kim ist das bislang größte integrationspolitische Förderprogramm des Landes NRW, dessen Ziel es ist, die Teilhabechancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte weiter zu verbessern. Zusammengefasst geht es um die kommunale Steuerung und Organisation von Integrationsprozessen von „der Einreise bis zur Einbürgerung“.

Wie das umfängliche Kim-Konstrukt mit Leben erfüllt wird, welche Wirkung Kim beispielhaft im Leben Zugewanderter im Kreis Euskirchen entfaltet und worin der seitens der Politik beschriebene Paradigmenwechsel in der Praxis tatsächlich besteht, davon handelt diese Serie.

Diesmal steht das Case-Management im Fokus, bei dem Menschen mit Einwanderungsgeschichte individuell zugeschnitten auf ihre jeweiligen Bedarfe beraten werden. Die insgesamt 15 Case-Managerinnen und -Manager helfen kreisweit bei Fragen zu Aufenthalt, Sprache, Beruf, Gesundheit und gesellschaftlicher Teilhabe.